110. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2012
 
Die Frauen der Lesben- und Schwulenszene
Wozu lesbische Frauen die Szene brauchen und warum die Lesben- und Schwulenszene für Frauen wichtig ist.

Eine Diskussion darüber, ob Lesben in der Frauenbewegung besser aufgehoben seien als in der Lesben- und Schwulenszene, war Stoff der 80er oder 90er Jahre und stellt sich gegenwärtig nicht mehr. Lesbischen Frauen und schwule Männer begegnen und verstehen sich längst als eine Szene.

Die feministische Szene ist im wesentlichen bis auf einige Kernbereiche geschrumpft, die einige spezielle Aufgaben für die Frauenbewegung übernommen haben. In einigen sind auch lesbische Frauen.

Es gibt einige Lesbengruppen oder Versuche, diese aus einem kleinen Freundinnenkreisen werden zu lassen, und ob sich diese beim CSD oder bei Frauenparties öffentlich zeigen, ist für die Existenz dieser Gruppen nicht von wesentlicher Bedeutung.

Es gibt auch Lesbengruppen, die auf Schwule zugehen, weil sie in ihrer Stadt auch einen CSD oder andre Parties organisieren möchten.

Und wir als Frauen der ROSA LÜSTE nehmen mehr oder weniger aktiv an den Aktivitäten der Gruppe teil, wie dies eben auch bei den Schwulen der Gruppe ist. Nicht alle machen bei allem mit.

Einige Bereiche unseres lesbischen Lebens teilen wir mit den schwulen Mänern unserer Gruppe, andere Bereiche gehen die nichts an. Und die haltens ebenso.

Und weil wir in den Gesprächen vieles gemeinsam absprechen bzw. austauschen, hören wir von den schwulen Männern hier auch nichts unsinnig Frauenfeindliches und diese auch nichts unsinnig Männer- oder Schwulenfeindliches, was in er feministischen Szene bisweilen produziert wird.

Frauen- und Feministinnenfeindliches, falls dies so genannt werden kann, hören wir eher hier Frauen von sich geben, und das nicht, weil es um Stutenbiss oder Zickenkrieg geht, sondern weil sich manche Frauen in Bereiche versteigen, die denen vielleicht Spaß machen, die aber nun wirklich nur noch unsinnig sind.

Und für so etwas könnten wir auch von den schwulen Männern unsrer Gruppe auch keine Solidarität erhalten, wir würden uns auch schämen für solche Auffasungen Solidarität einzufordern. Ich nehmen mal an, dass solche Auffassungen zunehmend verschwinden.

Das wären zum Beispiel Forderungen, die früher von einigen lesbischen Frauen erhoben wurden, nämlich zum Beispiel die Männer zur Einsicht bringen, dass Gewalt etwas männliches sei und dass Frauen immer die Opfer von Männern wären.

Also erstens hatten und haben wir schwule Männer hier, von denen nun überhaupt keine Gewalt ausging und ausgehen konnte und kann, sie sind und waren nun mal nicht so, und andere Männer, die manchemal ziemlich ruppig sind und waren. Aber sie waren und sind nicht ruppiger als einige von uns. Und wir kennen Frauen, die vor Gewalt nicht zurückschrecken und die sehr dis-tanzlos sind, während andere Macht und Achtung erwerben wollen, indem sie intrigant oder hinterhältig sind.

Und Intrigantentum usw. gibt es auch bei den Männern. Solche Erschceinungsformen lassen sich nicht so sehr an den Geschlechtern festmachen, eher vielleicht zum Teil an den Geschlechtsrollen.

Und daher finde ich es auch nicht weiterführend, wenn zum Beispiel in einem Buch über Gewalt in lesbischen Beziehungen eine Geschlechtszu-ordnung zu lesen ist, die nicht real ist, nämlich wenn die prügelnde Fraue die „männliche Frau“ genannt wird und deren Opfer als die „weibliche Frau“. Es geht da wohl eher darum, wem welche Art von Emotionsausbrüchen zugestanden wird. Und das hat nun auch wieder nur etwas mit
Geschlechtsrollenzuordnungen und mit gesellschaftlichen Zuschrei-bungen zu tun und nicht mit der Realität, die wir unter uns beobachten können.

Gut, da gibts dann noch die, die dann sagen: dann ist das eben kein richtiger Mann oder keine richtige Frau. Und welche Frau bzw. welcher Mann ist dann richtig? Die ihren Vorurteilen entsprechen vielleicht?

Ich glaube, dass solche seltsamen Zuordnungen damit verschwinden, wie sie in unserem Umfeld auf Zustimmung stoßen und wie Frauen, die dies behaupten durch uns bestätigt werden.

Und genauso ist das auch mit schwulen Männern, die in die Gruppe kommen und mit männerrollenbetsätigenden Argumenten ankommen und von uns Lesben und Schwulen in unserer Gruppe keine Bestätigung dafür erhalten. Sie müsen ihre Haltung dazu überdenken, oder sie bleiben dann in der Rolle des Nichtanerkannten, der eben für solche Auffassungen nicht alle Achtung erhalten kann. Für herabsetzende Äußerungen durch Frauen gegenüber Männern, die angeblich nicht männlich genug seinen, gibt es bei uns auch keine positive Resonanz, denn das wäre auch überhaupt nicht zielführend.

Es gibt allerdings in der Szene lesbischer und schwuler Menschen noch einen erkennbaren Unterschied zwischen den Männern und den Frauen, was sich auch in der Anzahl der Kneipen wiederspiegelt. Für schwule Männer gibt es mehr Kneipen als für lesbische Frauen, und das hat nichts mit der Unterdrückungung der Frau durch das Patriarchat zu tun, sondern, dass sie für unser Leben unterschiedlich benötigt werden.

Schwule Männer sind in der Gruppe wie in der Szene ständig auf Sexsuche, weil sie meistens in Beziehungen leben, in denen Sex kaum oder nicht vorkommt: in ihrer Her-kunftsfamilie oder immer noch in enger Bindung mit der Mutter, in unterschiedlichen Gruppierungen und Bünden der heterosexuellen Mehrheitsgesell-schaft, in langjährigen schwulen Partnerschaften, in denen Sex eingeschlafen ist, und sie suchen daher Sex außerhalb der Beziehungen.

Bei uns lesbischen Frauen spielt der Zusammenhang zwischen Beziehung und Sex eine größere Rolle.

Daher finden wir auch weniger Kneipen und andere Treffpunkte für den Zweck der Kontaktsuche. Und dass immer viele Lesben zu größeren Events auflaufen, hat damit etwas zu tun, dass dort auch die Paare zusammen hingehen können, die zusammen sind und bleiben wollen.

Natürlich wollen wir hier nicht verallgemeinern, denn es gibt auch Frauen, die, wie wir es bei den Schwulen beobachten können, ständig auf Partnersuche sind, und es gibt auch bei Männern Kneipen, in die langjährige schwule Paare zusammen hingehen und die auch zusammenbleiben wollen.
 
Manchmal suchen sie aber auch gemeinsam einen Mann für die Nacht. Dass schwule Männer ständig auf der Suche sind, macht sie übrigens auch sichtbarer. Um jemanden anzusprechen, muss man sich als Mann sichtbar machen, der Lust am Mann hat.

Weil Männer in der Szene immer auch mit der Suche beschäftigt sind, die Frauen eher weniger, deswegen kommen von jungen aktiven Frauen in der Szene auch oft die Initiativen, etwas für die Szene machen zu wollen, wo sie selber sich wohlfühlen können.

Es ist schon interessant, dass viele Projekte wie der örtliche CSD in kleineren Städten von Frauen organisiert und geführt werden, meistens von lesbischen Frauen. Wo Projekte eher von schwulen Männern geführt werden, sind es meist solche Männer, die nicht ständig auf der Suche sind. Denen wird es aber meistens nachgesagt.

Es ist schon so, dass in gemeinsamen llesbisch-schwulen Projekten eher Frauen tonangebend sind. Das klappt dann nicht, wenn sich die Bedürfnisse schwuler Männer hier nicht wiederfinden und wenn für ihre Belange kein oder kaum Verständnis vorhanden ist.

Die großen Events, seien es große Parties in Discotheken oder in anderen Räumlichkeiten, große Frauenfeste, die örtlichen CSD-Feste oder ähnlichen Ereignisse sind dann ein stark frequentierter Platz, hier finden sich viele Frauen zusammen.

Warum hier und nicht in den Frauenkneipen, das ist uns auch nicht so richtig klar. Aber wenn in den Frauenkneipen Events stattfinden, dann ist dort auch die Hölle los.

Unklar ist auch, dass die unter uns Lesben zu beobachtende Neigung, Beziehung und Sex als zusammenghörig zu betrachten, etwas mit der anerzogene (heterosexuelle) Frauenrolle zu tun hat, oder ob es sich um etwas Lesbisches beziehungsweise aus dem lesbischen Lebenszusammenhängen Entwickeltes handelt, und wie sich lesbisches Leben unter den heutigen mitteleuropäischen Bedingungen entfalten kann.

Beim Verhalten heterosexueller Frauen ist der Wunsch nach Sex in festen Beziehung aus der Rolle der zukünftigen Mutter verständlich, auch wenn sich heutzutage Mutterschaft durchaus vermeiden lässt.

Oder ist es auch die anerzogene moral, die eine Frau als Schlampe verurteilt, wenn sie bei Sex nicht besonderer Wert auf den Rahmen einer festen Beziehung legt?

Und diese Moral wäre in der Lesbenszene noch immer virolent, obwohl weder drohender Nachwuchs (im lesbischen Zusammenhang) noch fehlende Verhütungsmöglichkeit uns (im heterosexuellen Zusammenhang) bedrohen?
 
Dies halten wir für möglich, denn die heterosexuelle Frauenmoral ist uns ja tief verinnerlicht und führt uns dazu, dass eine größere Anzahl von Lesben in Beziehung auch einen Kinderwunsch hegen, der in Regen-bogenfamilien ausgelebt werden kann. Und der Wunsch nach Regenbogenfamilenen besteht ja auch bei einigen schwulen Paaren, wie wir wissen.

Die anerzogene Moral beziehungsweise Rolle also könnte es sein, die unsere Form des Zusammenlebens stark beeinflussen, die Dominanz also der heterosexuellen Lebensart.

Beim Wunsch lesbischer Frauen nach Kidnern geht es viel-leicht auch darum, dass wir eine Möglichkeit haben, auf die wir körperlich vorbereitet sind, und auf die wir nicht verzichten wollen.

Der Wunsch lesbischer Frauen, auf keine der Möglichkeiten, die sich im Leben vielleicht bieten, zu verzichten, kann vielleicht auch eine der Mütter der lesbischen Unsichtbarkeit sein. Eine andere Mutter der selbst hergestellten Unsichtbarkeit könnte sein, dass es zu den Frauenstrategien in Freizeit und Beruf gerhört, nicht nur eine Fachautorität zu haben, sondern auch durch das beliebter sein als andere, gewisse kleine Vorteile zu erzielen. Und diese Möglichkeiten wären vielleicht eingeschränkt, wenn das Lesbischsein offenbar wäre. Es kämen dann wohl auch noch die diversen lästigen Rechtfertigungszwänge hinzu.

Die Klage über die Unsichtbarkeit von Lesben richtet sich natürlich vorrangig gegen die schwulen Männer, die sich überall in den Vordergrund drängen würden. Und so machen wir ihnen einen Vorwurf wofür sie nun wirklich nichts können. Denn dass jemand als schwul verdächtigt wird, hat oft auch damit zu tun, dass eine (heterosexuelle) Frau sich ihm ungefragt und distanzlos ins private Leben drängt, was ihm nicht nur seine Möglichkeiten nimmt, sich zu outen, wenn es ihm nützlich erscheint, sondern ihn zusätzlich noch zwingt, zu belegen, dass er ein Mann ist, weil dies schwulen Männer gerne abgesprochen wird.

Schwule outen sich vielleicht deshalb häufiger selbst, weil sie sich durch das automatische Heterosexualisieren aller Menschen ständig gezwungen fühlen, sich entweder zu outen oder Lügengeschichten zu erzählen. Das Anbaggern durch Frauen und der Zorn bei Zurückweisenungen unterbleibt dann vielleicht wenigstens.

Warum outen sich Lesben nicht auch, wenn Männer zudringlich werden? Weil die kleinen Vorteile durch allseitige Beliebtheit dann verlorengehen könnten?

Frauen sind nun mal nicht besser oder schlechter als Männer im Leben und bei der Suche nach einem Platz im Leben. Und wer es dort bei so viel Unausgesprochenem im zwischenmenschlichen Umgang wirklich leichter oder schwerer hat, das ist im Einzelfall nicht so einfach auszumachen.

So lange wie wir immer alles auf andere Schieben, wenn irgendetwas nicht gut geht, so lange werden wir uns selber keine guten uns richtigen Wege entwickeln können, die wir benötigen, um glücklich zu leben.

Die schwul- lesbische Szene bietet im Grunde vielfach Möglichkeiten, sich zu entfalten und zu erproben, wenn es uns möglich ist, uns offen einzubringen.
 
Das war es, was wir mal von uns geben wollten. Wir sind ein Lesbenpaar in der ROSA LÜSTE.

Wenn Ihr meint, dass wir uns in der einen oder anderen Analyse in disem Artikel irren, dann bitte schreibt uns, wir veröffentlichen dies gerne oder nehmen dazu Stellung, ganz nach Wunsch. Gibt es in der lesenden Les-benszene Frauen, die ihrerseits den Wunsch haben, sich hier zu äußern? Dann freuen wir uns darüber. (LL in der RoLü)
 
Schwule Frauen
Irrtümlich als homosexuelle Frauen in der Schwulenbewegung missverstanden, sind „schwule Frauen“, wie sie sich selber nennen, heterosexuelle Liebhaberinnen schwuler Männer.

Eine Fag Hag ist ein aus dem englischen stammender neutraler bis beleidigender Ausdruck für eine Frau, die sich an der Gesellschaft schwuler Männer erfreut und sich ihnen häuf auch asexuell verbunden fühlt. Als deutsche Ausdrücke gibt es die „beste Freundin" oder die Schwulenmutti. Sie nennen sich selber bisweilen „schwule Frauen".

Die Wortherkunft von Fag Hag: Der erste Teil Fag ist die Kurzform vom englischen Faggot, welches ein abwertender Ausdruck für Schwule ist und in etwa dem abwertenden deutschen Schwuchtel entspricht. Hag ist eine Bezeichnung für ein altes Weib, eine Hexe.

In englischsprachigen Ländern wird dieser Begriff nicht nur allgemein verwandt und verstanden, es bestehen viele Synonyme, zum Teil auch stark abwertende Ausdrücke zur Verfügung, wie fruit loop, flame dame, fairy godmother, fruit fly, homo honey. Französisch: Fille à pédés (pédé ist ein abwertender Begriff für einen Schwulen). Niederländisch: Homomodder. Türkisch: Ibne kankisi. Spanisch: Fajona aus dem Englischen abgeleitet.

Die vielfalt der Bezeichnungen belegt, dass es diese Frauen überall dort gibt, wo es eine Schwulenszene gibt.
Die Motive der schwulen Frauen sich in die Schwulenszene einzubauen, scheinen vielfältig zu sein.

Sie selber sagen, dass sie es angenehm empfinden, mit solchen Männern zu kommunizieren, die selber nicht gleich Sex mit ihnen wollen. Im Gegenteil finden sie es angenehm, wegen ihrer Gesprächsbeiträge akzeptiert zu werden. Diese Frauen finden jedoch auch die sexuell offenherzigen Gespräche schwuler Männer als angenehm. Gerne nehmen sie daran teil, über Sex der (heterosexuellen) Männer zu reden und Schwule hören zu.

Manche schwulen Männer reden gerne mit diesen Frauen, während sie im Lokal ihre Blicke schweifen lassen und mnit Männern Blickkontakt suchen, um sich bei Bedarf auf den Mann zu konzentrieren.

Schwule Männer, die die Anwesenheit dieser Frauen bei ihren Cruisingversuchen als störend enpfinden, sagen, dass diese Frauen zumeist das große Wort führen, sich beson-ders jungen Schwulen im Coming-out nähern und sich in deren erste Sexversuche einmischen.
 
Es ist auch tasächlich schwierig, mit einem schwulen Mann nähere Kontakte zu haben, der von einer solchen Frau beeinflusst wird, weil diese alle Kontaktversuche negativ kommentiert, so dass man den Eindruck hat, dass sie oftmals an eifersüchtigen Beziehungsspielen interessiert sind.

Schwule Frauen sind manchmal bi aber meistens nicht les-benfreundlich, sondern eher ablehnend. (js/rs)
 
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