112. Ausgabe, Sommer 2013, 24. Jahrgang
 
Regierung im Wahlkampf:
Strategie der Homophobie
Mit der Strategie der „asymetrischen Demobilisierung“ (Ulrich Schulte in der taz vom 26.02.13, S. 3) macht Frau Merkels Union Politik und Wahlkampf. Dieser taz-Aufsatz erklärt die Zusammenhänge am Beispiel der CDU/CSU in ihrem Umgang mit den Homosexuellen.

Homosexuelle Frauen und besonders Männer sollten so langsam wissen, welchen politischen Kräften in der Bundesrepublik sie gesetzliche Nachteile gegenüber der heterosexuellen Mehrheit hauptsächlich verdanken: der Union, also der CDU/CSU. Kaum eine Minderheit ist in Deutschland derart nachhaltig und bösartig verfolgt, diskriminiert und benachteiligt worden wie die schwule Minderheit und zum Teil auch die lesbische Minderheit.
Neu in die Diskussion gekommen ist die Haltung der Union nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bezüglich des Adop-tionsrechts, und in einem der nächstem Monaten steht noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Steuerrecht aus. Auch hier, im Ehegatten-spliting, sind homosexuelle Partnerschaften gegenüber heterosexuelle Ehen benachteiligt. Auch hier kann man erwarten, dass die Benachteiligung homosexueller Paare auch auf diesem Gebiet als verfassungswidrig angesehen werden kann. Beck soll laut taz gesagt haben: „Alles andere als Gleichberechtigung ist verfassungswidrig“.
Manfred Bruns, Sprecher des Bundesverbandes Homosexualität und ehemaliger Bundesrichter, erklärte, das Verfassungsgericht habe in bisher 5 Urteilen klargestellt, dass eine Verhinderung der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften verfassungswidrig sei: „Die CDU/CSU muss nur eine einfache Frage beantworten: Will sie Lesben und Schwule weiter verfassungswidrig diskriminieren oder ist sie bereit, sie als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger anzuerkennen? Weiter gibt es nichts mehr zu prüfen. Die Aussagen von Horst Seehofer und anderen Politikerinnen und Politiker der CDU/CSU, man müsse erst sorgfältig diskutieren, sind billige Ausflüchte und reine Verzögerungstaktik.
Das Lebenspartnerschaftsgesetz besteht seit fast 12 Jahren. Das Bundesverfassungsgericht hat in mitt-lerweile fünf Entscheidungen klar gemacht: Es muss von Verfassungs wegen gleichgestellt werden. Zeit zur Diskussion und rechtlichen Prüfung war wahrlich genug“.
Dennoch geht durch alle Medien, dass die Union möglicher-weise die Homoehe erlauben wolle. Für SPD und Grüne entsteht wie beim Märchen vom Hase und Igel die Vorstellung, dass, bevor sie die Eheöffnung in den Wahlkampf einbringen können, die Kanzlerin schon am Ziel steht und die Regebogenfahne schwenkt.
Ulrich Schulte schreibt in der o.a. taz, dass SPD und Grüne nicht die „Gleichstellungspolitik“ der Union im Wahlkampf skan-dalisieren können, „wenn die Union am Ende schon einen Minikompromiss zusammen-bastelt, wie sie es schon beim Mindestlohn tat“.
Das erinnert an die sogenannte Ernegiewende. Nach der Atomkatastrophe in Japan und dem Wahlausgang in Baden-Würtemberg änderte die Kanz-lerin plötzlich ihre Haltung gegenüber der Atomkraft.
Nachdem sie den mühsam ausgehandelten rotgrünen Atomausstieg durch eine Laufzeitver-längerung vom Tisch gewischt hatte, verkündete sie nun den Atamausstieg, jedoch nicht aus-gehandelt und vorbereitet, denn die Voraussetzungen da-zu scheitern schon an den fehlenden Überlandleitungen, sodass der Ausstieg nicht vorankommt, dass man möglicher-weise dann also doch noch eine Zeitlang auf die Atomkraft zurückgreifen muss.
Die „asymetrischen Demobilisierung“ gehe nämlich von Profalla aus, der seinerseits von der These ausgehe, dass die Kernwähler der Union auch bei inhaltlichen Änderungen nicht verlorengehen, während SPD-Wähler für die Wahl einen guten Grund bauchen, meint Schulte in seinem o.a. Artikel. also müsse die Union die Unterschiede verwischen und Polarisierung vermeiden. Dadurch sei die SPD auf 23% abgestürzt.
Der o.a. Autor vergisst bei seiner Analyse allerdings, dass die SPD mit Schröders Agenda 2010 und Hartz IV ihre langjährigen Stammwähler vertrieben hat und die Union dies einerseits im Bundesrat unterstützte doch im Wahlkampf wegen der Arbeitnehmerfeind-lichkeit genüsslich kritisierte.
Und die propagandistische Par-teinahme für Arbeitnehmer, (während eine gegenteilige Politik gemacht wird) durch die Union im Wahlkampf bleibt ja bestehen, man sehe nur die Unions-Kampagne gegen den SPD-Kandidaten Steinbrück, bei der die Medien unisono diese Kampagne auch ohne Zutun der Union weiterführten, denn Medien sind meist Wirtschaftsbetriebe. Und so musste sich die SPD von der Union belehren lassen, dass ein solcher Kandidat, der so viel Geld mit Vorträgen einnahm, unmöglich die Interessen der Arbeitnehmer, also die traditionellen Wähler der SPD, vertreten könne.
Für uns aber, die wir die Gleichstellung in allen Bereichen anstreben und die Homophobie in allen Bereichen bekämpfen, bleibt die Lehre, dass unsere Anliegen lediglich dann zur Diskussion stehen, wenn man mit uns zur konservativen Macht beitragen kann.
Klar wurde dies alles schon beim CSD 2012. Weil am 28.06. die Unionsparteien und die FDP im Bundestag die Gleichstellung der homosexuellen Partnerschaft mit der Ehe abgelehnt haben, protestierten in mehreren Städten, besonders in Hamburg, homosexuelle Aktivisten gegen die Anwesenheit dieser Parteien bei den CSD-Veranstaltungen. Innerhalb dieser Parteien gibt es ja auch Homosexuelle, die als LSU (Lesben und Schwule in der Union) bei den CSD-Veranstaltungen Propaganda für ihre Parteien und deren Wahl machten und machen.
Diese Ohrfeige führte dazu, dass 13 CDU-Abgeornete für die Gleichstellung öffentlich auftraten. Und natürlich, wenn ein Teil einer ansonsten eher homophob auftretenden Partei dies nun nicht (mehr) tut, sondern scheinbar im Gegenteil, geht dies ebenfalls durch die Presse, auch durch die konservative Presse.
Und genau diese Erfahrung gilt es der Union wohl nun, für sie selber zu nutzen, wenn sie vielleicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über das Ehegattensplittings zuvorkommen wollen, aber die Ehe für Homosexuelle dennoch wohl nicht öffnen wollen.
Schon äußern sich innerhalb der Union die üblichen Ho-mophoben gegen das Ansinnen von Kauda und Schäuble: Frau Steinbach, Herr Seehofer, Herr Geis und andere.
Mitte Mai hat Bundesfinanzminister Schäuble nun dafür geworben, auch den gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern Steuervorteile zu gewähren. Dies nennt er „Familiensplitting" und so will er halbherzig dem Urteil des Verfas-sungsgerichts zuvor- oder nachkommen.
Schäuble und Familienministerin Schröder arbeiten derzeit laut „Rheinischer Post“ an einem Modell, das noch vor der Bundestagswahl im September vorgelegt werden soll. „Ich bin dafür, dass wir als CDU das Familiensplitting offensiv im Wahlkampf bewerben”, sagte Schäuble der „RP”.
Da hätten wir dann also diese Minimallösung, die unserer Gleichstellung noch immer nicht nahe kommt aber konservative WählerInnen sagen lässt: „Was wollt ihr denn noch?“. (js)
 
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