90. Print-LUST, Frühling 07
 
Der Hostienstreit in Wiesbaden
Genau genommen ist eine Hostie eine Oblate, die mit einem Waffeleisen hergestellt wird, also eine geschmacklose Waffel aus Mehl und Wasser ohne Gewürz und Treibmittel. Ursprung war die Matze, das Brot des jüdischen Paschamahls. Das in christlichen Religionen verwendete Wort „Hostie“ für die Oblate stammt vom italienischen Wort Hostie (Opfertier, Schlachtopfer).

Ein Wiesbadener, der kein Kirchenmitglied ist, besuchte die katholische Bonifaziuskirche in Wiesbaden, um dort zu meditieren. Neugierig reihte er sich auch in das „Abendmahl“ ein, bekam ein Oblate, biss davon ab, doch es schmeckte ihm nicht, und so steckte er diese kleine Waffel in seine linke Hosentasche, um sie später genauer zu untersuchen.

Als er die Kirche dann verlassen wollte, wurde er von zwei älteren Frauen aufgehalten, die ihn beobachtet hatten und glaubten, einschreiten zu müssen. Sie verbauten ihm den Weg und fragten ihn lautstark nach dem Verbleib der „geweihten Hostie“.
Als sie erfuhren, dass er sie in die Hosentasche gesteckt hat, wurden sie sehr erbost und redeten lautstark auf ihm ein. „Das ist ein Sünde, Gott wird sie strafen“, wird er u.a. beschimpft. Es meinte dazu, dass sein Gott das ganz bestimmt nicht tun werde. Das erboste die beiden Frauen wohl noch mehr. Der Angegriffene erinnert sich, dass eine der beiden Frauen handgreiflich wurde, denn sie versuchte, in seine Tasche zu greifen um dort die Oblate zu finden.

Unterdessen wurde auch Stadtdekan zu Eltz (der Nachfolger von Stadtdekan Roth, siehe Oberbürgermeisterwahl) alamiert.
Der Kirchenbesucher fühlt sich vom Stadtdekan bedroht, der ihm körperlich weit überlegen ist. Es sei gepackt und mit den Worten heftig geschüttelt worden: „Wo ist die Oblate?“ gibt der Kirchenbesucher an, während der Stadtdekan angibt, er habe ihn nur am Arm angefasst: „Die Berührungen waren nicht geeignet, ihm irgendwelche Verletzungen zuzufügen“.

Mehrere Gläubige halten nun den Mann fest, der sich wehrt. Der Stadtdekan, der ihm körperlich überlegen ist, nimmt ihn nach eigenen Angabe in „Polizeigriff“. Er sei auf den Boden gedrückt worden, einer der Frauen habe seine Jackentaschen geleert. Der Kirchenbesucher kommt frei, als er zur Notlüge greift, er habe die Oblate gegessen.

Nachdem er humpelnd (jemand hatte ihm gegen die Kniescheibe getreten) die Kirche verließ, erstattete er bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt, da er seine Angreifer nicht kannte. Er ließ sich in einem Krakenhaus seine Verletzungen bescheinigen: Prellungen an der Schulter, Schürfungen und einen dicken Knöchel.

Der Stadtdekan gibt an, den Kirchenbesucher seinerseits nicht angezeigt zu haben, das habe die Polizei von Amts wegen getan. Wie der WK vom 12.01. schreibt, gab der Stadtdekan an, der Mann habe offensichtlich nicht gewusst, dass die geweihte Hostie „der Leib Christi“ sei. Die Hostie einzustecken und aus der Kirche zu tragen, sei ein ungeheuerlicher Frevel.

Bei den Anzeigen geht es um „Störung des Religionsfriedens“ und um Körperverletzung und Nötigung.

Der Stadtdekan würde sich gerne bei seinem Kontrahenten entschuldigen, es tue ihm leid, dass er sich zu dem Übergriff habe hinreißen lassen. Doch wolle er eine verlässliche Auskunft über den Verbleib der Hostie haben. Laut WK vom 20.01 wäre der Stadtdekan für die Verteidigung einer Hostie bereit, sein Leben zu geben, wenn es nicht anders ginge.
 
Kommentar:
Religiösen Fanatismus müssen wir offensichtlich nicht nur im Islam suchen. Für religionsfreie Menschen ist diese Geschichte nur mit Kopfschütteln zu betrachten.

Es gehört offensichtlich schon eine gewisse Naivität dazu, sich in eine religiöse Kultstätte zu begeben, wo die religiös Betroffenen ihren Gebräuchen nachgehen, denn die Friedlichkeit der Christen, dass sie die andere Wange hinhalten, wenn ihnen auf die eine geschlagen wurde, ist wohl ebenso eine religiöse Behauptung wie die der Muslimen, dass sie die friedlichste Religion seinen, dass im Islam die Frau dem Mann gleichgestellt sei und anderes mehr.

Religionslose Menschen sollten die Orte der Religionsausübung meiden, finde ich, denn die religiösen Menschen haben das Recht, ungestört ihre Sachen zu verrichten, wie wir das Recht haben, eine andere Sichtweise zu diesen Dingen zu haben und auszusprechen. (js)