Lieber Matthias,
Vielen Dank für Dein sehr interessantes und auch nachfühlbares
Schreiben an uns. Du schreibst auch sehr interessant und eindrucksvoll,
zumindest aus meiner Sicht. Aber der Bergriff Gewalt ist zu trennen
von anderen Begriffen der gewaltvollen Einflussnahme auf uns wie
Zwang, Unterdrückung usw. Dazu gehört Macht
über uns.
Und irgendeiner Macht in vielfältiger Form muss sich wohl
jeder Mensch im begrenzten Maße unterwerfen. Auch die Heten
können ja nicht immer, wie sie wollen. Schon der olle Freud
sprach vom Es, unseren Trieben, und dem Über-Ich, den gesellschaftlichen
Zwängen, und aus der Reibung zwischen diesen beiden Kräften
entsteht dann unser Bewusstsein darüber, wer wir sind, unser
Ich.
Die gesellschaftlichen Strukturen um uns herum sind sehr mächtig,
und Menschen können Macht über uns ausüben, wenn
es ihnen gelingt, gesellschaftliche Macht gegen uns zu funktionalisieren.
Und von dieser Machtanwendung gegen uns haben wir leider sehr
viel einstecken müssen. Das ist nachvollziehbar schlimm und
Du hast völlig recht damit, das wir uns oftmal genötigt
fühlen, bis zu unserer Unkenntlichkeit anzupassen, ich würde
auch sagen, bis zu unserer Selbstaufgabe.
Das aber müssen wir inhaltlich trennen von körperlichen
Übergriffen auf uns als Person oder Gruppe, was man mit Gewalt
bezeichnet. Diese Dinge sind nämlich besser zu benennen und
gewaltsame Übergriffe können auch solche Leute auf unsre
Seite bringen, die ansonsten von uns viel Anpassung erwarten,
ohne zu bemerken, das sie uns damit die Luft zu Atmen nehmen.
Ich will damit sagen, dass hier derzeit die Gesetze und Staatsorgane
in dieser Frage auf unserer Seite sind, und das ist doch ein kleiner
Fortschritt. Nicht mehr und nicht weniger.
Joachim von der LUST
Zum Beitrag Ehemoral auf dem Vormarsch äußert sich Beate aus Erfurt
Hallo Ihr Lieben,
die Äußerungen in Eurem Beitrage, dieses Überbleibsel
aus den 68ern wäre nicht mehr aktuell, ein Tabubruch und
politisch nicht machbar halte ich gar nicht für falsch.
Die 68er hatten ein Reihe von utopischen Vorstellungen, die tatsächlich
politisch nicht umsetzbar waren und sind. Auch dass nur eine kleine
Minderheit andere Lebensweisen als die Ehe haben möchte,
halte ich für nicht falsch, und dass andere Lebensformen
nicht nur der deutschen Kultur nicht entsprechen, das ist wohl
auch richtig. Also nehmt doch einem Mann vom Völklinger Kreis
seine Sprüche nicht so übel, sie haben doch etwas für
ihn.
Andererseits halten sich nicht so sehr viele an die offizielle
deutsche Kultur und andere Lebensformen machen einfach
mehr Spaß. Leider leben die Leute in Polynesien heute wohl
auch nicht freier als hier, könnte ich mir denken. Und dass
die Sehnsucht nach mehr und anderen Lebensformen nur eine Spinnerei
der 68er sei, bedeutet ja nicht, dass das so bleiben muss. Ich
lebe zum Teil schon heute so. in unserer WG ist es auch so, wie
es die Frankfurter Rundschau am 29.06.76 geschrieben hat. (Ich
habe mich über diesen Beitrag wirklich sehr gefreut. Danke.)
Lasst doch den Moralaposteln und den Angepassten ihre Prüderie
oder Doppelmoral. Sollen sie doch. Und während sie dann in
fleischloser Verklärung an die deutsche Kultur denken, liegen
wir mit vielen unmoralischen, undeutschen und unkeuschen Leuten
im Bett und lassens uns gut gehen. Und dass die Moralapostel uns
unsere Lebensart wegnehmen könnten, daran glaube ich nicht.
Eure
Beate aus Erfurt
Zu einem ähnlichen Thema aber aufgrund eines anderen Artikels in der 67 LUST schrieb Michael S. aus Frankfurt
Hallo Ihr,
unter der Überschrift Schäumendes Wutgekeife
veröffentlicht Ihr einen Brief von Rolf Gindorf. Die Art,
wie Ihr einen engagierten Wissenschaftler angreift, der sich dagegen
wehrt, die 68er Ideologie immer und immer wieder vorgebetet zu
bekommen, ist nicht zu billigen. Dannecker ist eben ein unbewegliches
Fossil der 68er und Gindorf tut gut daran, dies mit seinen Mails
an die Gay-Presse mit zu entlarven. Die 68er Bewegung ist deshalb
so sang- und klanglos zugrunde gegangen, weil diese Spinnereien
nur unerfüllbare Sehnsüchte wecken und Enttäuschungen
darüber zurückbleieben, dass die Welt anders ist.
Ihr schmeichelt Euch nun damit, dass ihr mit eurer eigenen unbeweglichen
Haltung nicht erfolgreich seid. Das ist doch schon beinahe an
Lächerlichkeit nicht zu überbieten.
Michael, Frankfurt
Hallo Du, Michael,
natürlich kann man beweglich sein, sich immer neuen Ideologien
anpassen und so auf den Modewellen reiten, mit den die Menschen
in der Gesellschaft immer wieder davon abgelenkt wird, ihre eigenen
Interessen anzustreben. Mit solchen Modewellen werden die Menschen
eher dazu gebracht, fremde Interessen als eigene zu anzunehmen.
Und wer das gut kann und vermitteln kann, der kann damit erfolgreich
werden. Das Coming-out zum Beispiel ist der Einbruch von etwas
mehr Wahrheit, was uns außerdem ermöglicht, etwas glücklicher
zu leben. Das ist auch heute noch nicht falsch. Falsch sind meiner
Meinung nach, Versuche, die Lesben und Schwule nun auch den gleichen
Normen und Werten anzupassen, die einst ins Feld geführt
wurden, uns zu verfolgen.
Es grüßt Dich
Joachim von der LUST
Zum Artikel Unsere Szene in der 67. Lust schrieben Holger und Jürgen aus Limburg:
Der Bereich über die Chat-Lines war ganz interessant und
amüsant zu lesen. Dann aber die Unterscheidung zwischen Gruppen
und Verbände. Das lässt sich doch gar nicht so auseinanderhalten.
Klar ist, dass Verbände reden, obwohl die Basis nicht gefragt
wurde. Die in die Ämter gewählten Spezialisten müssen
doch auch etwas zu tun haben. Dazu sind sie gewählt wollen
und deshalb haben wir doch die Verbände, weil wir uns nicht
um alles kümmern können und wollen. Wem soll das interessieren,
dass es Kneipen, Dikotheken und Saunen gibt? Das weiß doch
jeder.
Vier Seiten Geschwafel über Selbstverständlichkeiten.
Und dafür haben wir 6 DM bezahlt.