76. LUST, Herbst 76
Zum Artikel Gegen die Kommerzialisierung unseres Lebens in der 75. LUST erhielten wir folgende Anmerkungen:
Hallo Ihr traurigen LUSTmacher,
jetzt wollt ihr uns noch unser Disco-Vergnügen madig machen.
Der Artikel Gegen die Kommerzialisierung unseres Lebens
ist ein gutes Beispiel dafür, dass Veröffentlichungen
in Medien, die unkommerziell sind, absolut entbehrlich sind.
Sicher, es mag schon das eine oder andere dran sein, aber das
muss man den Leuten doch nicht so unter die Nase halten. So macht
ihr die Leute nicht glücklich. Sie wollen ein bisschen Glück
suchen und das bekommen sie auch in meinem Betrieb. Gönnt
ihnen einfach ihren Spaß und hört auf, alles zu problematisieren.
Niemand will so etwas lesen.
Wenn ich bei Euch noch Werbeanzeigen schalten würde, dann
würde ich sie nach solch einem Beitrag kündigen.
(Der Name ist der Redaktion bekannt)
Liebe Lüstlinge,
vielen Dank für Eure sehr gute Analyse über die kommerziellen
Angebote i der Szene. Gut finde ich auch, dass Ihr weder die Wirte
noch die Besucher verurteilt. Denn, wie ihr ja selbst schreibt,
wir leben nun mal in der Marktwirtschaft und daher gibt es nichts
anderes als das.
Aber der Artikel hilft, die Chancen, die es für unser Leben
gibt oder eben nicht gibt, realistischer zu sehen. Es ist doch
immer wieder schön, die LUST im Briefkasten zu haben.
Viele Grüße
Friedhelm aus Nürnberg
Hallo Freundinnen und Freunde,
bitte sendet mir noch einmal 3 Ausgaben der 75. LUST zu, denn
der Artikel über die Kommerzialisierung unseres Lebens hat
in unserer Gruppe zu heftigen Diskussionen geführt. Der Verfasser
hat meiner Meinung nach schon recht, man kann nichts Unrealistisches
erwarten und wenn man das weiß, muss man nicht enttäuscht
sein oder die Schuld bei sich selbst suchen, wenn nicht alles
klappt.
Fühlt Euch bitte umarmt
Eure Sabrina und Euer Sascha aus Berlin
(Wir sprechen aber hier nicht für alle Lesben- und Schwule
aus unserer Gruppe)
Zum Beitrag Lecken, Lutschen, Blasen in der 75. LUST erhielten wir folgende Meinungsäußerungen:
Echt geil der Artikel über das Lecken, Lutschen und Blasen,
und dabei auch recht humorvoll. Danke, hat mir sehr gefallen.
macht bitte weiter so und lasst Euch nicht unterkriegen. ich beobachte
schon eine Weile, dass Ihr in jeder Ausgabe einen Artikel mit
einem erotischen Thema bringt. das ist richtig so, denn Ihr heißt
ja auch LUST
Euer
Thomas aus Bingen
Hallo Leute,
Mir gefällt die Zeitschrift LUST, weil sie sich wohltuend
von den anderen Blättern unterscheidet, in denen doch vielfach
sexuell aufreizende Bilder und Artikel zu finden sind. Der Artikel
zum sehr aufreizenden Thema Lecken, Lutschen, Blasen
hat mich erschreckt und auch abgestoßen. Ihr tut hier gerade
so, als wenn wir Lesben lauter Schweine wären. Bei Zeitungen
kann es doch immer sein, dass Heterosexuelle sie auch in die Finger
bekommen. Was sollen die nur über uns denken, wenn die so
etwas lesen. Und wenn tatsächlich solche sexkranken Menschen
auch unter uns leben, wahrscheinlich häufiger unter den homosexuellen
Männer, dann ist es nicht in Ordnung, dass ihr dafür
auch noch schamlos Reklame macht, anstatt solche Auswüchse
zu verbergen. Das geht doch niemanden etwas an. Da bekommt man
doch den Verdacht, dass der Zeitungstitel LUST für
LESBISCHE UND SHWULE THEMEN mit Absicht in seiner
Doppeldeutigkeit gewählt wurde. Das wäre dann aber nicht
seriös.
Es grüßt Euch
Sigrid aus
Liebe Sigrid,
vielen Dank für Deinen Brief an uns. Du hast recht, der Titel
LUST ist gerade wegen seine Doppeldeutigkeit von und gewählt
worden, weil es uns eben selbstbewusst auch um unsere Lust geht,
für die wir uns vor niemanden zu rechtfertigen brauchen.
Und die in dem Artikel beschriebenen sexuellen Genüsse machen
ganz schön viel Lust. Uns geht es gerade darum, dass die
Menschen in unserer Szene zu dem selbstbewusst und , ohne Scham-
und Schuldgefühle stehen können, wonach sie sich sehnen.
Denn Scham- und Schuldgefühle wurden uns schon viel zu lange
und neuerdings wieder vermehrt eingeredet. Wo denn sonst sollen
die Menschen zu einem guten Gefühl zu ihrer Sexualität
ermutigt werden, wenn nicht bei uns? Es ist noch gar nicht so
lange her, da konnte man in vielen Blättern unserer Szene
lesen, dass der Analverkehr zwischen Männer bei uns kaum
vorkomme. Das ist absolut peinlich gewesen. Warum sollen wir denn
nicht zu uns selbst stehen?
Es grüßt Dich
Joachim von der LUST
(Diese Meinungsäußerung erhielt Joachim mündlich
und gibt sie hier insofern nur sinngemäß wieder)
In aller Freundschaft: Es macht sich immer gut, wenn man bei einem
Artikel erst mal einen Popanz aufbaut, an dem man sich dann abarbeitet.
Das habe ich früher auch gemacht und ich kenne es aus der
politischen Diskussion. Bei Euren Artikeln heißt der Popanz
vielfach Heten. Solche Beiträge wie Lecken,
Lutschen Blasen lese ich immer gleich, weil mich dies interessiert.
Aber bei den dort beschriebenen Praktiken finde ich mich mit meiner
Frau auch wieder, denn wir sind nicht so lustfeindlich, wie es
der Artikel nahe legt, auch wenn wir Heten sind.
Tobi aus Frankfurt
Hallo Tobi,
Vielen Dank für Deine Anmerkungen. Wir Lesben und Schwule
werden vielfach mit normativen Vorstellungen konfrontiert, die
sexuell als die erstrebenswerten Verhaltensweisen gelten, während
andere Verhaltensweisen als unmoralisch und nicht erstrebenswert
verurteilt werden. Da die gesellschaftlichen Sexualnormen leider
meistens immer noch von der Normalität der heterosexuellen
Version unserer menschlichen Sexualität ausgehen, sind diese
Normen und Wertungen für uns hetige Wertungen und Normen.
Wir behaupten nun einfach in unseren Beiträgen, dass diese
Normen für uns Lesben und Schwule untauglich sind. Genauer
betrachtet sind sie natürlich auch für Heten eine Zumutung.
Viele Heten nehmen sich emanzipiert raus, ohne Schuldgefühle
das zu machen, was ihnen gerade Spaß macht. Prima, das gefällt
uns. Wir kritisieren also nicht Eure Geschlechtsverhalten, sondern
die in verschiedenen Medien vorgegebenen verlogenen Moralauffassungen,
die eben nicht nur deshalb ärgerlich sind, weil sie moralisierend
in das tatsächlich existierende Verhalten eingreifen, sondern
weil sie eben auch tatsächlich hetig sind. Sie gehen eben
von der lebenslangen heterosexuellen Ehe als Maßstab aus
und verurteilen sexuelle Handlungen, die nicht dem Kinderzeugen
dienen könnten. OK?
Sei herzlich gegrüßt
Dein politischer Freund Joachim
Zum LUST-Interview mit Hanna aus Mainz in der 75. Ausgabe meint ein Leser:
Hallo LUST-Redaktion,
warum muss ich mir eigentlich ein 6 Seiten langes Interview mit
einer heterosexuellen Frau reinziehen? Was soll das denn? Schon
in der 74. LUST das Interveuw mit den beiden heterosexuellen Typen.
Gibts denn keine Lesben und Schwule? das ist doch einen Lesben-
und Schwulenzeitschrift.
Nun muss ich zugeben, dass das Interview schon interessant war
und aufschlusssreich, was nicht zuletzt aug die manchmal sogar
hinterhältigen Fragen zurückzuführen ist. Doch
Hanna hat sich nicht verstellt und ehrlich geantwortet, und das
macht den Reiz des Interviews aus. Aber das nächste Mal möchte
ich eines mit einem schwulen Mann und/oder einer lesbischen Frau
hier vorfinden.
dann die Fotos. die sitzt da auf allen Bildern ähnlich rum.
Gibts da nichs anderes?
Bessert Euch
Heiko aus Frankfurt
Hallo Heiko,
vielen Dank für Deine Meinugsäußerung zum Interview
mit Hanna. ja, Du hast recht, dieses Interview ist deshalb so
interessant, weil sich Hanna nicht verstellt hat. Und das ist
das Problem, was ich mit unserer Szene habe. Du wirst es nicht
glauebn, ich habe trotz vieler bemühungen absolut keine Interviewpartnerin
und keinen Interviewpartner unserer Szene im Alter zwischen 20
und 30 Jahren gefunden. Du weißt sicher, es geht mir darum,
das Lebensgefühl und die Zukunftspläne wie auch Sehnsüchte
heutiger jungen Menschen herauszufinden.
Es gab sowohl bei Lesben als auch bei Schwulen Interesse, aber
sie wollte meistens ohne Bilder und mit falschem Namen Interviewt
werden, wollten dennoch Fragen ausschließen und sich eher
wie in einem Werbefilm für sich präsentieren.
Also, es gab bisher noch keine geeignerten und interessierten
InterviewpartnerInnen. Das bringt mich zu der Annahme, dass viele
Lesben und Schwule so selbstverständlich lesbisch bezw. schwul
nicht sind, wie viele es uns in der Szene glauben machen wollen.
Und Viele haben Angst um den Arbeitsplatz oder ihre erhoffte Karriere.
Ich mache das niemanden zum Vorwurf, aber das erklärt die
Situation. Schade, ich befürchte, ich muss das Projekt aufgeben,
wenn sich nichts ändert. Das hätte ich nicht geglaubt.
Sei gegrüßt, Joachim von der LUST