- 82. LUST, Frühling 05
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- Per E-Mail erreichte uns ein Brief über
die Moral in der Szene, der den Artikel Köln ohne
CSD? in der 80. LUST Seite 4 zum Anlass dazu nimmt.
HunterAC@gmx.net
Ich habe gerade den Artikel zum CSD in Köln gelesen.
Nun ja.. die Information darüber ist ja die eine Sache,
die Journalistische Qualität lässt aber zu wünschen
übrig. Ohne die Partei Pro Köln in irgendeiner
Weise in Schutz nehmen zu wollen, finde ich es einfach etwas
undifferenziert berichtet.
Natürlich sollte man den Background dieser Partei aufdecken
und evtl. rechte Machenschaften aufdecken. Was allerdings nichts
mit der Anprangerung dieser Partei, das der CSD zu Freizügig
sei und sich die Bürger beschweren, zu tun haben darf.
Leider ist das meiner Meinung nach wirklich so und da differenziere
ich nicht nach sog. konservativen Heteros und den
allzu Toleranten Homos!? Wie kommen denn die großen Zahlen
von 1Mio.Besucher zustande ? Da sind eben diese Heteros nicht
gerade unschuldig und ich muss ganz ehrlich sagen, ich kann jeden
verstehen, der sich über die all zu oft lässig präsentierte
Sexualität aufregt. Wie soll ich denn meinen Kindern erklären,
das es nichts Unnormales ist, wenn zwei Männer in einem
Hauseingang Oralverkehr haben oder in der Parade viele Bewegungen
weniger auf das Tanzen von Lebensfreude als auf den eindeutigen
Hüftschwung reduziert wird. Keine Angst ich bin sicherlich
nicht prüde noch verklemmt, aber habe die Meinung, wenn
ich einen CSD als Zeichen der Anerkennung in der Öffentlichkeit
durchführe, sollte ich mir diese Anerkennung nicht durch
das Bestätigen allzu verbreiteter Vorurteile verspielen.
Leider verwechseln viele Schwul/Lesbische Bürger das diese
Lebensform nicht nur aus Sex besteht.
Dieser Drang (fast) immer etwas Besonderes sein zu
wollen, vergiftet das z.T. tolerante Klima der Bevölkerung,
mehr als es durch medienwirksame Auftritte hilft.
Leider durfte ich aus erster Hand in Köln die Organisation
des Europride/CSD in Köln mitbekommen und durfte merken,
dass es zum großen Teil nur um die Jagd nach Rekordzahlen
ging. Das Motto des CSD und ein paar schwachbrüstige
Reden auf der Bühne sind für meine Begriffe ein Armutszeugnis
für die politische Aussage eines großen Ereignisses.
Da geht es dann in den einschlägigen Scene-Zeitschriften
wochenlang nur um den üblichen Kleinkrieg, und wenn was
nicht klappt, wird immer an die den Communty-Glauben
appelliert, das ist z.T. wirklich Schmierentheater auf Schülerzeitungsniveau.
Fragt doch mal, was der CSD wirklich historisch bedeutet usw.
die meisten wissen kaum etwas. Wer war denn mal in dem so engagierten
Köln zum Gedenken der Schwulen NS-Opfer in der Nähe
des Doms/Rhein das jedes Jahr begangen wird. Da stehen dann ca.
20 Leute und legen Blumen nieder. Wer kennt denn neben den aktuell
angesagten Schwulen-Ikonen Leute aus der Historie,
die schon sehr lange in der Vergangenheit schwul lebten, und
da gibt es sicher mehr als nur Oscar Wild..
Wer eine Community sein will.. der darf nicht nur
zusammen feiern wollen, sondern auch die nachdenklichen Momente
gemeinsam erleben. Ob man es glaubt oder nicht, es gibt ein Leben
außerhalb von Levis501, blondierten Haaren und 60kg bei
190cm und auch das Gerücht, es gäbe keine Schwulen
über 35Jahren, sollte man mal hinterfragen. Wenn es nicht
so traurig wäre, würde all dieses gut in einem typischen
Blondinen-Witz passen, immer nach dem Motto, wenn
ich weiß, was ich machen soll, bau ich mir mein eigenes
Ghetto, das hab ich was zu tun.
Und wenn Sie in Ihrer Auswertung der Wahlergebnisse,
diese mit der sog. Bürgerlichen Peripherie
begründen, finde ich beleidigen Sie sehr viele tolerante/akzeptable
Heteros und Homos, auch wenn es sicherlich rechte
Brennpunkte gibt.
Meiner Meinung tut der Schwule, der in einem Dorf in der Eifel
lebt, weit mehr für Verständnis und Akzeptanz, als
einer mehr der, den leichten Weg wählt und in die Schwulen-Hauptstadt
zieht, um dort frei zu Leben.
Ich habe in langen Jahre erlebt das man zu 95% immer
so behandelt wird, wie man sich verhält, was nicht mit Einschränkungen
zu tun hat. Das geht auch in einer sehr bürgerlichen Umgebung.
Ich muss sagen, ich wollte auch keinen Nachbarn, der sich meist
leichtbekleidet und lasziv gebärdet. Mann sollte sich mal
darauf besinnen, dass Schwulsein nicht bedeutet, dass es ein
Persönlichkeitsmerkmal ist, sondern nur das
man sich in Männer verliebt. Aber leider ist das vielen
Leuten nicht genug.
Was bleibt denn von der all zu tollen Community übrig, wenn
man den Faktor Sex herausnimmt? Nicht viel! O.k., ich denke,
ich habe nun genug gemotzt.
Gruß
Roland
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- Joachims Antwort:
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- Hallo Roland,
wie Du siehst, nehmen wir Deine Meinungsäußerungen
sehr ernst und in dieser 82. LUST soll dies aus Platzgründen
auch der einzige Leserbrief sein, denn Die hier vertretene Auffassung
wird ja sicherlich von vielen Lesben und Schwulen geteilt.
Wie es andere heutzutage auch machen, beginnst Du Deine Meinungsäußerung
mit der formalen Kritik die Journalistische Qualität
lässt aber zu Wünschen übrig. Dann folgt
aber gar nichts über sdie journalistische Qualität,
sondern Du machst Dir Luft und schreibst Dir hier von der Seele,
was Du der Szene schon immer mal sagen wolltest. Und danach war
Dir dann sicher besser. O.k., ich denke, ich habe nun genug
gemotzt. Und dabei tust Du so, als sei das, was Du zum
Teil völlig zurecht kritisierst (aus meiner Sicht), die
Eigenschaft der Szene an sich, nach dem Motto: Alle sind gleich.
Es gibt auch Szenen-Teile, die nicht so sehr in der Öffentlichkeit
stattfinden. Aber es das gibt es ja gar nicht, dass zum Beispiel
alle Lesben, alle Schwulen, alle Deutschen usw. gleich sind.
Und die rechtsgerichtete Partei, die ihre antischwule Stimmungsmache
hinter ein paar moralischen Argumenten versteckt, solltest Du
nicht in Schutz zu nehmen versuchen, denn denen geht es um anderes
als Dir. Du machst Dir im Gegenteil Sorge, wie wir bei den Heten
ankommen, wenn wir derart ausgelassen feiern.
Du hast recht, dass es (wie in anderen Bevölkerungskreisen)
auch unter den feierwütigen Lesben und Schwulen sehr viele
völlig desinteressierte Menschen, teilweise auch sehr dumme
Menschen gibt. Und sie sind unkritisch und unpolitisch, und wenn
sie politisch sind, dann vielfach sehr undifferenziert und oft
auch rechts.
Aber es gibt eben auch (wie unter den heterosexuellen Menschen)
hier sehr kluge und überlegte Menschen. Und auch von denen
wollen sicherlich viele einmal im Jahr so richtig ausgelassen
feiern. Auch wenn die Heten ausgelassen feiern, im Sommer, wenn
es warm ist, wirst Du viele erotische Szenen zu sehen bekommen,
zum Beispiel beim Carneval in Rio oder bei diversen Parties.
Und der CSD ist ja auch eine auf die Straße getragenen
Party, die Lebensfreude ausdrücken soll, und das eben nach
den Formen der Jugendkultur unserer Zeit.
Meine Meinung: Ich habe nichts gegen nackte Haut, sehe sie ausgesprochen
gerne, auch wenn es meistens eben Heten sind, die sich gar nicht
darüber freuen, dass ich ihre nackte Haut sehr schön
und erotisch empfinde. Und Dir geht es also tatsächlich
nicht so?
Klar, es geht auch etwas um einen exhibitionistischen Stolz der
Feierszene. Wenn es aber wirklich Szenen wie das Blasen im Hausflur
gegeben haben sollte, so betrachte ich das als Ausrutscher, den
Du bei der Berliner Love-Parade auch zu sehen bekommen könntest,
eben dort zumeist heterosexuell.
Warum gönnst Du das den Schwulen und Lesben denn nicht,
wenn sie einmal im Jahr derart ausgelassen auftreten? Mach doch
einfach mit, dann brauchst Du Dich nicht so darüber zu ärgern.
Um unseren Sex neiden sie uns doch.
Ist Dir eigentlich klar, dass Du als schwuler Mann (davon gehe
ich hier mal aus) Angst vor dem Urteil spießiger Heten
hast? Das ist doch nicht das Moralische an sich.
Ist das Dein Maßstab zur Beurteilung des Lebens von vielen
Menschen in unserer Szene? Warum denn? Unser Leben ist in vielen
Fällen gar nicht so lustig, und da sollten wir froh sein,
dass es diese Ausgelassenheit gibt, in Köln, was vielen
unserer Leute in kleineren Städten auch Mut macht, selbstbewusster
leben zu können.
Genau die hier vertretenen Auffassungen, die mir bekannt sind,
sind es, weshalb ich in der 81. LUST den Artikel über die
Heterosexualierte Schwule und Lesben geschrieben
habe.
Ich wünsche Dir einen warmen Frühling und einen heißen
Sommer,
Joachim von der LUST
- Kritik und Aussprache
Den LesreInnen der Zeitschrift LUST stelle
ich hier streitige Texte vor, die zwischen den verschiedenen
AutorInnen der LUST gelegentlich ausgetauscht werden. Ihr bekommt
die jeweils gedruckte Zeitschrift in die Hände. Ihr müsst
nicht glauben, dass wir immer alles gleich sehen, da wir ja in
unseren Analysen nicht immer völlig übereinstimmen,
was auch nicht nötig ist. Die Stärke der LUST ist es
ja, dass in ihr verschiedene emanzipatorische Denkansätze
in ihren Artikeln vorgestellt werden.
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- Hier geht es nun um die Kritik an Joachims
Artikel Islam und Homosexualität in der
81. Ausgabe der LUST
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- Michaels Kritik:
(Michael Hespen bestand darauf, dass seine Kritik in der LUST
veröffentlich wird. Diesem Verlangen kommen wir hier gerne
nach.)
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- (...) Zu Deinem Islam-Artikel: Er enthält
schlichte Falschbehauptungen infolge - wie ich vermute - schlampiger
Recherche: Du schreibst: In Berlin mußte das Regenbogencafe
aus einem Stadttteil wegziehen, weil jegendliche Moslems von
schätzungsweise zwischen 13 und 17 Jahren dieses Cafe und
die Gäste ständig überfallen und verprügelt
haben.
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- Das Cafe heißt Cafe Positiv und nicht
Regenbogencafe. Es ist von der Alvenslebenstr. in die Bülowstr.
gezogen, beide liegen im selben Stadtbezirk und Stadtteil (Nordschöneberg
nämlich), und die Tür-zu-Tür-Entfernung von alter
zu neuer Adresse beträgt 1070 m.
Es gab einige verbale und körperliche Angriffe männlicher
Jugendlicher, vermutlich arabischstämmig, doch ständig
überfallen und verprügelt ist unwahr.
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- Noch viel schlimmer: auf S. 11 setzt Du islamische
Jugendliche aus abhängigen und halbkolonialen Ländern
mit deutschstämmigen Nazijugendlichen gleich.
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- Deutschland ist ein imperialistisches Land
mit deutscher imperialistischer Bougeoisie als herrschender Klasse
und dem Christentum als Staatsreligion. Dieses Land plündert
die Völker der Welt bis aufs Blut aus, unter anderem die
Völker der Türkei und Indonesiens, um 2 islamische
Länder zu nennen.
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- Deutsche antiimperialistische Kräfte
müssen sich mit den unterdrückten Migranten, die hier
leben, zusammenschließen und keineswegs der eigenen
Bougeoisie die Hand reichen, wie Du es tust. Wenn sich irgendwelche
reaktionär verhetzten Testesteronbomben antischwul betätigen,
ist ihnen -ohne Verbrüderung mit dem deutschen Rassismus-
entgegenzutreten.
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- Auf S. 12 machst Du Dich zum direkten Sachwalter
des deutschen Imperialismus: Aber Integration in die Rechtsordnung,
das Rechtsverständnis und vor allem die Sprache kann verlangt
werden, weil dies den Integrierten, den Einheimischen und der
gesamten Gesellschaft nützt. Sie sind dann ein Teil unserer
Gesellschaft, der auf seine Art lebt, denn wir Schwule und Lesben
wollen ja auch auf unsere Art leben.
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- Ich sage dagegen:
Antiimperialisten können die gegenwärtige Rechtsordnung
der Ausbeutung und Unterdrückung niemals anerkennen, die
imperialistische Gesellschaft ist nicht unsere Gesellschaft,
und was dieser Gesellschaft nützt, kann den Unterdrückten
nur schaden.
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- Klar: man kann kostenlose Sprachkurse für
alle fordern (da gibt es auch sehr viele Einheimische,
denen ein solcher Kurs gut täte), und bürgerlich-demokratische
Errungenschaften sind gegen alle Gegner zu verteidigen (Gleichberechtigung
der Frau gegen alle Religionen, speziell die christliche Staatsreligion
und den deutschen Imperialismus, Recht auf gleichgeschlechtliches
Begehren wie vorstehend etc.), aber das im Sinne einer einheitlichen
Kampffront aller Antiimperialisten.
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- Die Belegschaft bei Opel Bochum hat gerade
vor kurzem ein Beispiel einer einheitlichen Kampffront der Wektätigen
ungeachtet ihrer Nationalität gegeben. So - und nur so-
wird es vorangehen.
(Hier folgte noch die Angabe von Artikeln anderer Blätter,
die näher an der Auffassung von Michael sind)
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- Joachims Antwort:
Am Freitag, 14. Januar haben wir bei unserem
Freitags-Gesprächskreis (Rotwein-Runde) Die Kritik-Mail
vom 10.01.05 gelesen und besprochen.
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- Hallo Michael, ich muss Dir mitteilen, dass
Deine Kritik auf Unverständnis stieß. Das kann natürlich
auch daher kommen, dass unser Gesprächskreis den Artikel
Islam und Homosexualität von mir schon vor der
Veröffentlichuung gehört und diskutiert hat und daher
hinter dem Artikel stand, von dem ich sehr wohl weiß, dass
er Tabus verletzt.
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Du weißt ja, dass ich meine längeren Artikel nach
Möglichkeit noch vor der Veröffentlichung bei unseren
Veranstaltungen Rotwein mit Ansichten vortrage, und
die Diskussion über die Zusammenhänge bringt mich gelegentlich
dazu, dass ich Änderungen vornehme. In diesem Fall tauchten
bei meinem Vortrag im Mainzer Schwulen- und Lesbenzentrum keine
Änderungswünsche auf.
Du schreibst, dass der Standort des neuen Cafe Positiv nur 1070
m vom alten entfernt sei. Na und? Fest steht doch, dass das Cafe
wegen der von mir zusammengetragen und zitierten Gründe
wegziehen musste. Du schreibst verharmlosend, dass nur einige
verbale und körperliche Angriffe stattgefunden hätten,
daher wäre die Aussage ... jugendliche Moslems von
schätzungsweise zwischen 13 und 17 Jahren dieses Cafe und
die Gäste ständig überfallen und verprügelt
haben eine Falschbehauptung aufgrund schlampiger Recherche.
Ob Deine Formulierung untertrieben und meine übertrieben
ist, das liegt im Auge des Betrachters. Jedenfalls war es genug,
man musste dort wegziehen.
Ich habe in diesem Artikel von den Parallelgesellschaften in
Deutschland berichtet, in denen Frauen durch Zwangsheirat ohne
Deutschkenntnisse von ihren Männern wie Halbsklavinnen gehalten
werden. Ich verlange daher die Integration in die hier vorherrschende
Rechtsordnung und auch, da sie ja auf Dauer hier leben, die Befähigung,
die deutsche Sprache sprechen zu können. Wie denn sonst
könnten sich die Frauen wehren und ein anderes Selbstverständnis
zwischen den Geschlechtern kennen lernen? Dein Vorschlag mit
den kostenlosen Deutschkursen ist angesichts der Verbote durch
ihre Männer geradezu lächerlich. Übrigens, in
Wiesbaden biete ich kostenlose Deutschkurse für ImmigrantInnen
an, denn Du weißt ja, dass ich auch Deutschlehrer bin und
auch beruflich jahrelang Kurse Deutsch für Ausländer
durchgeführt habe.
Was Deine Anmerkungen zur Rechtsordnung in Deutschland betrifft,
so gibt es hier fortschrittliche und richtungsweisende Reglungen,
zum Beispiel die Gleichberechtigung der Geschlechter und die
Religionsfreiheit sowie die leider nur halbherzig vollzogene
Trennung zwischen Kirche und Staat, sowie auch sehr rückständige
Regelungen, wie zum Beispiel die immer noch existieren Verknüpfungen
zwischen Kirche und Staat usw. Immerhin wird man hier nicht mehr
getötet oder diskriminiert, wenn man an ein Überwesen
nicht glauben kann, das außerdem noch mit dem Staat verbrüdert
sein soll. Die menschenrechtlichen Errungenschaften der französischen
Revolution, so habe ich Dich zu Beginn unserer Zusammenarbeit
verstanden, sind Dir auch von einigem Wert.
Die in Deutschland lebenden Muslime sind aus meiner Sicht Deutsche
und keine Ausländer, auch wenn nicht alle von
ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, auch dann,
wenn ihre Großeltern oder Eltern aus dem arabischen Raum
oder der Türkei kommen, denn sie leben ja auf Dauer hier.
Sie sind nun Teil der deutschen Bevölkerung und als solche
genau wie alle anderen kritisierbar. Oder hast Du da eine andere
Auffassung und machst das irgendwie an völkischen Gesichtspunkten
fest? Das kann ich nicht glauben.
Und deshalb sind die wirtschaftlich und gesellschaftlich chancenlosen
Jugendlichen, die ideologisch verroht und verhetzt z.B. den Berliner
CSD angreifen, auf der Straße Schwule verprügeln oder
das Cafe der Aidshilfe und seine Gäste überfallen,
oftmals noch unter dem Beifall ihrer Eltern, wie ich aufgrund
der Quellen berichten musste, durchaus miteinander vergleichbar,
egal ob dies einen deutschfaschistischen oder einen klerikalfaschistischen
ideologischen Hintergrund hat.
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- Klerikalfaschistische und rassistisch-faschistische
Systeme sowie die Mischung davon haben ihre Gemeinsamkeiten,
das kannst auch Du nicht bestreiten. Ich sehe hier die Frage
des Imperialismus in dem Zusammenhang, dass wegen der ehrgeizigen
internationalen wirtschaftlichen und militärischen Interventionen
auch des deutschen Staates zu Lasten der Menschen in anderen
Regionen der Erde die eigene Bevölkerung in Ansätzen
mit betroffen ist. Es werden die Sozialsysteme gekürzt und
die Bevölkerung kann leichter gegeneinander aufgebracht
und verhetzt werden, von anderen, die ihre Lage auszunutzen wissen.
Und wenn auf diese Weise zwecks der Interessen der Bourgeoisie
auch die schrittweise Verarmung der eigenen Bevölkerung
zunimmt, egal welche Religion man sie noch immer glauben machen
kann, dann zeigen sich hier eben auch die innenpolitischen Folgen
dieser Außenpolitik.
Beim Kampf um die Emanzipation der Menschen und der Gesellschaft
halte ich es für falsch, einseitig die Frage nach dem Imperialismus
in den Mittelpunkt zu stellen.
In der 68er Linken gab es den Streit zwischen dem Haupt- und
dem Nebenwiderspruch als Fortsetzung des gleichen Streites in
der Partei Lenins. Die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft,
auch die durch die Genossen, wurde als ein Nebenwiderspruch angesehen,
der sich nach der Revolution von alleine ergeben würde.
Ebenso verfuhr man mit der Unterdrückung der homosexuellen
Menschen durch den Staat und die Diskriminierung auch durch linke
Genossen. Die nationalen Befreiungsbewegungen, die damals von
der 68er Linken gegen den US-Imperialismus unterstützt wurden,
sind unterdessen zu nationalistischen Regimes geworden, in denen
die Frauen kaum Rechte besitzen und Schwule, oft auch Lesben,
verfolgt und hingerichtet werden.
Und in meinem beruflichen fremdsprachlichen Unterricht habe ich
es durchaus ständig mit klerikalfaschistischen Äußerungen
der Leute zu tun gehabt, die teilweise schon zwei bis drei Generationen
hier leben, ihr Sprachvermögen aber für die Berufsausbildung
nicht ausreichte. Mir ist daher ihre Ideologie, mit der sie auf
Andersartige losgehen, durchaus bekannt. Das brachte mich übrigens
dazu, mit ihnen einerseits die Erklärung der Menschenrechte
zu lesen und andererseits einige Suren des Korans, über
die sie selber verblüfft waren. Ich musste mir bisweilen
dann anhören: Das hat sicher ein Jude übersetzt,
denn sie verließen sich mehr auf die Predigten, die sie
in den von den Wahabiten bezahlten Moscheen hören. Hier
muss man den Schleier von der Optik so mancher linker aufgeklärter
Menschen ziehen, nämlich dass sich nicht nur unter
der verhetzten Jugend klerikalfaschistische Strukturen in ganzen
Stadteilen bilden, und dass es nicht nur in bestimmten Regionen
die deutschen faschistischen Infrastrukturen gibt, sondern in
anderen Regionen eben auch klerikalfaschistische Infrastrukturen.
Die Verhetzungen der Lesben und Schwule im Sinne von Religionen
und Nationalismen nimmt ständig zu, wie in der übrigen
Bevölkerung auch. Deshalb ist sicher zu befürchten,
dass wir zunehmend eine Menge zu tun bekommen, aber auch deshalb
machen wir ja die LUST und das LUSTBLATT.
Was die Streiks bei Opel in Rüsselsheim betrifft, die wir
zusammen mit anderen Gruppen im Sozialforum Wiesbaden unterstützt
haben, so möchte ich hier nun eine Parallele ziehen: Lesben
und Schwule können über ihre Nationalitätengrenzen
hinaus eine Menge Gemeinsamkeiten erkennen und sich gemeinsam
für das Recht auf individuelle Freiheiten in ihrer jeweiligen
Gesellschaft einsetzen, sich dort mit anderen Menschen in ihrer
Gesellschaft verbünden, denen es auch um die Errungenschaft
der individuellen Freiheit geht.
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Und da zeigt es sich, dass diese individuelle Freiheiten, die
uns Lesben und Schwulen ein einigermaßen zufriedenstellendes
Leben ermöglichen, in vielen Ländern gerade von konservativen
bis faschistischen und religiösen bis klerikalfaschistischen
Menschen angegriffen werden, wie zum Beispiel auch in bestimmten
Stadteilen von Berlin. Auch davor dürfen wir die Augen nicht
verschließen.
Um mit Brecht zu sprechen, der Revolutionär führt seinen
Kampf um das Teewasser und um die Macht im Staat. Die LUST führt
den Kampf ums Teewasser mit und für Lesben und Schwule,
symbolisch gesprochen, und vergisst dabei nicht die Zusammenhänge,
die es mit dem Kampf um die Macht im Staate gibt. Das können
wir als Zeitschrift aufzeigen.
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Du siehst, ich kann Deiner Kritik nicht folgen und glaube, dass
Du Dich in Deinem verbalen antiimperialistischen Kampf mit diesen
Zusammenhängen vielleicht doch nicht genügend beschäftigt
hast. Der antiimperialistische Kampf wird übrigens nicht
dadurch wirkungsvoller, indem man sich bemüht, das Wort
möglichst of hinzuschreiben, was Menschen, die diese Notwendigkeit
noch nicht erkannt haben, nicht zu überzeugen vermag.
Du schreibst: Wenn sich irgendwelche reaktionär verhetzten
Testosteronbomben antischwul betätigen, ist ihnen
ohne Verbrüderung mit dem deutschen Rassismus entgegenzutreten,.
Erstens geht es hier nicht nur um Testosteron, sondern auch um
den Krieg um die Köpfe. Den habe ich mit meinem Artikel
durch Aufklärung zu führen versucht. Der intendierte
Unterton, dass ich mich möglicherweise hier mit den deutschen
Rassisten verbrüdern würde, ist allerdings anmaßend
und unangemessen.
Man muss auch durch solche aufklärende Artikel, wie der,
den ich geschrieben habe, diesen Entwicklungen entgegentreten,
mit dem Ziel, dass auch die klerikalfaschistischen Nebengesellschaften
in vielen Städten keine Duldung mehr erfahren, und dies
zugunsten der elementaren Menschenrechte für diese Menschen.
Oder siehst Du einen anderen Weg?
Was sollen schwule Männer machen, wenn sie zum Beispiel
nachts auf dem Weg nach Hause solchen Testosteronbomben
begegnen? Sollen sie sich individuell von ihnen zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen zwingen lassen? Auch diese Vorstellung vom
Entgegentreten halte ich für lächerlich.
Nur an einer Stelle gebe ich Deiner Kritik recht. Zwar habe ich
im Artikel den Namen des Cafes entsprechend meiner Quellen, die
ich angegeben habe, richtig bezeichnet. Nur in der Einleitung,
die ich schon zur Buchmesse als Arbeitstitel geschrieben habe,
steht noch Regenbogencafe, und mein Versäumnis
ist, dass mir das später nicht mehr aufgefallen ist.
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- Diese Antwort von Joachim ist am 18.02.05
in unserer Rotweinrunde besprochen und an einigen Stellen sprachlich
präzisiert und als Antwort der Runde legitimiert worden.
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