103. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 2010
 
Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet hatte: „Ich bin homosexuell“. Und nun muss mann/frau lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
Hi Gay Guys n´ Girls,
als nun homosexuelle Menschen müssen wir mit der Mehrheit der heterosexuellen Menschen zurechtkommen und natürlich auch mit homosexuellen Menschen, die uns manchmal das Leben schwerer machen können als es heterosexuelle Menschen tun.
 
Toleranz
Aber kümmern wir uns mal um solche heterosexuellen Leute, die uns nur mit Mühe etwas gewogen sind.

Von diesen hören wir bisweilen: „Und da wollt Ihr von uns toleriert werden und benehmt Euch so“.
Müssen wir uns denn besonders dankbar und unterwürfig benehmen, um toleriert zu werden? Toleranz erhoffen heißt genau genommen, dass man sich diesen Leuten unterwirft bzw. zu unterwerfen hat, dass man um ihren Großmut bettelt, und dass diese dann uns huldvoll tolerieren oder eben nicht, wenn sie nicht wollen.

Aber ist das denn wirklich so? Wir haben unsere Rechte, und zwar einerseits gesetzliche Rechte und andererseits haben wir unter den Heterosexuellen auch Bündnispartner die ihrerseits die Menschenrechte, also auch unsere Rechte für wichtiger halten.

Solche Menschen achten uns, obwohl sie selber unsere sexuelle Neigung nicht nachvollziehen können. Und genau das können wir verlangen.

Wenn also irgendjemand mit dem blöden Spruch kommt, dass wir uns so oder so verhalten müssten, damit man uns auch toleriere, dann antwortet diesen, dass wir von diesen gar nicht toleriert werden wollen. Und nun? Was können die denn nun machen?

Wir wollen so wie wir nun mal sind, akzeptiert werden, und zwar mit unseren Bedürfnissen und unseren Wegen, sie uns zu erfüllen. Das ist der richtige Umgang zwischen gleichrangigen Menschen, und das können wir einfordern.

Also, liebe lesbische und schwule Menschen im Prozess von Eurem Coming-out, so ist es ja auch nicht mehr, zumindest in unserem Land aber auch anderswo, dass wir irgendjemandem dankbar sein müssten, weil er uns unbehelligt leben lässt, denn genau das ist der Normalfall, und nicht die Unterwürfigkeit, die manche gönnerhaft verlangen.
 
Haben, haben, haben!
Ein Patentrezept dafür, dass sich die Sehnsüchte erfüllen, gibt es nicht und kann es auch gar nicht geben. Aber es gibt schon nützliche Tipps.

Die Tipps gehen in zwei Richtungen.
1. Auch wenn es Dir vielleicht nicht gefällt. Es gibt Sehnsüchte, die sich so oder überhaupt gar nicht befriedigen lassen. Es macht keinen Spaß, einem Menschen dies mitteilen zu müssen, der sich vertrauenvoll z.B. auch an uns wendet.

Viele Freundinnen oder Freunde sagen, in meinem Umfeld ist nichts los, da gibt es einfach zu wenig Menschen, die infrage kommen können. Ich würde gerne dort hinreisen, wo es viele Lesben und Schwule gibt, die meinen Bedürfnissen entsprechen.

Denen müssten wir möglicherweise sagen: Was willst Du denn mit alle diesen? Wieviele Menschen willst Du eigentlich kennenlernen? Meinst Du, dort wo viele sind, findest Du den/die eine(n) besser? Und wenn die meisten dort sich so verhalten, nämlich zu hoffen, dass dort jemand wäre, der noch besser zu Dir passt, als der, mit dem Du erst mal zusammen bist, meinst Du denn, Du wärst der/die eine, die/den gerade der/die sucht?
Vielleicht müssten wir Dir genau das sagen.

2. Es gibt aber auch Sehnsüchte, die sich erfüllen lassen, wenn man sich hier und dort ein bisschen besser auskennt. Und gerade da können wir Dir dann doch den einen oder anderen Tipp geben, der Dir weiterhilft. Wenn zum Beispiel die großen Sommerfeste vorbei sind, dann sind wir wieder in unserem Umfeld, und gerade in diesem näheren Umfeld müssen wir zurechtzukommen lernen.
Wie stellt man/frau es an, auf eine gute Art auszugehen, jemanden anzusprechen oder sich ansprechen zu lassen, dort einen Eindruck zu erzeugen, der Dir weiterhelfen kann?

Angeberinnen und Angeber zum Beispiel, deren Aufmerksamkeit braucht ihr nicht anzustreben, denn diese sagen ja schon vor dem Kennenlernen nicht die Wahrheit. Wie könnte man mit solch einem Menschen Lebensglück erreichen?

Wenn ein Mensch genau so aussieht, dass Du glaubst, mit dem muss ich näher bekannt werden, mit dem würde ich mir so einiges wünschen. Und wenn Du das dann ganz ganz dringend möchtest. Wenn Du das so dringend möchtest, dass Du dem anderen Menschen so richtig auf den Wecker gehst, wie kannst Du denn glauben, dass das klappen könnte?

Andererseits, wenn Du zu zurückhaltend bist, dass er/sie garnicht mitbekommt, dass Du ihn/sie näher kennenlernen möchtest, dann klappt es natürlich auch nicht. Klar wäre es nun schön, wenn er/sie gerade jetzt zu Dir durch die Türe kommen würde. Aber, mal ehrlich, wie sollte das gehen?
Am besten ist es, wenn Du jemanden findest, mit dem/der Du über das alles reden kannst. Vielleicht fällt Dir ja im Gespräch was hilfreiches ein.
 
Hetenangst
„Ich habe ja nichts gegen Euch Homosexuelle“, erzählen uns manche, ach so „tolerante“ Zeitgenossen, „zu meinem Freundeskreis gehören auch Lesben und Schwule... Das sind anständige und nette Leute“.

„Warum erzählt der uns sowas?“ fragen wir uns. Das interessiert uns doch gar nicht. Und weil wir dies schon kennen warten wir noch höflich auf den zweiten Teil seiner oder ihrer Rede, meis-tens seiner, Frauen stellen das anders an. „Nur diese Tunten und bei den Lesben die Mannweiber, die kann ich gar nicht vertragen“. Manche ereifern sich dann dabei und sagen noch etwas von eklig oder so.

Was will uns dieser Mann damit eigentlich sagen? Na, dass er Schwule nicht leiden kann, grundsätzlich nicht, dass wir nur nicht annehmen sollen, er sei ein Spießer oder homophober Schwätzer. Es ist, als will er von uns die Absolution für seine Homophobie.

Frauen machen das zum Teil so: Eine Frau kam an unseren Infostand, griff die LUST, drehte sie fachkundig um, zeigte auf eine kesse Anzeige der Aidshilfe und sagte: „Schweine!“

Sie wusste genau, wonach sie suchte, nämlich nach einem „guten“ Grund, uns mal zu beschimpfen. Aber so, dass wir angeblich einen Grund liefern und sie nicht als untolerant dasteht. Sie kannte auch die Zeitschrift.

Dieser Mann und diese Frau wollen sicherlich von uns auch noch gelobt werden, dass sie „so verständig“ sind. Nur daaaas, Tunten, Mannweiber, Sexmonster usw., das muss ja dann doch nicht sein.

Man soll ordentlich, freundlich und anständig sein, dankbar wenn man uns in Ruhe lässt, wenn wir schon so sind, wie wir sind.

Und dann gibt es Lesben und Schwule, die hören auf solche Argumente und reden selber so negativ über Lesben und Schwule, die sie für „übertrieben schwul/lesbisch“ halten.

Und wenn die uns dann noch so auf die Nerven gehen, wenn sie sich noch so große Mühe geben, „heterolike“ aufzutreten. Sie mögen auch stolz als „anständiges Beispiel“ dienen, diese Kritik wird sie dennoch einholen.

Denn solche Leute haben eben dennoch grundsätzlich etwas gegen uns, sind Spießer und homophob, und die Lesben und Schwulen, die ähnlich reden, sind entweder Duckmäuser oder nützliche Idioten dieser ach so verständigen und toleranten Leute.

„Aber nicht dass Du meinst, ich wäre jetzt gegen Dich oder ein Schwulenhasser“, beginnen andere die Rede, und dann kommt das Gleiche.

Wir sind wie wir sind und haben ein Recht darauf. Wir müssen uns nicht deren seltsamen spießigen und angepassten Normen, Verhaltens- und Moralvorstellungen anpassen. Warum denn auch?
Sie haben uns gefälligst so, wie wir sind, zu akzeptieren Und wenn sie das nicht tun, dann sind sie eben reaktionäre homophobe Spießer, da können sie um ihre Absolution betteln wie sie wollen.
 
Warum sollten wir uns das antun, sie dafür noch zu streicheln?
Das meint das Beratungs-Team von der ROSA LÜSTE