- 104. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 2010
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- Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich
das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet
hatte: Ich bin homosexuell. Und nun muss mann/frau
lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
- Hi Gay Guys n´ Girls,
was wir heute mit Euch besprechen, ist ein bisschen schwierig.
Es ist deshalb schwierig, weil mit den Berichten in den Medien
auch andere Sachen transportiert werden.
In einem Kinderheim auf der Insel Sylt sei es zu sexuellem Missbrauch
zwischen den Kindern gekommen. Die Polizei sei eingeschaltet
worden. 14 der 16 Kinder im Alter zwischen 9 und 13 Jahren seien
daran beteiligt gewesen, sie seien gleichzeitig Opfer und Täter
gewesen. Man nahm dies achselzuckend zur Kenntnis.
Später hieß es, es seien nicht nur harmlose
Doktorspiele gewesen, sondern sie hätten auch Schwule
gespielt. Das wurde dann als etwas dargestellt, das nicht mehr
harmlos war. Dann ging es um Zwang und das ist nicht harmlos.
Nein, lieber Leser, Du hast keinen sexuellen Missbrauch begangen,
als Du und Dein Freund Euch gegenseitig gezeigt habt, was Ihr
da habt, und als ihr Euch gegenseitig angefasst oder so habt.
Und Du auch nicht, liebe Leserin, als Du und Deine Freundin dies
gemacht habt.
Wenn Kinder anfangen, alleine oder miteinander ihre Sexualität
zu entdecken, dann sollten sie nicht in die Lage kommen, anzunehmen,
dass dies nun etwas besonders Schlimmes ist. Denn sonst entsteht
eine verkokste Sexauffassung und wir dachten, dass wir dies hinter
uns gelassen hatten. Sexualität ist nämlich etwas Schönes
oder sollte es zumindest sein.
Normalerweise bekommt das, was Kinder so miteinander machen,
niemand mit, und kein Hahn kräht danach.
Wenn aber jemand einen anderen dazu zwingt oder Gewalt anwendet,
dann ist dies überhaupt nicht gut und kann nicht zu guten
Ergebnissen führen. Das ist übrigens auch zwischen
Erwachsenen überhaupt nicht gut.
Dass Homosexualität in der Gesellschaft einigermaßen
akzeptiert wird, gelingt dann, wenn Sexualität ganz allgemein
überhaupt akzeptiert wird und nicht als etwas Schlimmes
an sich angesehen wird.
Wenn aber Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen zunimmt, dass
wird auch Gewalt in sexuellen Zusammenhängen zunehmen und
deshalb muss uns außerdem daran gelegen sein, dass wir
Gewalt zwischen Menschen generell nicht akzeptieren.
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen, egal ob im Zusammenhang
von Sex, meistens jedoch in anderen Zusammenhängen, hat
etwas damit zu tun, dass man angeben möchte, besser dastehen
als die anderen. Und da man den anderen in Wirklichkeit unterlegen
ist, weniger geschickt und weniger klug ist, versucht man es
auf die primitivste Weise die es gibt, nämlich mit Gewalt.
Da dies die anderen oft überrascht, die anderen selber es
auch nicht nötig haben, sich zu prügeln oder so, sind
sie auf diesem Feld nicht trainiert und daher unterlegen.
Mit Gewalt kann man im Augenblick wohl etwas erreichen, aber
eben nicht grundsätzlich. Denn: kann man jemanden mit Gewalt
dazu zwingen, uns zu lieben? Wichtiger wäre da, sich gegenseitig
mit seinen Wünschen zu achten.
Dennoch: Gewalttäter sind die wirklichen Unterlegenen, weil
sie damit zugeben, dass sie versagt haben. Im Zusammenhang mit
Sex geben sie damit zu, dass keiner sie mag.
Sex zwischen Menschen ist eine gute und sehr schöne Sache,
wenn man sich dafür nicht schämt oder so.
Was den Unterschied macht, ist der Zwang dabei, die Gewalt oder
der große Altersunterschied zwischen Erwachsenen und Kinder.
Gewalt und Zwang gibt es zwischen Kindern durchaus in ganz unterschiedlichen
Situationen. Das halten die Leute auch meist für normal.
Und dies geschieht eben auch im Zusammenhang mit Sex. Sexuelle
Spielereien bzw. Handlungen gegen den Willen von Beteiligten.
Das ist dann sexueller Missbrauch, der im übrigen auch keine
guten Gefühle hinterlässt.
Hoffen wir mal, dass Ihr Eure ersten Erlebnisse so hattet, dass
für Euch Sexualität etwas ist, was ihr mit guten zufriedenstellenden
Erlebnissen in Zusammenhang bringen könnt und nicht gegen
Euren Willen.
Ob es sich hier um verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Sex
handelt, hat mit diesem Thema überhaupt nichts zu tun.
Eure ersten sexuellen Erlebnisse, auf die Ihr Euch beispielsweise
aus Neugier eingelassen hattet, sind nicht irgendwie schuldig,
dass Ihr eher lesbisch oder schwul empfindet, sondern umgekehrt:
weil Ihr eher lesbisch bzw. schwul empfindet, waren diese angenehm
empfundene sexuellen Erlebnisse.
Einige versuchen gerade deshalb auch erst einige Male heterosexuell
zu verkehren. Sie wollen nicht lesbisch oder schwul sein. Das
ist kein Wunder, weil Heterosexualität immer als schön
und Homosexualität überwiegend negativ dargestellt
wird, be-sonders unter den gleichaltrigen Jugendlichen. Das ändert
sich bei ihnen dann eben erst später. Dann denken sie oftmals:
schade um die verlorene Zeit.
Also Ihr Lieben, wenn es sich zwischen Euch so abgespielt hat,
wie ihr es selber wolltet, dann gib es nichts, wofür Ihr
Euch jetzt oder später schuldig fühlen müsst.
Nun aber ein ganz anderes Thema:
Teilt uns doch mal bitte mit, wie viele Prozent der Lesben
und Schwulen verheiratet sind, schrieb uns jemand, der
vielleicht eine Hausarbeit schreiben wollte.
Verdammt noch mal, woher sollen wir denn so etwas wissen? Was
meint der denn mit verheiratet? Meint der, wie viele Lesben in
einer Ehe mit einem Mann sind und wieviele Schwule in einer Ehe
mit einer Frau? Oder meint er, wie viele Lesben und Schwule miteinander
verpartnert sind? Statistische kann man herausfinden, wie viele
verpartnert sind, nicht aber wie viele heterosexuell verheiratet
sind, denn wer kann als schwul definiert werden?
Wie viele von sich sagen, dass sie lesbisch oder schwul sind,
ist das denn die Zahl der Lesben und Schwulen? Ober über
die das gesagt wird?
Kann man denn überhaupt sagen wie viel Menschen sich für
lesbisch oder schwul halten? Wo bitte ist denn die Zählstelle
dafür?
In den südlichen Ländern werden Männer als Schwule
angesehen, die sich bumsen lassen. Wer einen Mann oder Jungen
bumsen will, der ist dort nicht schwul, heiratet eine Frau, hat
Kinder und bumst immer mal wieder auch einen Mann. Also man kann
überhaupt nicht genau abgrenzen, welche Männer und
Frauen als Lesben und Schwule angesehen werden können oder
sich selber so sehen.
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- Also können wir gar nicht gezählt
werden und also ist die Frage dieses Mannes nicht zu beantworten.
So oder ähnlich hatten wir geantwortet. Darauf bekamen wir
einen bitterbösen Brief, wie unfreundlich und unverschämt
wir seien. Und es gäbe auch nette Schwule, die nicht so
seien wie wir. Da haben wir uns verwundert gegenseitig angesehen
und wussten gar nicht, warum der sich nun angegriffen fühlen
sollte.
Ein Brief lag bei, von einem, der uns mitteilte, dass er schwul
sei und sich für uns schämte, denn man könne als
Schwuler doch netter und hilfsbereiter sei. Der hätte doch
nur wissen wollen, wie viel der Lesben und Schwulen heiraten
würden, sonst nichts, und er wollte doch gar nicht mit uns
irgendwelchen nervigen Unsinn diskutieren.
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- Da könnte man doch freundlich sein und
die Frage einfach beantworten. Also vielleicht hat der nicht
verstanden, warum wir die Frage so nicht beantworten können.
Sie ist nicht zu beantworten. Die Frage selber ist das Problem.
Wer vorgibt, er könne die Frage beantworten, wie viele der
Lesben und Schwulen heiraten, dem kann man nicht trauen.
Manche Leute schätzen irgendwie, wieviel Prozent der Bevölkerung
lesbisch oder schwul sind. Manche behaupten, es wären 2
%, andere es wäre 5, andere 10 oder 15 %. Was für ein
Unsinn.
Ist denn einer schwul, der gerne mit seiner Frau zusammen ist
und nur selten mal mit einem Mann? Oder ist eine Frau lesbisch,
die einen Freund hat und mit ihm lebt aber sich Sex mit ihrer
besten Freundin nicht nehmen lässt? Wer zählen will,
muss abgrenzen können, aber diese Grenzen sind nicht realistisch.
Im übrigen, solche Fragen sind auch völlig unwichtig,
sie machen gar keinen Sinn. Soll doch jede(r) so l(i)eben wie
es geht.
Das meint das Beratungs-Team von der ROSA LÜSTE