- 105. Print-Ausgabe, Winter-LUST 2010/2011
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- Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich
das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet
hatte: Ich bin homosexuell. Und nun muss mann/frau
lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
- Hi Gay Guys n´ Girls,
in diesem ersten Beitrag geht es uns um Schuldgefühle, die
eine jungen Frau und einen jungen Mann befallen, wenn sie zunehmend
deutlicher an sich bemerken, dass sich ihr zwischenmenschliches
Begehren und ihre sexuelle Neugierde auf Menschen des gleichen
Geschlechtes beziehen.
In den gleichaltrigen Freundeskreisen wird über Lesben und
Schwule gespottet und es werden absurde aber demütigende
Geschichten erzählt, die dazu dienen, die Ge-schichtenerzählerInnen
möglichst glanzvoll dastehen zu lassen.
Und Du erkennst, dass in den abfälligen Geschichten über
Menschen, auf deren Rücken der/die ErzählerInnen in
der Achtung der Clique aufsteigen wollen, Du gemeint wärst,
wenn sie wüssten, was Du nun von Dir weißt, also Du
und andere Menschen, die gleiche oder ähnliche Neigungen
haben wie Du.
Mal ehrlich, würdest Du Dich unter der Fuchtel solchen Menschen
und ihrer Meinungs-führerschaft wirklich wohl fühlen?
Diese Höllenqual? Was macht man da? Den offenen oder versteckten
Kampf mit diesen unliebsamen aber geschickten Zeitgenossen aufnehmen?
Und warum? Um nun selber vor den Leuten zu glänzen, die
solchen Leuten durch ihre Zustimmung Macht über sich geben?
Und würden sie Dich auf einem solchen Machtposten sitzen
lassen, wenn sie nun auch wüssten, was Du über Dich
weißt? Sie wüsten dann allerdings auch, dass Du sie
über einen längeren Zeitraum angelogen hättest.
Nun gut, Du kannst ja erst einmal auf das Nachgeben gegenüber
Deinen Sehnsüchten verzichten und so sein, wie die homophoben
Leute sich einen normalen Menschen vorstellen, um
Deinen Status zu erhalten.
Und wann willst Du anfangen, ein bisschen Lebensglück zu
erlangen? Meinst Du wirklich, dass Du den Leuten, von denen wir
hier reden, irgendetwas schuldig bist und Du einen Teil Deines
Leben ihnen opfern solltest?
Gut, solche Leute haben bei ihren blöden herabsetzenden
Sprüchen mächtige Verbündete, bei denen im Großen
das Gleiche geschieht wie in Deiner Clique im Kleinen: die großen
Religionen.
Die erzählen nämlich ebenso Hasserfülltes über
homosexuelles Le-bensglück und je absurder ihre Lügen
sind, umso rücksichtsloser sind sie im Verfolgen homosexueller
Menschen. Oftmals sind sie selber so frei, das mit ihren Abhängigen
zu genießen, was sie öffentlich verurteilen. Davon
hört man ja immer wieder. Und Du glaubst wirklich, dass
sie vielleicht in all den anderen Fragen recht haben und viel-leicht
auch in dieser? Und Du glaubst wirklich, Du müsstest Dich
dafür schuldig fühlen, dass Du das ersehnst, was diese
verurteilen?
Die Religionsführer vertrauen ja selber nicht auf die göttliche
Macht, denn sie richten sich und ihre Organisationen und
Machtapparate durch-aus irdisch ein. Und viele Religionen
lassen auf Erden die verfolgen, die an ihnen zweifeln,
was bedeutet, dass es ihnen um irdische Güter geht, an denen
sie nutznießen wollen. Gerade der Dezember ist ein Monat,
der voll ist an sinnlosen aber gewohnten Riten, die deren Macht
festigen sollen. Da sollte man vielleicht diesen Organisationen
und ihrer Ideologie ebenso den Rücken kehren wie den Cliquen,
deren Struktur ebenfalls auf diskriminierende Lügen aufgebaut
sind.
Es gibt ja auch andere Menschen, die sich untereinander einen
Heidenspaß bereiten, statt die anderen, die mit der Höllenqual
drohen oder sie schon gegen uns anzuwenden, auf Erden
nennen sie das. Suchen wir also die Gemeinschaft der anderen,
die Gemeinschaft der Leute, denen es eine Freude ist, sie gegenseitig
homosexuelle Lust zu geben und die auch ehrlich dazu stehen können.
Das wäre ein gutes Motto fürs nächste Jahr, dies
hinzubekommen.
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- Hi Gay Guy n´ Girl,
wenn Du gerade im Coming-out bist, dann begegnest Du natürlich,
sofern Du dafür offen bist, Coming-out-HelferInnen. Und
das soll das zweite Thema in dieser Ausgabe sein.
Als solches bieten sich Dir an: Personen oder Personengruppen,
die sich als Coming-out-HelferInnen in den Zeitschriften, im
Internet usw. bekanntma-chen und Dir ein Treffen vorschlagen.
Es gibt auch Coming-out-Gruppen bzw. Jugendgruppen, Gruppen junger
Lesben und Schwuler, die besonders jungen Menschen im Coming-out
für die Gruppe gewinnen und ihnen helfen möchten. Wenns
am Ort welche gibt und Du noch das Alter dazu hast, wirst Du
Dich sicher an sie wenden.
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- Dumm ist, wenn gerade der oder die nicht
da ist, von der oder den Du glaubst, dass er/sie Dir helfen könnte.
Also nimmst Du die anderen, die gerade da sind. Aber nicht darüber
möchten wir heute mit Dir diskutieren, wo du welche HelferInnen
findest und welche besser für Dich wären, um gerade
Dir zu helfen.
Wir wollen mit
- Dir darüber sprechen, ob Dir diese
überhaupt in dieser oder jener Sache helfen können,
die Du jetzt gerade gelöst haben möchtest. Unserer
Meinung nach kommt es nämlich auf Dich an, ob Dir jemand
gut helfen kann, egal wer immer es auch sei.
Zuerst einmal, wer Dich sofort zulabern will, wer Deine Fragestellung
oder Deine Probleme auf diese Weise nicht ernst nimmt, wer Deine
Wünsche vielleicht auch noch moralisch oder ideologisch
oder unwillkommen bewertet, statt sich auf Deinen Standpunkt
zu stellen, der/die will nicht Dir, sondern sich selber helfen,
was Dir nicht nützlich ist.
HelferInnen sind natürlich auch Menschen mit persönlichen
Meinungen und natürlich auch mit eigenen Interessen unterschiedlicher
Art. HelferInnen haben sich aber nur um Deine Interessen zu kümmern
und sonst nichts. Was sind aber Deine Interessen?
Man/frau kann Dir nur helfen, wenn Du Dir vorher überlegt
hast, welche Hilfe Du überhaupt möchtest. Und wenn
Du Dir gute Fragen ausdenkst, Deine Bedenken und Sorgen benennen
kannst, dann kann ein/e Coming-out-HelferIn Dir auch helfen.
Je genauer Du weißt, was Du eigentlich willst, umso besser
kann die Hilfe sein. Also Dir nun die Traumfrau oder den Traummann
besorgen, das können die HelferInnen nicht. Dich vor diesen
oder jenen bei Deiner Suche warnen, ist deshalb nicht gerade
hilfreich, weil Du mit denen umzugehen lernen solltest, denen
Du begegnen wirst.
Mit Deinen MitschülerInnen oder ArbeitskollegInnen reden,
das kann der/die Helfer/in auch nicht. Über lesbische oder
schwule Beziehungen mit Dir reden, das kann er/sie, wenn er/sie
wirklich darin schon Erfahrung hatte oder hat, aber er/sie kann
Dir keine beschaffen.
Über sexuelle Fragen mit Dir sprechen, das kann er/sie.
Dir einen Sexkontakt verschaffen, das kann er/sie nicht und er/sie
ist auch kein Sexkontakt für Dich. Das wäre nämlcih
das Gegenteil von Hilfe. Das wäre so, als wolle er/sie Dich
manipulieren, eine Gelegenheit nutzen, anstatt auf Deine Situation
einzugehen.
Mit Deinen Eltern zu sprechen, das kann er/sie vielleicht, aber
die Konflikte zwischen Deinen Eltern und Deiner neuen Lage musst
Du selber lösen, er/sie kann nicht immer dazwischenstehen
und vermitteln. Er/Sie kann aber mit Dir über die Konflikte
mit den Eltern sprechen und das kann auch sehr hilfreich sein.
Er/sie kann Dir also helfen, wenn Du weißt, wobei er/sie
Dir überhaupt helfen soll. Und er/sie kann Dir raten, wenn
das stimmt, was Du ihm/ihr erzählst, denn sonst ist vielleicht
sein/ihr Rat für die gedachte und erdachte Person gut aber
nicht wirklich für Dich.
Der/die Coming-out-Helfer/in kann und soll Dir keine Entscheidung
abnehmen, denn mit den Auswirkungen hast nur Du zu leben und
nicht er/sie. Er/sie darf sich selber nie in eine Macht- oder
Entscheidungssituation bringen, sondern er/sie kann die Auswirkungen
Deiner angedachten Entscheidungen mit Dir diskutieren. Er/sie
ist übrigens auch nicht allwissend und sollte auch nicht
so tun. Wenn Du Dir dies bedenkst, dann hast Du Dich auf das
Hilfesuchen vorbereitet, und dann wird das was bringen, egal
wer er/sie ist.
Hilfe ist, Dich zu befähigen, Deine Entscheidungen selber
zu fällen und Deinen Weg selber zu gehen.
Das meint das Beratungs-Team von der Gruppe ROSA LÜSTE