- 106. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2011
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- Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich
das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet
hatte: Ich bin homosexuell. Und nun muss mann/frau
lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
Hi Gay Guys n´ Girls,
wie ging das noch? Frühling ist, ein Sperling piept,
es duftet aus allen Kelchen, bin in einen Mann verliebt und weiß
nicht in welchen. .,.. Kennt Ihr dieses Gefühl, das
in diesem Lied beschrieben wird?
Na gut, das Lied wird von einer Frau gesungen und ist heterosexuell
gemeint, also ist ein wenig Phatasie notwendig, um es in unser
Leben einzufügen.
Also liebes Gay Girl, was reimt sich denn auf und weiß
nicht in welche? Etwa Elche? naja, lässt sich hier
nicht so gut einfügen. Es ist schon so, dass sich viele
Lieder und Songs, die Frauen singen, auf Männer beziehen.
Da sind Lieder, die sich von schwulen Männern ganz gut singen
lassen. Und es gibt wohl viele Songs oder Lieder, die Manner
singen, die ganz gut von Frau zu Frau zu singen wären, wenn
da nicht so viel Schmacht mitgesungen würde, wodurch die
Frauen in eine ganz bestimmte Rolle gedrängt werden, die
man feminin nennt, was man für normal hält..
Also, unser Leben passt nicht wirklich gut in das heterosexuelle
Leben hinein, da ist schon recht viel Phantasie norwendig, damit
dies geht. Dies zeigt sich in den banalen Liedertexten wie in
fast allen anderen Bereichen des zwischenmenschlichen Lebens.
Hat unsere Szene da nicht das eine oder andere für uns entwickelt,
das stimmig ist? Nun ja, das eine oder andere vielleicht schon,
aber in einer Gegenwelt zur Heten-Normalität können
wir nicht leben, die gibt es nicht, vielleicht, weil es so viele
von uns gibt, die eine solche Gegenwelt gar nicht suchen, mal
höchstens zeitweilig bei besonderen Gefühlen, was nicht
so trägt, dass man dort etwas aufbauen kann.
Es gibt eben nicht spiegelbildlich das Gegenstück zur normalen
Welt der Heten in unserer Szene, sondern nur für die
Teile unseres Lebens, die nun wirklich nicht in die Hetenwelt
passen. Und das ist das Elementare: Unsere Beziehungen und unsere
Sexualität.
Naja, und ein paar Einrichtungen gibt es, als wichtigstes die
Kneipen, Diskotheken, Filme, Bücher und Events. Das ist
es schon. Vielleicht noch die Vereinzelung vor dem Rechner, um
im Internet unsere große weite Welt sublimiert zu erleben.
Und was Beziehungen betrifft, da orientieren sich viele von uns
an den für Heterosexuelle gemachten Modellen, ob es für
uns so richtig passt oder auch nicht. Und da die Hetenmodelle
für deren Beziehungen mit Moral und Idelogie in der Gesellschaft
abgesichert sind, werden unsere Modelle des Zusammenlebens häufig
mit der gleichen Moral und Ideologie bewertet, sogar oft auch
von unseren Leuten, egals ob es wirklich passt oder auch nicht.
Es nutzt nichts, wir müssen uns da unsere eigenen Beziehungsmodelle
ausdenken, jede Beziehung für sich, die eben zu unseren
Bedürfnissen passen, und unsere eigene Moral dazu. Und das
muss auch noch flexibel sein, weil man dazu lernt, Sonst gehts
auf Dauer nicht.
Für unser Leben benötigen wir mehr Phantasie und mehr
Kreativität, mehr Spielraum fürs Ausprobieren, als
das Nachahmen der Modelle, die die Heten für ihr Leben
vorfinden. Und es gab Zeiten, die 68er Revolte war solch eine
Zeit, da bemerkten die Heten auch, das die vorgegebene Moral
und die vorgeprägten Rollen nicht das ist, wie sie leben
wollten. Das hat sich dann mit der Zeit gelegt.
Dass wir unser Leben immer wieder neu erfinden müssen, as
ist aber gar kein Nachteil, sondern es ermöglicht uns, uns
dem teilweise wieder recht eng gewordenen Normdruck zu entziehen.
da man in der Hetenwelt nicht mehr zweifelt, wird auch unser
Spielraum kleiner, denn wir leben ja auf keiner Insel.
Viele Lesben und Schwule im Coming-out begehen erst einmal den
Irrtum, sich in ihrem Leben, das sie für sich einrichten,
normal zu verhalten. Und wenns nicht so klappt, denken
sie, das liegt am Freund oder der Freundin beziehungsweise an
ihnen selber. Deshalb wenden sich einige an Beratungsstellen
oder das Beratungstelefon.
Aber glaubt nun nicht, dass bei den Beratungsangeboten das für
Euch fertige Modell vorliegt und gleich noch alle Eure anderen
Sehnsüchte erfüllt. Am Telefon gibts in diesen Fragen
auch so viel unterschiedliche Meinungen, wie es unterschiedliche
Menschen in unsere Szene gibt. Das müsst Ihr schon selber
alles ausprobieren. Immerhin sind ja die Auswirkungen von Euren
Erprobungen auch von Euch zu tragen.
Gerade im Coming-out zu sein, bedeutet ja, auch homophobe Gedanken
noch im Kopf zu haben, während man schrittweise mehr zu
sich selber findet und zu sich stehen kann.
Das ist überhaupt nicht einfach, und da können uns
unbedachte oder homophobe Äußerungen noch ganz schön
irritieren, während solche Lesben und Schwule dies eher
cool aufnehmen, die diese Phase schon längere
Zeit hinter sich haben. Wenn es uns nicht mehr so sehr verletzt,
dann heißt dies aber nicht, dass wir uns alles gefallen
lassen müssen. Im Gegenteil. Wie soll es je für Menschen
im Coming-out leichter werden, wenn sich hier nichts ändert?
Dennoch, da haben wir eine Zweiteilung unserer Aufgaben. Im mitmenschlichen
Bereich haben wir im Coming-out die Aufgabe, darauf hinzuwirken,
dass man uns genauso achtet wie vorher, denn nicht wir sind anders
geworden, wir erscheinen den anderen nun anders, wenn offenbar
wird, dass wir lesbisch bzw. schwul sind.
Darauf muss das hinauslaufen, dass wir nach wie vor die Kinder
unserer Eltern, die SchülerInnen unserer LehrerInnen, die
Bekannten unserer Bekannten sind.
Aber, wir suchen nun natürlich in den Reihen der Lesben
und Schwulen nach neuen FreundInnen, die auch noch ein anderes
Interesse an uns haben, über die Kumpeleien der Männerrunden
und die früheren Mädchencliquen hinaus.
Und dort, wo wir nun suchen müssen, ist auch keine heile
Welt zu erwarten, denn dort gibts genauso wie draußen,
in der Welt von denen, die ihren Lebensstil für den einzig
Normalen halten, aufrechte und daher vertrauenswürdige Leute
aber auch boshafte, heuchlerische und sehr unangenehme Leute,
die deshalb eben nicht aufrecht und vertrauenswürdig sind.
In neue Szenen einzutauchen ist nicht so einfach, weil nicht
alle, die uns freundlich erscheinen, uns auch so freundschaftlich
gesonnen sind, dass die uns mit unseren Zweifeln und Befürchtungen
sowie mit unserem Verlangen ernst nehmen.
Solche Leute, die uns erst einmal belabern wollen, damit wir
die Welt und die anderen in der Szene genauso sehen, wie sie
das von uns wollen, sind mit Vorsicht zu genießen, denn
sie zeigen uns ja mit einem solchen Verhalten, dass es ihnen
nicht vorrangig um uns geht, sondern um ihre Interessen.
Tag für Tag bemerken wir, wenn wir die Augen offen halten,
dass es darüber hinaus noch mehr zu tun gibt. Das machen
die Lesben- und Schwu-lengruppen, die ihrerseits über ihr
Coming-out hinausgekommen sind, und die die Kritik am homosexuellen
Lebensstil nicht als berechtigt ansehen, sondern als Homophobie,
die man zurückweisen muss.
Es ist nämlich unser Recht, so zu leben, wie wir nun mal
sind, und uns einen gangbaren Weg in einer heterosexuell dominierten
zu suchen, der uns gemäß ist. Und die Laberer und
AngeberInnen in der heterosexuellen Welt wie in unserer Szene
meinen es natürlich gut, und zwar mit sich selber.
Die Gruppen um Leute, die sich für unsere Menschenrechte
engagieren, brauchen natürlich auch Nachwuchs und Hilfe,
auch von Leuten wie Dir, und wenn Du denkst, dass Du stark bist,
es auch geschafft hast, dann überlege Dir mal, ob Du uns
nicht vieleicht helfen willst.
Nun sollten wir aber mal zu dem kommen, was unser Leben ausmacht.
Nachdem nun endlich auch offiziell Frühling ist, nachdem
uns die Frühlingsgefühle wie auch die wieder verwegenere
Kleidung besonder junger Leute in der Öffentlichkeit deutlich
machen, dass wir im Grunde, was die Gefühle betrifft, recht
alleine sind, fragen wir uns natürlich schon, wie wir es
ändern können, dass wir uns derart alleine fühlen
müssen.
Wir fühlen uns alleine, wenn wir uns sexuell angesprochen
fühlen, doch kaum eine Möglichkeit sehen, eine Partnerin
bzw. einen Partner zum Ausleben dieser Gefühle zu finden.
Auch die Lage, dass wir keine(n) Menschen kennen, der unsere
Vorstellungen vom Ausleben der Gefühle teilt, lässt
uns alleine fühlen.
Zum Beispiel wenn wir alleine im Bett liegen uns es kommt mal
wieder über uns, egal ob es früh am Morgen ist oder
spät am Abend, da denken wir uns, wie toll es wäre,
wenn er (oder sie) nun zur Türe reinkäme, genau wüsste,
wonach uns gerade ist und selber ergänzende Vorstellungen
dazu hätte und ohne längere Vorreden oder Vorspiele
einfach das machen würde, was jetzt nun endlich mal passieren
müsste. Liebe/r Leser/in, ich weiß ganz genau, wie
Du Dich im Moment fühlst: Du hast geduldig schon sooo lange
gewartet, einige Tage, Wochenlang und gar Monate, doch gerade
diese Minute möchtest Du nicht mehr warten. Überhapt
nicht! Da muss sich sofort was ändern!
PhantasiepartnerInnen sehen ja so aus, wie wir sie uns wünschen
und stehen gerade da drauf, wie es uns gefallen lönnte.
Das Dumme ist nur, dass wir zum Beispiel beim Spazieren durch
die Straßen ganz selten solche Menschen zu sehen bekommen,
und sehen sie so aus, dann noch die Bdürfnisse nach uns
haben. Und haben sie die Bedürfnisse, dann noch verstehen,
wie uns gerade ist und was wir nun von ihnen wollen, was sie
mit uns wollen.
Da laufen lauter uninteressante Leute rum. Und einige grinsen
uns dämlich an, als wären sie die tollsten Schönheiten
und man müsste gerade auf sie stehen. Was bilden die sich
denn ein? Und wenn mal jemand vorbeikommt, der (die) durchaus
infrage kommen könnte, gerade dann guckt dieses Wesen in
die andere Richtung oder guckt uns eher uninteressiert an, das
ist doch verrückt. Aber, wie machen wir es denn selber?
Irgendwie haben wir Menschen wohl einen Konstruktionsfehler.
Wenn jemand Interese an uns zeigt und ein Kontakt vielleicht
möglich wäre, interessiert er/sie uns gar nicht. Und
wenn er sie tatsächlich unser Fall wäre, dann interessiert
er/sie sich überhaupt nicht für uns.
Überhaupt, wenn uns jemand begegnet, der/die nicht gerade
der /die Traumprinz/essin ist, aber halt doch irgendwie geht,
und wenn wir es möglich machen, uns zusammen irgendwohin
zurückziehen zu können, gerade dann wenns nun ernst
wird, gerade dann läuft uns jeamnd über den Weg, der/die
ein Traum sein könnte, gerade jetzt, wo es nun garnicht
passt.
Die/der wäre sicherlich freudig auf uns eingegangen. Und
das haben wir nun versäumt. Und das nur wegen einer Kompromisslösung,
die dann auch keinen richtigen Spaß machte, weil wir ständig
an die engangene Möglichkeit denken musten.
Wie machen es denn all die anderen, die scheinbar glücklich
in der Gegend rumlaufen? Das ist ja widerlich, wie die mit ihrem
Lebensglück auch noch öffentlich rumprotzen. Also die
passen doch garnicht zusammen. Und die/der eine sieht auch noch
gut aus, eigentlich sehr gut. Dass der/die sich ausgerechnet
auf so jemanden einlässt? Da ist doch sicher was faul. Mn
müsste der/dem Unterdrückten sofort zu Hilfe eilen.
Haaaalt, schluss mit solchen Gedanken, die Dich nur immer unglücklicher,
unzufriedener und alleinestehender werden lassen. So kannst Du
Deine Sehnsucht nicht erfüllt bekommen.
Wonach sehnst Du Dich denn eigentlich genau? Kann es solch ein
Wesen, wonach Du Dich sehnst, über-haupt geben? Das sind
doch nur unerfüllte Phantasien. In Cliquen und Freundeskreisen
bekommt man besser mit, worauf man bei der Suche achten sollte.
Und wenn man zu enge Vorstellungen hat, wird man kaum finden
können, was man sucht.
Das meint das Team der
ROSA LÜSTE.