- 72. LUST, Herbst 02, September/Oktober/November
- Kirche und Ehe, Recht und Gesetz
- Für die katholischen Bischöfe sind Lebenspartner
ansteckende Kranke, die die Gesellschaft gefährden.
Zu der Ankündigung der katholischen Bischöfe, dass
alle Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen, die eine
Lebenspartnerschaft eingehen, entlassen werden, erklärt
Manfred Bruns:
Mit dieser Ankündigung zeigen die katholische Bischöfe
ihr wahres Gesicht. Sie betonen zwar immer, dass sie Lesben und
Schwulen nicht diskriminieren wollen, aber das ist nur leeres
Geschwätz.
1992 hat die Römische Kongregation für die Glaubenslehre
die US-amerikanischen Bischöfe angewiesen, sich mit allen
Mitteln gegen eine Gesetzgebung zu wehren, die eine Diskriminierung
aufgrund der geschlechtlichen Ausrichtung für illegal erklärt.
Zur Begründung hat die Kongregation ausgeführt, auch
homosexuelle Menschen hätten zwar das Recht auf Arbeit,
auf Wohnung usw. Doch dies könne aufgrund eines Verhaltens
eingeschränkt werden, dass die Gesellschaft ernsthaft in
Gefahr bringt. So wird es ja auch akzeptiert, dass der
Staat z.B. im Falle von Menschen, die ansteckende Krankheiten
haben oder geistig krank sind, die Ausübung von Rechten
einschränken kann, um das Allgemeinwohl zu schützen
(Deutsche Ausgabe des LOsservatore Romano vom 14.08.1992,
Seite 2).
- An diese Anweisung haben sich auch die Deutschen Bischöfe
bei ihrer Agitation gegen das vom Bundesverfassungsgericht gebilligte
Lebenspartnerschaftsgesetz gehalten. Nachdem sie damit keinen
Erfolg hatten, wollen sie jetzt ihre lesbischen und schwulen
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wie ansteckende Kranke
aussondern. Das betrifft nicht nur die Beschäftigten im
kirchlichen Verkündigungsdienst, sondern auch die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen in den Einrichtungen der Caritas, in den
katholischen Kindergärten und Kindertagesstätten, Krankenhäusern,
Alters- und Pflegeheimen, Privatschulen, Internaten und Ferienheimen
sowie bei den katholischen Kirchenzeitungen.
- Die den Kirchen eingeräumte Befugnis, Beschäftigte
zu entlassen, wenn sie gegen kirchliche Glaubens- und Moralvorschriften
verstoßen, mag berechtigt sein, soweit es sich dabei um
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Verkündigungsdienst
handelt. Anders verhält es sich dagegen mit den Beschäftigten
in der kirchlichen Sozialarbeit. Die Kirchen finanzieren ihre
Sozialarbeit nicht mit ihren Kirchensteuereinnahmen, sondern
fast ausschließlich mit staatlichen Mitteln, die auch von
den Bürgern und Bürgerinnen aufgebracht werden, die
keiner Kirche angehören.
- Der Lesben- und Schwulenverband fordert deshalb schon seit
langem, den Kirchen bei der Vergabe staatlicher Mittel für
Einrichtungen und Projekte, die nicht unmittelbar der kirchlichen
Verkündigung dienen, die Beachtung der arbeits- und beamtenrechtlichen
Diskriminierungsverbote für die in diesen Bereichen Beschäftigten
zur Auflage zu machen.
- Das jetzige Verhalten der Bischöfe zeigt, wie dringend
die Umsetzung dieser Forderung ist.
- LSVD Pressestelle
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- Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
hat Theologische, staatskirchenrechtliche und dienstrechtliche
Aspekte zum kirchlichen Umgang mit den rechtlichen Folgen der
Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften nach
dem Lebenspartnerschaftsgesetz veröffentlicht.
In der heutigen Presseerklärung der EKD wird dazu ausgeführt:
Neue Texte:
* Orientierungshilfe zu Lebenspartnerschaften
* Empfehlung zu Fragen des Pfarrhauses
Kirchenkonferenz und Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
haben sich auf ihren letzten Sitzungen unter anderem mit dem
kirchlichen Umgang mit den rechtlichen Folgen der Eintragung
gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und mit Empfehlungen
zu Fragen des Pfarrhauses beschäftigt. Ergebnis dieser
Beratungen sind zum einen eine Orientierungshilfe, zum anderen
eine Empfehlung, die in den letzten
Tagen an die Landeskirchen versandt wurde.
Zum kirchlichen Umgang mit den rechtlichen Folgen der Eintragung
gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften heißt es im
Begleitschreiben: Kirchenkonferenz und Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland haben in ihren Sitzungen am 27. Juni 2002
und 6. September 2002 die Wichtigkeit einheitlichen kirchlichen
Handelns in der Frage der geistlichen Begleitung gleichgeschlechtlicher
Partnerschaften und des Umgangs mit den rechtlichen Folgen der
Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften unterstrichen.
Sie stellen den Gliedkirchen den anliegenden Text als Orientierungshilfe
des Kirchenamtes der EKD für ihren weiteren Beratungsprozess
zur Verfügung. Der Rat hat seine Erwartung geäußert,
dass die Kirchenkonferenz im kommenden Jahr die Erfahrungen mit
dieser Orientierungshilfe austauscht, um die Einheitlichkeit
des kirchlichen Handelns zu erhalten und weiter zu fördern.
(.....)
Beide Texte betreffen Themen, die aus aktuellem Anlass immer
wieder Grund zur Berichterstattung bieten. Für Ihre Recherchen
weisen wir Sie mit diesem Schreiben darauf hin, dass Sie diese
Texte ab heute auch im Internet abrufen können:
Orientierungshilfe zu gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften:
http://www.ekd.de/EKD-Texte/2078_empfehlungen_gleichgeschlechtliche_partnerschaften_2002.html
(Bitte beachten: Ihr müsst die URL in Eurem Browser zu einer
Zeile zusammensetzen, wenn sie bei Euch in dieser eMail in zwei
Zeilen umgebrochen worden ist.)
In der Orientierungshilfe zu Lebenspartnerschaften trifft die
EKD folgende Feststellungen:
1. Die Segnung im Rahmen eines Gottesdienstes vorzunehmen
kann wegen der Gefahr von Missverständnissen nicht befürwortet
werden. Ein gesonderter Kasualgottesdienst ist mit dieser
Formulierung ausgeschlossen. Die Verwechslung mit einer kirchlichen
Trauung lässt sich, wie auch immer man es versucht, nicht
ausschließen. Die Segnung darf nur in Form
einer Fürbittandacht zur geistlichen Begleitung gleichgeschlechtlicher
Lebenspartnerschaften geschehen.
2. Die EKD beklagt, dass das nach Ansicht der EKD aus Art. 6
Abs. 1 GG abzuleitende Abstandsgebot beim Lebenspartnerschaftsgesetz
nicht gewahrt worden ist.
3) Zu den kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heißt
es in der Orientierungshilfe:
Die Beurteilung der Auswirkungen der Regelungen über
die Lebenspartnerschaft auf kirchliche Dienstverhältnisse
hat zu berücksichtigen, dass in der Frage der Vereinbarkeit
von Homosexualität bzw. bestehender Lebenspartnerschaft
mit einer Tätigkeit als kirchlicher Mitarbeiter innerhalb
der evangelischen Kirche derzeit de facto keine einheitliche
Antwort gegeben wird. Dabei spitzt sich die Frage zu, wenn es
um Homosexualität und Lebenspartnerschaft von
Menschen geht, die innerhalb einer evangelischen Kirche ein Pfarramt
bekleiden können, da in diesem Fall die Nähe zum zentralen
Verkündigungsauftrag der Kirche, der auch die grundsätzliche
Leitbildfunktion von Ehe und Familie zum Gegenstand hat, am größten
ist.
Dazu verweist die EKD auf ihre 1996 vorgelegte Orientierungshilfe
Mit Spannungen leben zum Thema Homosexualität
und Kirche (http://www.ekd.de/EKD-Texte/2091_spannungen_1996_homo.html).
Darin waren Ehe und Familie aus der Sicht des christlichen Glaubens
als soziale Leitbilder bekräftigt worden. Eine generelle
Öffnung des Pfarramtes für Homosexuelle war darin als
nicht vertretbar bezeichnet worden.
Zugleich hatte die Kirche es jedoch als verantwortbar bezeichnet,
homosexuelle Pfarrer nach gründlicher Prüfung in Einzelfällen
zu beschäftigen. Voraussetzung sei, dass die homosexuelle
Lebensweise ethisch verantwortlich gestaltet werde. So
dürften homosexuelle Pfarrer ihr Sexualleben nicht zum Inhalt
der Verkündigung machen, ihre Lebensweise müsse mit
Bekenntnis und Lehre der Kirche vereinbar sein.
4) Zu den dienst- besoldungsrechtlichen Rechtsfolgen (Zum
Beispiel:Anspruch auf Erziehungsurlaub oder Urlaub ohne Dienstbezüge
zur Erziehung eines Kindes des Lebenspartners oder der -partnerin;
Urlaub aus persönlichen Anlässen, z.B. Niederkunft,
Krankheit, Tod des Lebenspartners oder der -partnerin; Beihilfen
in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen auch des Lebenspartners
oder der -partnerin; Wegstreckenentschädigung bei Benutzung
des Kraftfahrzeugs des Lebenspartners oder der -partnerin; Umzugskosten
bei Wohnungswechsel wegen Gesundheit des Lebenspartners oder
der -partnerin; Beförderungsauslagen für Umzugsgut
des Lebenspartners oder der -partnerin; höhere Pauschvergütung
für sonstige Umzugsauslagen für Verheiratete, Geschiedene,
Verwitwete oder Lebenspartner und -partnerinnen; höheres
Trennungsgeld für Ehepaare und eingetragene gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften) heißt es in der Orientierungshilfe:
Dienstrechtliche bzw. besoldungsrechtliche Rechtsfolgen,
die im Entwurf des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes
für staatliche Beamtinnen und Beamte vorgesehen sind, wären
im kirchlichen Bereich zunächst ohne Veränderung des
vorhandenen Kirchenrechts nach dem Grundsatz zu gewähren
oder zu versagen, dass Besoldungsrecht und ähnliche Folgeregelungen
dem Statusrecht folgen. Im Bereich der VELKD wäre die Gewährung
entsprechender Leistungen nach der oben angeführten Rechtssicht*
ausgeschlossen. Des weiteren wird die Gewährung davon abhängen,
ob die jeweilige Landeskirche für das betreffende Rechtsgebiet
auf das jeweilige staatliche Recht verweist oder ob sie eigene
ausformulierte Regelungen hat. Im Falle von Verweisungen werden
eingetragene Lebenspartnerschaften eher Leistungen erhalten als
im Falle ausformulierter eigener kirchlicher Regelungen. Da es
sich um wenige Einzelfälle handeln wird, wird man damit
leben können, dass sich die Praxis der Gliedkirchen hinsichtlich
der Sozialleistungen an kirchliche Amtsträger in eingetragenen
Lebenspartnerschaften während einer notwendigen Übergangszeit
unterschiedlich gestalten wird.
*Hinweis: Zur VELKD (Vereinigte Lutherische Kirche Deutschlands)
heißt es in der Orientierungshilfe der EKD: Im Bereich
der VELKD und zweier weiterer Gliedkirchen wird auch eine andere
Rechtssicht vertreten. Nach den dort geltenden Pfarrgesetzen
sind Pfarrerinnen und Pfarrer auch in ihrer Lebensführung
in Ehe und Familie ihrem Auftrag verpflichtet. Diese Formulierung
wird in älterer Rechtsprechung vom Rechtshof der Konföderation
evangelischer Kirchen in Niedersachsen als expliziter Ausschluss
homosexueller Lebensgemeinschaften im Pfarrdienst verstanden.
Der Senat für Amtszucht der VELKD leitet eine Verletzung
der Amtspflichten im Pfarrdienst durch Eingehung einer gleichgeschlechtlichen
Lebenspartnerschaft indessen aus der allgemeinen Pflicht her,
sich in der Amts- und Lebensführung so zu verhalten,
wie es dem Auftrag entspricht.
Manfred Bruns
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