72. LUST, Herbst 02, September/Oktober/November
- Dringend Loaktion gesucht
- Die Lesben- und Schwulengruppe ROSA LÜSTE hat sich seit
Ihrer Gründung in der Wohngemeinschaft von Renate, Thomas
und Joachim getroffen, den GründerInnen.
Hier finden freitags die Lüstlinge zu Diskussionsabenden
zusammen, sie finden hier eine riesige Videosammlung vor, eine
große Literatursammlung usw. Hier hat die Theatergruppe
ihre Proben durchgeführt, hier haben sich Freundinnen und
Freunde kennen gelernt. Hier wurde das Beratungstelefon geplant
und eingerichtet und dank des Engagements der GründerInnen
steht seit 1978 ununterbrochen das Beratungsangebot montags abends
zur Verfügung. Sehr viele Lesben und Schwule haben sich
mit ihren Sorgen und Fragen an die Gruppe gewandt und, so weit
es möglich war, Anteilnahme und Hilfe erhalten.
Hier wird auch die Zeitschrift LUST (LESBISCHE UND SCHWULE THEMEN)
hergestellt. Das Leben der GründerInnen und ihrer FreundInnen
dreht sich seit 1978 sehr eng um die Gruppe und das Leben der
Lesben und Schwulen, die gerade mitmachen und zum FreundInnenkreis
der ROSA LÜSTE und der Zeitschrift LUST gehören. Hier
sind auch Initiativen von bundesweiter Tragweite entstanden.
Ein sogenanntes Privatleben findet für uns kaum beziehungsweise
in der Öffentlichkeit der Gruppe statt. Uns gefällts
so.
Damit dies auch so weitergehen kann, muss neuen interessierten
Lesben und Schwulen die Möglichkeit gegeben werden, mit
uns Kontakt aufzunehmen. Aus der Gruppenmitgliedschaft sind langjährige
Verbindungen entstanden und sehr viele ehemalige Lüstlinge
schauen auch nach Jahren der Abwesenheit immer wieder gerne bei
uns rein. Wir haben auch schon schlechte Erfahrungen sammeln
können, unangenehme Menschen mit ganz anderen Zielen wollten
sich hier etablieren oder wollten bei uns gegen uns vorgehen.
Das waren Lesben- oder Schwulenfeinde oder ehrgeizige Leute,
die glaubten, sie könnten unsere Arbeit für private
Karrieren nutzen.
Damit nicht jeder gleich durch unsere Wohnung läuft, haben
wir eine Einrichtung geschaffen, die es neuen Leuten ermöglichen
soll, mit uns Kontakt aufzunehmen. Es war das Problem zu lösen,
einen öffentlichen Treffpunkt einzurichten, an dem man uns
antreffen kann. Der musste möglichst breit bekannt gemacht
werden, damit Interessierte auch wissen. wo und wann man uns
antreffen kann. Wir entschieden, dass dies u.a. auch ganz gut
über Programmzeitschriften geht. Dazu ist aber ein Programm
notwendig. Also führten wir seit 1978 monatlich öffentlich
einen Diskussions- oder Veortragsabend zu einem bestimmten Thema
durch. Schnell lernten wir, dass wir die Themen auch richtig
gut vorbereiten mussten, denn manchmal kamen auch Interessierte,
um sich über das betreffende Thema zu informieren. Diese
Referate sind seit Jahren der Kern der Hintergrundberichte in
der Zeitschrift LUST.
An den Ort, an dem solche öffentlichen Treffen stattfinden
können, sind verschiedene Ansprüche zu stellen, damit
er seinen Zweck erfüllt.
1. Der Ort muss auch für Ortsunkundige gut zu erreichen
bzw. zu finden sein.
2. Menschen, die ängstlich sind, müssen sich hier leicht
wieder zurückziehen können.
3. Es muss ein öffentlich zugänglicher Ort sein, wie
z.B. der Nebenraum eines Lokales oder eines Bürger- oder
Kulturzentrums.
4. Man muss für die Termine und den Ort im Zusammenhang
mit lesbisch-schwulen Veranstaltungen öffentlich werben
können.
5. Auch wenn an einem Abend mal niemand zu uns kommt und wir
unter uns bleiben, wenn also nicht viel verzehrt wird, muss uns
der Ort erhalten bleiben.
6. Der Ort darf von sich aus für neue Interessierte keine
Barriere darstellen.
7. Man muss die Türe zu Nachbarräumen verschließen
können, damit Referate und Gespräche verstanden werden
können und damit möglicherweise auch eine gewisse Gesprächsvertraulichkeit
hergestellt werden kann, falls sie gebraucht wird.
8. Der Ort muss eine gewisse Dauerhaftigkeit und Beständigkeit
haben, denn die infragekommenden Menschen müssen sich darauf
verlassen können, dass angekündigte Termine auch stattfinden.
9. Am besten wäre es, wenn im Umfeld oder Zusammenhang dieses
Ortes die unproblematische Möglichkeit besteht, auch immer
mal eine etwas größere Veranstaltung durchzuführen.
10. Noch besser wäre es natürlich, wenn der Weg von
unsererr Wohngemeinschaft nicht so weit wäre.
Im Laufe der Jahre hatten wir viele solcher öffentlichen
Veranstaltungsorte, und immer klappte es einigermaßen oder
die Nachteile überwogen. Und nun sind wir definitiv ohne
einen solchen Veranstaltungsort, bevor wir einen besseren gefunden
haben, was sehr unangenehm ist. Wir müssen zum ersten Mal
seit 1978 die Reihe der Veranstaltungen unterbrechen. Je früher
wir einen neuen Ort finden, wo dies wieder möglich ist,
um so besser.
Unsere Veranstaltungen wurden in letzter Zeit immer weniger und
schlechter besucht. Dies könnte zuerst einmal daran liegen,
dass derzeit an der Diskussion von Hintergrundthemen weniger
Bedarf besteht. Man ist zufrieden, in der Szene Halbwahrheiten
über das Leben von Lesben und Schwulen rumzuerzählen,
ohne dass man sich über Zusammenhänge je informiert
hat. Jeder hat sich da wohl seine private Ideologie erarbeitet,
obwohl es durchaus sehr viele verbürgte und wissenschaftliche
Erkenntnisse gibt.
Für unterschiedliche Veranstaltungen wird überall geworben,
unsere Veranstaltungen fallen da kaum mehr jemanden auf. Programmzeitschriften
haben oft nur noch die Veranstaltungsthemen genannt, so dass
ein Zusammenhang zu unserem Angebot kaum mehr hergestellt werden
konnte.
Generell ist das Interesse an Gruppen und Initiativen schwächer
geworden, auch gerade an lesbisch-schwulen Initiativen wie unsere,
denn ein Coming-out-Angebot wird kaum mehr benötigt. Homosexualität
wird zunehmend für selbstverständlich gehalten und
als akzeptabel angesehen. So manche Heten fühlen sich überdies
berufen, Lesben und Schwulen selbst in ihre Homosexualität
zu helfen, man hat ja was gelesen und außerdem eine eigene
Meinung dazu.
Das neue Management der Kleinen Tattersalles hat uns unsere Arbeit
nicht gerade leicht gemacht. Es war für uns immer unsicherer,
ob wir überhaupt einen ungestörten Raum hatten, falls
neue Interessierte zu uns kommen. Schließlich wurde uns
auch noch verboten, für unsere Veranstaltungen selber Werbung
zu machen, man wollte bei den Presserklärungen dies für
uns tun, was aber ausblieb. Trotz Versprechens wurde z. B. kein
Link von der Kulturpalast-Homepage zu uns gelegt,
während man unsere Webung für den Tattersall offensichtlich
für selbstverständlich hielt. Damit haben wir nun aufgehört.
In letzter Zeit stand auch kein Raum mehr für uns zur Verfügung.
Was wir anfänglich für Zufall hielten, können
wir nun nicht mehr so sehen. So lassen wir uns nicht behandeln!
Wir betrachten daher die Zusammenarbeit als beendet.
Wir benötigen also nun Eure Hilfe bei der Suche nach einem
neuen Veranstaltungsort. Entsprechend der Adresse unserer WG
wäre der zwischen Hauptbahnhof und Ringkirche in Wiesbaden
am besten angesiedelt. Aber gibts da was? (RoLü)