- 74. LUST, Frühling 03, März/April/Mai
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- Die Große Parteienkoalition und
die Globalisierung
- In der sogenannten Kanzlerrede ist Einiges angekündigt
worden, was Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben
wird. So hat er darüber gesprochen, dass das Krankengeld
nicht mehr von der Krankenkasse gezahlt werden soll. Wenn also
jemand mehr als 6 Wochen krank ist, dann hat bisher die Krankenkasse
eine sogenannte Lohnersatzleistung bezahlt. Dies soll es in Zukunft
nicht mehr geben, die ArbeitnehmerInnen sollen sich hier zusätzlich
privat versichern, wie das ja bei der Rentenversicherung schon
der Fall ist. Immerhin, das Mutterschaftsgeld soll nicht abgeschafft,
sondern durch Steuern bezahlt werden. Aber es soll zu Praxisgebühren
bei Arztbesuchen kommen.
Noch sieht es nicht so aus, wie es im GATS-Abkommen vorgesehen
ist, dass alle Sozialversicherungen privatisiert werden sollen,
sondern es geht nur scheibchenweise.
Über 55-jährige Arbeitslose bekamen bisher länger
Arbeitslosengeld, damit die Lücke bis zum frühstmöglichen
Rentenbeginn geschlossen werden kann. Das hatte die Senkung der
Monatsrente zur Folge. Dieses verlängerte Arbeitslosengeld
soll auf 18 Jahre begrenzt werden und die Unternehmen werden
vom Kanzler aufgefordert, auch Ältere einzustellen, was
sicherlich ein Schuss in den Ofen ist. Also auch hier: Sozialabbau.
Gemeinden werden in der Finanzierung von Sozialhilfe in der Form
entlastet, dass bei arbeitslosen aber arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger
die Sozialhilfe von der Bundesanstalt für Arbeit übernommen
werden soll, die dann die Zahlung an Bedingungen koppelt.
Bei der Arbeitsvermittlung soll die Zumutbarkeitsgrenze gesenkt
werden.
Der Kündigungsschutz soll für die Unternehmen
besser handhabbar gemacht werden. Der Flächentarifvertrag
soll wohl vorerst erhalten bleieben, unter der Androhung einer
Gesetzesänderung für den Fall, dass es genügend
Öffnungsklauseln geben werde.
Wie dies und noch mehr in Gesetzestexten aussehen wird, werden
wir dann sehen.
Der Sozialabbau oder der langsame und schleichende Abbau des
Sozialstaates wird also auch von rotgrün durchgeführt,
und, wie man in Berlin sieht, auch die PDS machte beim Ausstieg
aus dem Flächentarifvertrag mit.
Kritik an der Kanzlerrede hatten natürlich die Unionsparteien,
denen die Einschnitte nicht weit genug gehen, denn wenn sie mal
wider an die Regierung kommen sollten, wollen sie ja alles auf
rotgrün schieben können. Kritik kam noch verschärfter
von der FDP, die in ihren Forderungen nach Abbau des Sozialstaaten
viel weiter ging als die Union, die auch recht weit ging.
Wir haben es also offensichtlich, was den Sozialabbau und die
schrittweise Erfüllung der GATS-Verträge geht, mit
einer Allparteienkoalition zu tun. Die Globalisierung der freien
Märkte wird von SPD und PDS vielleicht ein bisschen verzögert
aber auf jeden Fall nicht verhindert.
Gleichzeitig senkt der Staat offensichtlich ständig die
Unternehmersteuern, und so hat er, wie es in den USA ist, nur
noch Geld für die innere und die äußere Sicherheit
übrig, also nur noch für Polizei und Militär,
alles andere sollen die EinwohnerInnen schrittweise selbst übernehmen.
Noch ist es nicht so weit, aber die Richtung ist deutlich zu
erkennen.
Wie es Aussieht ist bei Wahlen gegen diese Entwicklung nichts
zu erreichen, weil keine Partei hier aus der Reihe tanzt. Die
Globalisierung der freien Marktwirtschaft holt uns überall
ein. (js)