74. LUST, Frühling 03, März/April/Mai
 
Attac, Bündnis von Gewerkschaften und Kirchen?
Ein erstaunliches Bündnis von Marktwirtschaftlern, Kirchen, Gewerkschaftlern und Marxisten bekommt immer mehr Zulauf, weil dieser Zusammenschluss offenbar derzeit als einzige Bewegung in der Lage ist, die Zusammenhänge zwischen der neoliberale Umwandlung nahezu aller Staaten der Welt, den weltweiten Abbau von sozialen Strukturen, der Bereicherung einiger Milliardäre und Millionäre, katastrophale Hungersnöte, Terroismus und Kriege zu erkären. Nahmhafte internationale Wissenschaftler bekennen sich zu diesen Analysen und zu der wesentlichsten Forderung dieser Bewegung: die internationale Einführung der Tobinsteuer.
Diese Forderung wird überall immer deutlicher erhoben, von Staats- und Regierungschefs bei einer internationalen Tagung in Mexico, auf der Dr. Fidel Castro Ruz diese Forderung öffentlich erhob und minutenlangen stehenden Aplaus erntete, besonders auch deshalb, dass der amerikanischen Präsident Bush verlangte, Castro solle nicht anwesend sein, wenn man auf seinen besuch Wert lege. Castro ersparte den anwesenden Präsidenten eine peinliche Kampfabstimmung und führ zurück nach Cuba.

Die Kirchen und internationalen Gewerkschaften sowie Regierungen besonders der sogenannten Dritten Welt unterstützen nicht aus lauter Selbstlosigkeit die Globalisierungsgegner, die in Wirklichkeit gar keine sind, sondern weil sie auch selbst von der Öffnung der Sozialsysteme für die Bereicherung der großen Konzerne betroffen sind. In vielen Staaten der Welt sind sie Träger von Krankenhäusern, Kindergarten, Ausbildungsstätten usw. und verdienen damit natürlich auch Geld.

Durch diese Umwandlungen werden auch sie in den Hintegrund wenn nicht in die Bedeutungslosigkeit gedrängt, und deshalb haben sie die Zeichen der Zeit erkannt.
Attac setzt gegen die Globalisierung der Kapitalmärkte eine Globalisierung der sozialen Verantwortung und eine Globalisierung von internationalen Verträgen statt des militärischen Rechts des militärisch stärksten. Ob diese Bewegung eine neue Täuschung von engagierten Menschen ist oder eine Lösung, kann man zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
 
Hier findet Ihr die Attac-Deutschland-Selbstdarstellung:
Attac – eine Bewegung im Aufbruch
Seit den Protesten in Genua für eine soziale und ökologische Globalisierung ist die globali-sierungskritische Bewegung in aller Munde. 200.000 Menschen sind für soziale und ökologische Gerechtigkeit im Globalisierungsprozess auf die Straßen gegangen. Ihr Protest richtete sich gegen die weltweit wachsende soziale Ungleichheit, gegen eine Globalisierung, die nur an mächtigen Wirtschaftsinteressen orientiert ist. Mit 90.000 Mitgliedern in 50 Ländern versteht sich Attac als Teil dieser globalen Bewegung. Auch in Deutschland bildet Attac ein breites gesellschaftliches Bündnis, das von ver.di und der GEW über den BUND und Pax Christi bis zu kapitalismuskritischen Gruppen unterstützt wird. Immer mehr Menschen unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Herkunft werden in den mittlerweile über 160 Attac-Gruppen vor Ort aktiv.
Neoliberale Globalisierung – viele Verlierer, wenige Gewinner
Das Versprechen, die Globalisierung bringe Wohlstand für alle, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, sowohl innerhalb der Gesellschaften als auch zwischen Nord und Süd.
Motor dieser Art von Globalisierung sind die internationalen Finanzmärkte. Banker und Finanzmanager setzen täglich Milliardenbeträge auf den Finanzmärkten um und nehmen über ihre Anlageentscheidungen immer mehr Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung. Damit untergraben die Finanzmärkte die Demokratie.
Globalisierung ist kein Schicksal - eine andere Welt ist möglich
Demgegenüber tritt Attac für eine demokratische Kontrolle und Regulierung der internationalen Märkte für Kapital, Güter und Dienstleistungen ein. Wir sind davon überzeugt, dass die Wirtschaft den Menschen dienen muss und nicht umgekehrt. Politik muss sich an den Leitlinien von Gerechtigkeit, Demokratie und ökologisch verantwortbarer Entwicklung ausrichten. Nur so kann die durch die kapitalistische Wirtschaftsweise entstehende gesellschaftliche Ungleichheit ausgeglichen werden.
Attac will ein breites gesellschaftliches Bündnis als Gegenmacht zu den entfesselten Kräften der Märkte bilden. Dabei geht es nicht um ein Zurück zum vermeintlich idyllischen Zustand vergangener Jahrzehnte. Alternativen sind nötig und möglich. Die Behauptung, Globalisierung in ihrer jetzt herrschenden, neoliberalen Form sei ein alternativloser Sachzwang, ist reine Ideologie. Wir setzen dem unsere Vorstellung von Globalisierung entgegen: internationale Solidarität von unten. Eine andere Welt ist möglich.
Attac – eine Bewegung mit Zukunft
Attac - die französische Abkürzung für ”Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen” – wurde 1998 in Frankreich gegründet. Lag der ursprüngliche Fokus von Attac in dem Eintreten für eine demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte und der Einführung der Tobin-Steuer, so haben wir uns mittlerweile der gesamten Problematik neoliberaler Globalisierung angenommen. Komplexe Themen werden auf klare und vermittelbare Forderungen heruntergebrochen und gleichzeitig wird eine fundierte Analyse im Hintergrund geboten. Dabei konzentrieren wir uns in Form von Attac-Kampagnen auf die Durchsetzung unserer Kernforderungen.
Attac aktiv - Was wir machen
Attac versteht sich als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise. Über Vorträge, Publikationen, Podiumsdikussionen und eine intensive Pressearbeit werden die komplexen Zusammenhänge der Globalisierungsthematik einer breiten Öffentlichkeit vermittelt und Alternativen zum neoliberalen Dogma aufgezeigt. Mit Aktionen soll der notwendige Druck auf Politik und Wirtschaft zur Umsetzung der Alternativen erzeugt werden. Ein wissenschaftliche Beirat wird in Zukunft die Arbeit von Attac inhaltlich begleiten. Attac setzt darauf, möglichst viele Menschen zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam zu handeln.
Veränderung beginnt vor Ort - Attacgruppen
Im Mittelpunkt stehen bei Attac die Menschen, die vor Ort und in bundesweiten Aktionsgruppen und Arbeitskreisen aktiv werden. In über 160 Orten gibt es bereits Attac-Gruppen. Sie machen beispielsweise kreative Aktionen gegen die neue Welthandelsrunde der WTO oder vor der Filiale eines in Steueroasengeschäfte verwickelten Konzerns. Sie arbeiten inhaltlich an Attac-Themen und organisieren Informationsveranstaltungen.