- 80. LUST, Herbst 04
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- Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich
das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet
hatte: Ich bin homosexuell. Und nun muss man lernen,
wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
Hi gay Guys n´ Girls,
Ihr seid jung und habt bemerkt, dass Ihr lesbisch bzw. schwul
seid. Was Ihr noch nicht so richtig wisst, ist, dass Ihr in ein
Leben voller Möglichkeiten eintretet.
Und Ihr schaut voller Irritation auf die Lesbenszene und die
Schwulenszene, die nun Eure Szene ist und wundert Euch, wie schlecht
die VorgängerInnen von Euch diese Szene gestaltet haben.
Ihr hättet dies natürlich ganz anders gemacht, Ihr
hättet natürlich auch dafür gesorgt, dass die
Szene ein bisschen vorzeigbarer wäre, so dass Eure Eltern
und Verwandten, besonders aber Eure gleichaltrigen FreundInnen
aus Schule, Lehre und Uni keinen Grund mehr hätten, über
Lesben und Schwule, also über Euch zu lachen.
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- Hi, gay Girl,
in der Lesbenszene erfährst Du, dass Frauen die früher
einen Mann hatten, die vielleicht auch Kinder haben, von vielen
Frauen als Lesbe zweiter Klasse behandelt werden. Sie seien kein
richtigen Lesben.
Andererseits begegnest Du Frauen, die richtige Lesben
sind, die ganz cool tun, als interessierst Du sie nicht, die
mit ihren Freundinnen treu leben. Sie reden von Liebe und Treue,
wie Du das ja auch siehst und wie Du es befürwortest, aber
in bestimmten Situationen machen sie dann doch ihre Anmachversuche.
Und dann gibt es Lesben, die Dir sofort gefallen, die Du kennen
lernen möchtest, aber ihre Freundinnen oder ganze Cliquen
von Frauen schirmen sie vor Dir ab.
Viele der Frauen, die Du hier findest, sind richtige Mannweiber,
und viele Frauen sind in ihren Ansichten ultra-hart. Das alles
wäre Deinen Freundinnen und Deinen Eltern und Verwandten
nicht vorzeigbar. Das kann nicht richtig sein, empfindest Du.
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- Hi, gay Guy,
jetzt kommst Du in die Szene und findest lauter schwule Männer
vor, die alle mit Dir Sex haben wollen. Sie finden Dich alle
scharf, was ja auch nicht so schlecht ist, denn es wäre
ja blöde, wenn Dich niemand scharf finden würde. Und
außerdem, na ja, alleine Sex haben, ist ja auch auf die
Dauer nicht so toll. Von Gleichaltrig bis Uralt sind sie an Dir
interessiert, und es geht ihnen im wesentlichen um Sex, oft ach
um Beziehungen.
- Zwar sind Dir auch viele von ihnen nicht
unangenehm, und wie gesagt, alleine mag man auch nicht leben.
Andererseits wären aber die meisten dieser Männer wären
wirklich Deinen FreundInnen und Eltern nicht vorzeigbar.
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- Also, gay Guys n´ Girls, so ist
die Lage.
- Saunen und Darkrooms für schwule Männer
sowie sexorientierte Anzeigen in den Gay-Zeitschriften sind auch
nicht in der Lage, unser Image zu verbessern. Vor allem stört
auch, dass die älteren Lesben und Schwule meistens irgendwie
links sind, was im Widerspruch zu Euren altersgleichen Freundinnen
und Freunden aus Schule und Beruf steht. Viele jüngere Lesben
und Schwule schämen sich für die älteren in der
Szene. Andererseits gibt es jüngere Lesben und Schwule,
die einen Trennungsstrich gegenüber den älteren wollen.
Sie sagen, dass junge Lesben und Schwule anders sind, dass sie
auch ein anderes Leben führen wollen. Junge Lesben und Schwule
wollen wie altersgleiche Heten einfach ein anständiges Leben
führen, nur halt in lesbischen bzw. schwulen anständigen
Beziehungen. Droht denn eine Generationsspaltung in unserer Szene?
Ja und nein, gay Guys und gay Girls, denn die Vorbehalte gegen
Ältere aus der Szene gibt es, so lange es die Szene gibt.
Das hat etwas mit dem Jugendkult in der Gesellschaft zu tun,
der in unsere Szene einwirkt, hier sich nur stärker auswirkt.
Außerdem gibt es Vergnügungsformen für Jugendliche,
die auf ältere Menschen ganz generell nicht so ansprechend
wirken, und es gibt andere Vergnügungsformen, die auf Jüngere
nicht so ansprechend wirken. Das alles ist also gar nicht neu.
Neu ist die Ideologie, die dazu kommt. Denn früher haben
diese Ideologien, mit denen die heterosexuellen Jugendlichen
in Bahnen gelenkt werden sollten, den älteren Menschen zunehmend
entfremdet werden sollen, sich in unserer Szene wenig ausgewirkt,
weil ein Teil dieser Ideologien war, Lesben und Schwule für
besonders erbärmliche und lächerliche Menschen zu halten,
die unter tragischen Umständen leben und deren Nähe
man nicht dulden sollte. Da war natürlich klar, dass die
gleichen Moralvorstellungen kaum Einfluss auf junge Lesben und
Schwule haben konnten.
Heutzutage aber sind Jugendliche moralischer als ihre Eltern,
und die Lesben und Schwulen werden dann einigermaßen akzeptiert,
wenn sie ebenfalls moralischer sind, also zu Anständigen
unter den Lesben und den Schwulen gehören. Und diese neue
Moral unter den jungen Lesben und Schwulen ist in der Lage, tatsächlich
eine Trennung zwischen den Generationen in unserer Szene zu erzeugen.
Junge Menschen finden es nun nicht gerade schlimm, wenn ihre
Lebensart der Lebensart älterer Menschen widerspricht. Und
für ihr leben, glauben sie, wissen sie ohnehin genug. Und
so ist auch klar, warum viele junge Lesben und Schwule die Plätze
meiden, wo ältere Lesben und Schwule sind, und wenn man
sich begegnet den Gesprächen ausweichen. Dass es für
die älteren Lesben und Schwulen nicht so doll ist, wenn
sie zunehmend von den Nachwachsenden isoliert oder geschnitten
werden, wollen wir hier nicht anführen, denn schließlich
geht es ja um die Gestaltung Eures Lebens und Eurer Szene, der
Szene der Zukunft.
Wir wollen mir Euch darüber sprechen, wie ihr nun Euer Leben
und Eure Zukunft derart gestalten könntet, dass Ihr Euch
darin wohlfühlen könnt. Dabei wollen wir keine besondere
Achtung unserer Auffassung, denn wir sind ja älter, sondern
lediglich an Euren gesunden Menschenverstand appellieren. Vielleicht
gibt es ja noch Argumente für ns, die von Euch nicht außer
Acht gelassen werden können, weil sie stimmen.
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- Also:
Wer bestimmt eigentlich, was eine anständige Lesbe ist und
ein anständiger Schwuler? Lassen wir uns das von denen erklären
und auch von ihnen bestimmen, die uns mit ihrer Ideologie früher
für unsere Liebe und unsere sexuellen Wünsche in die
Gefängnisse steckten und uns diffamierten? Ihr kennt doch
die miesen Sprüche über Lesben und Schwule von irgendwelchen
gleichaltrigen MitschülerInnen und KollegInnen. Sollen die
bestimmen, was ein anständiger Schwuler und eine anständige
Lesbe ist?
Vielleicht haben besonders junge Lesben und Schwule noch eine
Schere im Kopf, nämlich die moralische Schere der Lesbwen-
und Schwulenfeinde, auch wenn diese ach so verständnisvoll
auf uns zukommen. Die haben wirklich keine Ahnung von all unseren
Problemen in unserem Leben, und, ehrlich geswagt, junge Lesben
und Schwule haben ja diese Ahnung auxch noch nicht so richtig,
sie beginnen ja erst, sich zurechtzufinden.
Das, was diese Moralapostel uns erzählen, zwängt uns
in ein festes Korsett von Verhaltensweisen, das die heterosexuellen
Menschen auch nicht einhalten, das sie aber immer wie eine Fahne
der Anständigkeit vor sich hertragen. Doch die Rotlichviertel
leben nicht von den Unverheirateten, sondern von den Vergheirateten,
die Swingerclubs auch und die Sextelefone, die man zur Nachtzeit
im Fernsehn sieht, leben auch von den Ehemännern. Übrigens,
nahezu genausoviel Ehefrauen gehen fremd wie Ehemänner,
nur tarnen sie das hinter der Moral, die sie nach außen
vertreten, besser.
Es ist verständlich, dass die oder der, die/der keine(n)
FreindIn hat, froh wäre, einen(n) zu finden, und dass es
einfach ein blöder Gedanke wäre, wenn er/sie dann ständig
mit anderen rummachen würde. Man hätte dann ständig
Angst, dass er/sie dann plötzlich wegbliebe und wir wären
wieder nur mit Heten zusammen, die, obwohl einige ganz toll aussehen,
dennoch keine Ambitionen verspüren, ein zärtliches
oder deftiges sexuelles Verhältnis mit uns einzugehen. Es
wäre auch gut, wenn andere akzeptieren würden, wenn
wir zusammen sind.
Ältere Lesben und ältere Schwule sind keine Sexmonster,
sondern sie haben nur für ihr Leben vielleicht einen gangbaren
Weg gefunden. Und selbstverständlich hört die Sexualität
für sie auch nicht auf, zu existieren, nur weil Du sie nicht
als erotisch empfindest. Aber wenn Du sie vielleicht als erotisch
empfindest oder sexuell neugierig auf sie wärst, was wäre
dagegen zu sagen, wenn sie mitmachen würden? Sie haben nämlich
ein altersmäßiges Spektrum im Laufe des Lebens erlebt,
das viel breiter ist, als Ihr es Euch vorstellen könnt.
Warum auch nicht, wenns Spaß macht?
Hört auf, Euch von solchen Lesben und Schwulen einreden
zu lassen, was eine richtige Lesbe und ein richtiger
Schwuler ist, die bei ihrer Auffassung noch ihre hetigen
FreundInnen oder Vater und Mutter in ihrem Kopf haben. beim besten
Willen können die nicht verstehen was wir so alles in so
vielen kleinen Lebensszenen empfinden.
Die Lesben und Schwulen, deren Verhalten uns nicht gefällt,
machen dies deshalb, weil es für sie so richtig zu sein
scheint. Und als Lesbe undSchwuler, die/der das Coming-out geschafft
hat, verstehen wir, dass wir ihre Freiheit, sich ihr Leben so
zu gestalten, wie es für sie gut ist (oder wie es für
sie auch ein Irrtum ist), verteidigen. Das macht unser eigenes
leben reicher.
Wir älteren Lesben und Schwulen, die im Coming-out schon
ganz schon weit gekommen sind, wissen, dass aus so manchem lesbischen
oder schwulen Mund ein Hete spricht, der uns nicht leiden kann.
Und deshalb schadets gar nicht, wenn Ihr Euch mal auch mit uns
unterhaltet.
- (Old GM und LesbGG)