84. LUST (Herbst 05)
 
Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet hatte: „Ich bin homosexuell“. Und nun muss man lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
Hi gay Guys n´ Girls
die größte Strapaze ist es für eine junge Frau oder einen jungen Mann, beim Erkennen der eigenen Homosexualität, wenn man religiös ist, wenn man also an Gott oder irgend etwas Anderes glaubt.

Religionen sind ja nicht so, dass sie in einem Regal stehen, und unten ein Preisschild dran, und nun kann man aussuchen. Diese Religion da kostet den Verzicht auf die Gleichberechtigung der Frau, jene Religion bezahle ich mit lebenslangen Schuldgefühlen über die Funktionen meines Körpers usw. Leider ist es so nicht.

Wir haben uns die jeweilige Religion, zu der wir erzogen wurden, nicht ausgesucht, wie wir uns übrigens auch unsere Homosexualität nicht ausgesucht haben. Doch die Homosexualität ist einfach in uns entstanden, trotz antihomosexueller Propaganda durch die Religion, durch die Eltern, durch die gleichaltrigen Jugendcliquen usw. Wir sind homosexuell, so ist das.

Und es ist besser, wir erkennen das und ziehen daraus Schlüsse für unser Leben, anstatt sich noch eine längere Zeit mit den homosexuellen Gefühlen rumzuquälen, sie zu unterdrücken versuchen und sie vor uns selber und vor anderen zu verheimlichen.
Was sind wir doch für erbärmliche Wesen, während wir auf diese Weise mit einer so schönen lustvollen und befriedigenden Sache umgehen: unsere Homosexualität.

Mit der Religion war das was anderes. Die ist nicht in uns entstanden, die hat man uns gelehrt, man hat uns in die religiösen Gemeinschaften hineingeboren, hineinerzogen, hineingedrängt usw. Und diese uns beigebrachte Weltanschauung ist Stück für Stück zum Teil von uns geworden. Und nun haben wir ein so genanntes schlechtes gewissen, wenn wir dem drängenden Körper nachgeben, wenn wir versuchen, andere homosexuelle Menschen kennen zu lernen, wenn wir unseren und deren lustvolle Körper genießen.
Da gibt es religiöse Aussagen, in denen frech behauptet wird, unsere sexuelle Lust sei vom Teufel, müsse mit recht unterdrückt werden, und wirklich, homosexuelle liebende Menschen wurden von Menschen, die religiös sind, gesteinigt, aufgehängt, geprügelt, verbrannt gequält, gedemütigt, verspottet, durch Straßen gejagt worden und werden es noch in vielen Gebieten der Erde, nämlich in solchen gebieten, in denen die Menschen überwiegend religiös sind und deshalb die Religionsführer große Macht haben.

Die erste Frage, die sich uns stellt, ist meistens: kann Gott so etwas gewollt haben, dass man so mit uns armen Menschen umgeht? Da wird von einigen Religionsführern ersthaft verlangt, dass wir auf jegliche Sexualität verzichten sollen, denn unsere Sexualität sei sündig, und wir könnten nur dann ohne Sünde leben, wenn wir ohne diese Sexualität leben würden.

Religiöse Homosexuelle basteln sich, wie das Angehörige anderer Gruppen auch tun, oft eigen Auslegungen ihrer Religion zusammen, die es ihnen ermöglichen, homosexuell zu leben und weiterhin an ein erfundenes Überwesen zu glauben. Doch immer mehr Homosexuelle (wie auch andere Menschen) könne den Religionsführern nicht mehr glauben und auch nicht, dass die Grundlage ihrer Macht überhaupt existiert: ein wie auch immer geartetes Überwesen, dessen Sprecher sie angeblich seien.

An ein solches Überwesen nicht mehr zu glauben, bedeutet nicht, ohne Ethik zu sein. Alle großen Errungenschaften der menschlichen Emanzipation mussten von hochethischen Menschen gegen die erbitterte Verfolgung durch Religionsanhänger erst mühsam erkämpft werden. Das triff sowohl für die Gleichstellung der Frau zu wie auch für das Akzeptieren der Homosexualität als einer gleichwertigen Form menschlicher Sexualität.

Natürlich werden homosexuelle Lesben und Schwule im Coming-out durch unseren Appell nicht von ihren Schuldgefühlen und Gewissensbissen befreit sein. Sie werden viele angstvolle Argumente haben, denn ein solches Weltbild infrage zu stellen, stellt für jeden Menschen ein großes Problem dar, das wissen wir ja auch aus unserem eigenen Coming-out.
Was hören wir da?

Ohne Religion würden die Menschen ständig sündigen und Verbrechen begehen. Das kann man leicht anzweifeln, denn mir Religion begehen die Menschen Verbrechen, wie wir aus Religionskriegen usw. wissen. Auch eine auf Humanität und Aufklärung begründete Ethik kann den Menschen eine Leitlinie sein.

Wenn es keine Gott gäbe, wären wir Menschen nach unserem Leben einfach weg. Durch Gott leben wir ewig. Nun, nichts ist ewig. Im Gegenteil lässt uns die Vertröstung auf das Leben nach dem Tode leichter unmenschliche Zustände ertragen. Ja es gibt Leute, die sich selber und andere Menschen in den Tod sprengen, weil sie glauben, dass sie in einem späteren Leben nach ihrem Tod dafür belohnt werden. Und gerade die Leute, die so etwas glauben, sind unsere größten Gegner.

Wir können Dir nicht bei Deinem Coming-out helfen, wenn Du die Gedanken und Meinungen aus Deiner Zeit vor dem Coming-out beibehalten willst, weil sich das widerspricht. Aber Du allein entscheidest, was Du für wahrscheinlich und angemessen hältst. Es grüßen Dich,
LesbGayGirl und Old Gayman
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