- 87. Ausgabe, Sommer-LUST 06
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- Besser bi als nie
- An unserem Infostand tauchte er aus dem Nichts auf und verschwand
dann dorthin auch wieder.
Er fragte nach Infomaterial für bisexueller Menschen. Hier
gehe es ja nur um die Lesben und Schwule. Also was heißt
denn eigentlich nur? Und außerdem: wir sind
schwul und lesbisch.
Das sei ja das Problem, meint er. Und wir wollten immer was für
Homos, aber nie was für Bis. Naja, sage ich da, für
seinen Heten-Anteil brauche man ja eigentlich nichts zu machen,
sondern eher für seinen schwulen Anteil. Immerhin, die Strafgesetze
seinen nicht für heterosexuelle, sondern für homosexuelle
Handlungen verhängt werde. Und wenn wir uns für das
Recht auf homosexuelle Handlungen und das recht auf ein befreites
und selbstbestimmtes Leben der Lesben und Schwule einsetzen,
dann erstreiten wir ja das Recht auf Homosexualität, also
auch auf seine.
Er sei als Bimann in homosexuellen Kreisen diskriminiert, würde
nie für voll genommen. Naja, sage ich, ich habe mit bisexuellen
Männern die Erfahrung gemacht, dass die dann schnell ihre
Freundin ans Händchen nehmen, wenn es brenzlich wird. Sie
weisen dann ihre heterosexuelle Freundschaft vor, und z.B. gegen
die Schwulenhasser habe ich von ihm keine Hilfe erhalten. In
Gegenteil, wenn ich mit ihm in der Hetenszene aus war, in unsere
Kneipen wollte er nicht, wo ich als Schwuler bekannt bin, hat
er sich nie zu seiner Freundschaft mit mir bekannt, sondern knutschte
demonstrativ mit einer Frau rum, und ich saß ziemlich blöde
daneben rum. Das ist vielleicht was für ne schnelle Nummer
oder für gelegentliche Nummern.
Weil Ihr einfach zu viel verlangt, meint er. Nehm doch mal die
Homoehe der Adoption oder den CSD. Das ist doch einfach übertrieben.
Ihr Lesben und Schwulen sollt uns bei unserer bisexuellen Befreiung
unterstützen, und Eure Sachen wären da einfach mitgelöst.
Sag mal, frage ich ihn, bist Du eigentlich verheiratet? Was hat
das damit zu tun, meint er, aber schön, ich bin verheiratet.
Ich nehme an mit einer Frau und nicht mit nem Mann, und der Mann
bekommt dann den Status des heimlichen Liebhabers? Ich habe Euch
doch schon gesagt, dass Ihr einfach zu viel verlangt, mit der
Homo-Ehe und so. Meinst Du denn, eine Frau würde sich das
gefallen lassen, eine Liebhaberin zu sein, wegen einem Schwulen?
Es können doch Kinder kommen.
Also mir geht es gar nicht um die Homo-Ehe, sage ich, sondern
um das Recht auf selbstbestimmte Partnerschaften und Freundschaften,
wie immer die auch von den Beteiligten organisiert werden. Ja
sagt er, das sehe ich auch so.
Aber damit meine ich nicht, dass homoseuelle Freundschaften eine
Anhängsel der bekannten Heten-Ehe sein sollen? Es wurden
im Mittelalter unter Billigung der Kirche Bordelle eingerichtet,
damit der Mann bei seinem Seitensprung nicht die heilige Ehe
durch einen Nebenbeziehung gefährdet. Weißt Du, wenn
Homosexualität die gleiche Anerkennung wie heterosexualität,
dann hätten Bisexuelle auch nicht das Problem mit der Dominanz
ihrer Heterosexualität.
Siehst Du, sagt er, deswegen brauchen wir die bisexuelle Emanzipation
und nicht die lesbische und schwule. Die nutzt uns doch gar nichts,
während unsere Emanzipation Euch auch nutzen würde.
Ich habe Dir doch eben zu erklären versucht, dass es für
Lesben und Schwule auch darum geht, aus einer würdelosen
Position herauszukommen. In Nischen der Hetengesllschaft findet
das Lesben- und Schwulenleben statt, das oll es sich in unseren
zwischenmenschlichen Verbindungen wenigstens mit etwas gegenseitiger
Achtung entfalten können. Es muss ja nicht die von den Moralaposteln
abgeguckten monogamen Zweierkiste zum Schutz der Aufzucht von
Kindern sein, auch da könnten wir menschlicher sein. Schließlich
haben Heten ja auch ihre Swingerclubs und Affären, die sie
lieber verdrängen.
Wie würde denn die bisexuelle Emanzipation aussehen, fragte
ich. Aber er winkte ab, drehte sich um und verließ den
Infostand. (js)