90. Print-LUST, Frühling 07
 
Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet hatte: „Ich bin homosexuell“. Und nun muss man lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.

Hi Gay Guys n´ Girls,
Ihr seid hoffentlich im Coming-out oder Ihr interessiert Euch dafür, sonst würdet Ihr ja diesen Beitrag nicht lesen.
Aber gerade jetzt ist ja zum munteren Coming-out-Treiben doch schon mal auch ein ernsteres Wort zu sagen.
 
Hi Gay Girl,
lesbisch zu sein, bedeutet nicht nur, eine Frau zu lieben, eine Freundin zu haben und zur LesbenGayParty zu gehen. Es bedeutet auch nicht nur, zu wissen wozu die Finger und die Zunge so alles benutzt werden können und wozu die diversen Spielsachen, die käuflich zu erwerben sind, taugen. Sicher, das bedeutet es auch, und das nicht zu knapp.
 
Hi Gay Guy,
schwul zu sein, bedeutet nicht nur, einen Mann zu lieben, einen Freund zu haben, zur SchwulenGayParty zu gehen. Es bedeutet auch nicht nur, zu wissen, wo überall Du Dein Ding reinstecken kannst und wo Du es Dir reinstecken lassen kannst, wozu die Finger und die Zunge so alles benutzt werden können und warum es sinnvoll ist, den Umgang mit diesen Gummidingern zu erlernen. Sicher, das bedeutet es auch, und das nicht zu knapp.
 
Hi Gay Guys n´ Girls,
Das Coming-out zu schaffen bedeutet nun auch nicht nur, in einer Umwelt, die das Heten-Dasein für normal hält und uns das spüren lässt, mit dem Leben nun zurecht zu kommen, trotz unseres Minderheiten-Status.

Das alles sind die Voraussetzungen für lesbisch-schwules Leben. Und so wird es Dir in den offiziellen Coming-out-Programmen auch beigebracht, falls Du Coming-out-HelferInnen hast oder hattest. Aber das ist noch immer nicht alles, meinen wir.

Zum Gay-Leben gehören nämlich noch zwei weitere Bereiche, die mit uns ganz besonders zu tun haben, und die unser Leben nicht nur in der Szene erheblich verbessern bzw. verschlechtern können, wenn wir diese beiden Bereiche nicht berücksichtigen. Gut, Du kannst mit einem Menschen des gleichen Geschlecht ins Bett gehen, ohne diese beiden Bereiche zu berücksichtigen. Doch raten wir dringend davon ab.

1. Bereich: Wir als Lesben und Schwule haben nämlich schon auch eine Mitverantwortung dafür, wie man seitens der gesellschaftlichen Öffentlichkeit mit Lesben und Schwulen umgeht, in unserem Land und anderswo.

Wir meinen damit nicht, dass Ihr Euch so verhalten sollt, dass Eure Homosexualität gar nicht bemerkt wird. Anpassung macht nur scheinbar frei.

Da gibt es Leute, Kräfte und Bestrebungen in jeder Gesellschaft, die, was das Familienleben der Menschen betrifft, eher rückwärtsorientiert sind. Und gerade solche Menschen kann man doch nicht auch noch irgendwie unterstützen?

Wir dürfen weder als Gemeinschaft noch als Einzelpersonen nichts unternehmen, das dazu beitragen könnte, solchen Leuten auch noch die sogenannten Steigbügel zu halten. Das ist unsere Verantwortung für uns selber und für die anderen Lesben und Schwulen auch.
Führende Menschen in der Gesellschaft, sei es aus dem politischen Bereich, dem kulturellen oder dem religiösen, die sich „moralisch“ äußern und damit in die Betten ihrer Mitmenschen eingreifen wollen, die dürfen nicht mit unserer Unterstützung oder gar Nachfolge rechnen können. Sie sind im Gegenteil die GegnerInnen unseres lesbisch-schwulen Lebens und benötigen unseren entschlossenen Widerstand in klugen Strategien.

Das sollte doch selbstverständlich sein, sagt Ihr? Ist es nicht. Es gibt eben leider viele, die meinen, dass sie „ganz normal“ seien und eben nur im Bett ein bisschen anders, und damit schluss. Und das ist eben gerade ihr Irrtum.

Und so gibt es Lesben und Schwule in politischen, kulturellen oder religiösen Organisationen, deren Aussagen und Zielsetzungen teilweise oder ganz und gar gegen unser Leben gerichtet sind, und sie meinen, es nutze vielleicht ihrer privaten Karriere.

Wir haben als lesbische oder, wie auch gesagt wird als Gay Girl wie auch als schwuler Mann, oder wie auch oft gesagt wird, als Gay Guy eine gewisse Verantwortung dafür, ob die untoleranten MoralistInnen auch durch unsere Hilfe bzw. mit unserer Hilfe die Gelegenheit bekommen, uns in unseren Entfaltungsmöglichkeiten einzuschränken.

Und Entscheidungsfreiheit, so viel wie möglich, ist nun mal die Voraussetzung für uns, solche Wege zu erproben und dann zu beschreiten, die sich für uns, nach Irrtümern und Versuchen, als lebbar erweisen.

Uns ging es immer recht gut, wenn es der Bevölkerung insgesamt ganz gut ging. In schlechten Zeiten suchen die Menschen nach Sündenböcken, denen man für dies und das die Schuld geben kann, ob das nun logisch ist oder auch nicht. Und so manche Medien wissen ja auch, wie sie den Hass auch schlechte Verhältnisse auch Minderheiten lenken können, die sich nicht so recht wehren können. Das sind dann über kurz oder lang nicht nur für andere Minderhalten gefährlich Zeiten, sondern auch für uns.

Deshalb muss es unser Anliegen sein, besonders solche Organisationen und Leute zu unterstützen, die für die sogenannten kleinen Leute in der Gesellschaft eintreten, zum Beispiel die Gewerkschaften und andere in diesem Sinne nützliche Einrichtungen.

2. Bereich: Hier ist gemeint, wie wir mit anderen Lesben und Schwulen in der Szene umgehen.

Klar ist, gerade diese Lesbe und dieser Schwule, der/die sich da aufspielt, die/der stinkt mir besonders, ich kann ihn/sie nicht leiden.
Sei mal ein bisschen nachsichtig mit ihnen. Auch die haben es nicht so leicht wie sie oft tun, und manches schräge unangenehme Verhalten hat seinen Ursprung in ihrer Hilflosigkeit, mit den Anforderungen der Gesellschaft, ihrem lesbisch- oder schwulsein, mit den Anforderungen der Szene und mit Deinen Anforderungen zurecht zu kommen. Die Gegner sind nicht sie, sondern andere, siehe oben.
Da es keine anderen gibt, sind das die Leute, mit denen Du solidarisch versuchen musst, einen guten Weg für uns alle. Er muss ja nicht mit jedem/jeder durch Dein Bett führen, könnte es aber.
 
Machs bitte gut, Dein Beratungs-Team der ROSA LÜSTE.
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