- 91. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 07
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- Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich
das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet
hatte: Ich bin homosexuell. Und nun muss man lernen,
wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
- Hi Gay Guys n´ Girls,
wie das vielleicht ist oder sein kann, lesbisch oder schwul zu
sein, erfährt die moderne Lesbe von der US-Serie the
L word und der moderne Schwule von der US-Serie queer
as folk.
Die kommen zur Gespensterstunde, und das ist nicht immer einfach,
die Serien zu sehen und die Sache mit den Eltern irgendwie zu
regeln.
Und es gibt auch den einen oder anderen Spielfilm, in dem das
Leben homosexueller Menschen, übersetzt: von
uns Lesben und Schwulen, zu sehen ist. Viele Lesben und Schwule
sehen die Filme und halten sich dran. Aber ist es so wirklich,
unser Leben? Filme müssen jedoch auch aktion
haben, sonst werden sie abgeschaltet. Hat unser Leben denn so
viel aktion?
Und nicht jede Lesbe, nicht jeder Schwule gehören der amerikanischen
Mittelschicht an.
Und nicht alle Sorgen, die wir haben, werden auch in den
Filmen dargestellt, wenngleich man sagen kann, dass die FilmemacherInnen
schon recht oft den Punkt treffen. Das muss auch so sein, denn
wer sollte sie sich sonst anschauen?
Aber Sorgen in nem Film sehen und selber haben, das ist ja doch
etwas anderes. Und im Leben kommt nicht ein großzügiger
und trotz seiner politisch nicht korrekter Sexhaltung solidarischer
Brien mit einem Bündel Banknoten. Da kommt überhaupt
niemand mit Banknoten, und wenn doch mal jemand damit käme,
müsste man schon wirklich sehr sehr vorsichtig sein.
Viele Lesben und Schwule sagen, dass sie ihre ersten Schritte
mit dem Coming-out auf einem CSD gemacht haben, wohin sie sich
neugierig schlichen. Und als sie sahen, wie viele Lesben und
Schwule dort glücklich aussahen, wurden sie ermutigt, doch
ein bisschen mehr zu sich zu stehen. Na und dann, als die Parade
rum war, und als sie sich die Stände angeschaut hatten,
sind sie wieder nachhause und der alte Trott holte sie ein.
Manche Infostände waren auch hilfreich. Mit Broschüren
und mit interessierten Gesprächen konnten sie von Menschen
recht nützliche Tipps erhalten, denen sie sonst niemals
begegnet wären.
Aber dann zuhause, die abfälligen Sprüche von Vater,
die bohrenden Fragen von Mutter usw. Und auf der Schule, die
Witze über die Homos, die schwulen Säue
usw. die sie vielleicht tatsächlich gesehen hatten, oder
sie tun sich nur dick damit. Sie wissen ja nicht, wie verletzende
sie damit sind. Und wüssten sie es, wären sie dennoch
verletzend, denn in der Jugend-Cique dominiert die Angeberei
über die Vernunft.
Und den Mut, zu ihnen zu sagen: Na, Du musst das ja ganz
genau wissen, denn Du warst ja sicher dort, den könntest
Du vielleicht nicht so einfach aufbrigen. Das entrüstete:
Da würde ich ja niemals hingehen, du Schwuchtel,
oder: du Lesbe, könntest Du dann grinsend erwidern
mit: naja, Du kümmerst Dich schon recht auffallend
um diese Leute.
Doch ein gutes Gefühl hättest Du mit einer solchen
Antwort auch nicht so richtig. Zwar hättest Du die Lacher-Innen
auf Deiner Seite, doch nur deshalb, weil Du mit ihm/ihr im Wettstreit
der Ablehnung von Homosexuellen gewonnen hättest, also der
Ablehnung von Dir selber.
Natürlich könnten wir in einem solchen Wettstreit immer
gewinnen, weil wir ziemlich schnell alle miesen Tricks kennen
lernen, die es gegen uns gibt, denn wir beobachten besser, notgedrungen.
Kämen vielleicht nun die intoleranten Antworten, nämlich,
dass man die Gesellschaft vor sowas schützen müsste
oder so.
Die lesben- und schwulenfeindlichen ArschlöcherInnen fühlen
sich nämlich oftmals auch noch im Recht, sich so zu profilieren,
und sie berufen sich dabei oft auf Religion, auf Moral, leider
und besonders hohl heutzutage auch wieder mehr auf Nation und
Rasse.
Und dann gibt es die Religionen. Und alle sehen sich als Hüter
der Moral an. Diesen Platz vetreidigen sie als ihren Platz in
der Gesellschaft, denn über die Kontrolle der Moral kann
man gut gesellschaftspolitische Macht ausüben.
Religionen streben immer nach der Macht im Staat, das ist leider
so. Und hätten sie die Macht, wäre es für uns
besonders schlecht.
Sie kämpfen denn nicht offen um die Macht, wenn sie durch
Gesetze daran gehindert werden. Aber um Einfluss kämpfen
sie trotzdem. Das geht aber nur über eine Moral des Verzichts
und durch die offene Bekämpfung von solchen Minderheiten,
die davon abweichen.
Da kommen wir nun ins Spiel. Wir weichen davon ab, denn für
unsere Lust gibts keine Ausreden mit Kinderkriegen oder so, bei
unserer Lust geht es nur um unsere Lust. Und genau das ist aus
der Sicht der Religionen Sünde. Für Lust soll man sich
schuldig fühlen.
Das ist zwar nicht logisch, aber doch sehr praktisch, wenn da
jemand zwischen uns und unserem eigenen Körper sitzt und
unsere Gedanken mitkontrolliert. Und je schuldiger oder unnormaler
wir uns mit unserer homosexuellen Lust fühlen, umso mehr
Macht kann dieser Kontrolleur über uns bekommen.
Das führt zum Beispiel dazu, dass eine große Gruppe
von Lesben und Schwulen sich lange nicht trauen, lustvollen Sec
zu haben. Selbst wenn sie befreundet sich, halten sie sich zurück,
und es ist ihnen oft lieber, dass der/die andere alles macht,
weil der/die dann die größere Schuld hat
als sie. Es gibt viele Menschen, die immer noch was über
sich haben wollen, das ihnen sagt, wo es langgeht. Und das nutzen
Leute aus, und so werden sie zu Religionsführern.
Ob es einen Gott oder so etwas gibt? Na, wir können das
nicht glauben. Wenn es ihn gäbe, bräuchte er nicht
so viele Leute, die sehr viel erzählen, mit diesen billigen
Taschenspielertricks, die sie benutzen. Suche Dir Hilfe von Leuten,
die mit Dir sprechen wollen.
Viele Grüße, Euer Beratungs-Team der ROSA LÜSTE
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