99. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 09
 
Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen, nämlich das zu akzeptieren, was man schon vorher geahnt oder befürchtet hatte: „Ich bin homosexuell“. Und nun muss man lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein.
Hi Gay Guys n´ Girls,
die Beratungstelefone waren früher einmal, als sie von den Schwulengruppen und in der Frauenbewegung gegründet wurden, die einzige Möglichkeit, über das eigene bekannte Umfeld hinaus Informationen zu erhalten. Sie wurden so eifrig benutzt, dass die Betreiber sich viel einfallen lassen mussten, um diese Vetrauensarbeit zu verbessern.

Viele AnruferInnen verwechselten das Bertaungstelefon, das auch das Kontakttelefon von den betreibenden Gruppen war, als ein persönliches Kontakttelefon. Das Kontakttelefon der Gruppen war eine Einrichtung, mit der man mit der Gruppe in Kontakt treten konnte, sonst nichts.

Heutzutage werden solche Einrichtungen kaum mehr genutzt, so dass in vielen Städten gar keines mehr vorhanden ist.

Heutzutage sind es dann auch oft die Aids-Hilfen, denen aus Mangel an anderen Beratungsangeboten diese Aufgabe zufällt.

Dass es in vielen Städten abgeschafft wurde, hängt damit zusammen, dass die Betreiber es gar nicht lustig finden, monatelang zu bestimmten Zeiten am Telefon zu sitzen, ohne dass jemand anruft.
Sachbücher und Romane, Musikgruppen mit den betreffenden Titeln und viele Filme sorgen dafür, dass mögliche Fragen über diese Medien scheinbar schon geklärt sind. Wozu also dann anrufen?

Nun ist es auch so, dass die Betreiber solcher Telefone in der Szene oft misstrauisch umlauert werden, als würde eine solche Arbeit ihrem Wesen nach die beste Einrichtung sein, sich ständig tolle Sexerlebnisse bescheren zu lassen.

Nun ist es aber ganz und gar nicht so, wie es lüsterne Suchende sich so vorstellen. Die meisten Leute, die heutzutag den Anschein erwecken, die TelefonbetreiberInnen anzumachen, sind schwulen- oder lesbenfeindliche „Witzbolde“, die sich lesbisch bzw. schwul stellen und im Hintergrund ist oftmls das unterdrückte glucksende Gekicher von anderen „Witzbolden“ zu hören.

Da ist es nicht immer leicht, sich angemessen „professionell“ zu verhalten, obwohl man da ganz anderes auf der Zunge hat.

Die Beratungstelefone sind nämlich nicht dazu eingerichtet, zur Belustigung irgendwelcher Leute zu dienen, die sich ach so toll vorkommen, sondern hilfreich bereitzustehen, wenn jemand entdeckt, dass die Filme, Romane, Songtexte dem Musik- oder Unterhaltungsgeschmack dienen und nicht der Wirklichkeit.

Im Ggegenteil ist dies nämlich so, dass Menschen, die zum Beispiel die Sehnsucht nach einem ganz bestimmten Sexpartner oder Beziehungspartner haben, den es im Leben eher nicht gibt, gerne Bücher lesen, in denen genau diese Partner der Ich-Person, mit der sich der Leser identifiziert, zufliegen oder zulaufen, und sie leben dann glücklich und zufrieden bis an ihr Ende.

Genau solche Bücher, Filme usw. werden gerne gelesen und gekauft und deshalb massenhaft produziert. Aber es ist eher unsinnig, daran zu glauben, dass sich das Leben wirklich so verhält.
Und dann wird zum Beispiel das Beratungstelefon angerufen und gefragt, wo sich denn genau diese Traumprinzen oder Prinzessinnen aufhalten, von denen man/frau im Roman gelesen hat und die er/sie im Film erlebt hat.

Und wenn es den BetreiberInnen gelingt, den/die Anrufer/in in ein klärendes Gespräch zu ziehen, in dem auch solche Dinge zur Sprache kommen, die der/die Anrufer/in gar nicht hören möchte, nur dann kann ein Beratungsgespräch auch Sinn machen. Und das, Ihr lieben, ist keine leichte Arbeit und auch gar keine dankbare Arbeit.

Im alten Griechenland wurde dem Boten, der eine unangenehme Nachricht zu überbringen hatte, oftmals der Kopf abgeschnitten. Und das alles ist überhaupt keine Situation, die geeignet ist, Sexkontakte am Telefon aufzubauen.

Desweiteren gehört es zu Handwerkzug der Ratgeber, die Gespräche gerade nicht in diese Richtung laufen zu lassen, die für alle Beteiligten nur peinlich ausgehen können.

Also, Ihr könnte gerne bei den noch vorhandenen Beratungstelefonen anrufen. Und man wird Euch, so gut es möglich ist, zu Raten versuchen. Und deshalb finden sich Leute, ehrenamtlich, die für Euch da sind.

Ansonsten, mit einem bisschen Realitätssinn, lässt sich das meiste im Leben durchaus sinnvoll bewältigen. Und wenn Ihr mal nicht wisst, welche Stelle für etwas die richtige ist, dann ruft einfach an.

Das rät Euch
Euer RoLü-Team