- 60. LUST, Juni/Juli 00
- Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben eines Menschen,
nämlich das zu Akzeptieren, was man schon vorher geahnt
oder befürchtet hatte: Ich bin homosexuell.
- Und nun muss man lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul
zu sein.
- Viele fühlen sich nun berufen, Euch von ihren Weisheiten
zu berichten. Und alle wissen besser, was für Euch gut ist,
als ihr selbst. Es ist so, als wäre man aus der Obhut der
Eltern geschlüpft, um sich selbst etwas umzuschauen, und
nun findet man überall Mütter und Väter, die überall,
wo ihr hinkommt, schon ihre Obhut für Euch bereithalen.
Klar, Jede/Jeder hat sich da etwas erarbeitet, und Jede/Jeder
ist davon überzeugt, das sein/ihr Weg anderen helfen kann.
- Offensichtlich gibt es mehr Leute, Institutionen, Einrichtungen,
die beim Coming-out helfen wollen, als es Leute gibt, die im
Coming-out sind. Und schon hat man einen Teil davon gelernt,
wie das ist, lesbisch oder schwul zu sein. Man betritt keineswegs
Neuland, andere sind schon da. Und das ist auch gut so, denn
es kommt ja darauf an, andere kennenzulernen. Man hat die Nachteile
des Lesbisch- oder Schwulseins in Form von Selbstzweifeln, erstem
vergeblichen Verliebtsein, oft auch schon Diskriminierungen und
üble Nachreden schon erlebt. Endlich nun will man auch die
anderen, die besseren Seiten unseres Lebens kennenlernen. Und
dazu benötigt man nun mal die Gemeinschaft lesbischer und
schwuler Menschen. Und da ist sie, die Gay-Community, mit all
ihren schönen und widerwärtigen Seiten.
- Und wir, LesbGayGirl und OldGayMan, werden Euch auf diesem
Weg den einen oder anderen Tipp geben. Und Ihr könnt mal
hinschauen, falls es Euch interessiert. Und siehe da, auch die,
die von sich behaupten, dass sie schon längst alles wissen,
werden hinschauen. natürlich nur, um zu sehen, ob wir es
auch richtig machen.
-
- Hallo, Gay Guys n´ Gay Girls, es
geht los:
LesbGayGirl und OldGayMan schreiben zuerst einmal zusammen. Wenn
es spezieller wird, wird jede(r) von uns (Frau-zu-Frau, Mann-zu-Mann)
eigene Texte schreiben. Und wenn Ihr mehr wissen wollt, als Ihr
in diesen Texten findet, dann wendet Euch an die entsprechenden
Beratungstelefone.
- Was ist eigentlich Gay?
Das Wort haben die amerikanschen Lesben und Schwulen für
ihre gemeinsame Szene gewählt, denn Gay lässt sich
mit Freude, vielleicht Fröhlichkeit und Lebensfreude am
besten übersetzen. Die Gay-Community, die Gemeinschaft,
wollte so den diskriminierenden Schimpfwörtern entgehen.
GegnerInnen der Lesben und Schwulen in den USA verwenden natürlich
nun dieses Wort als Schimpfwort. In Deutschland haben wir Lesben
und Schwulen uns eine andere Strategie ausgedacht. Wir benutzen
die Schimpfwörter (schwul und lesbisch), die es für
uns ja gibt, als Namen für uns. Die Eltern, FreundInnen
und MitschülerInnen, die uns ja persönlich kennen,
müssen diese Wörter dann im höflichen Zusammenhang
uns gegenüber benutzen, wenn wir nur selbstbewusst genung
aufttreten. Und so wollen wir die Bedeutung der Wörter allmählich
ändern. Natürlich können wir so die Lesben- und
SchwulenFeindInnen nicht daran hindern, blöd über uns
zu reden. So lange es Leute gibt, die sich für etwas Besseres
halten, weil sie so sind, wie es die Normen der Gesellschaft
erwarten, so lange werden diese nach Möglichkeiten suchen,
uns beschimpfen.
Das wir in Deutschland anders als in den USA damit umgehen, hat
etwas damit zu tun, dass wir eine andere Erfahrung in unserer
Geschichte machen mussten. Schwule Männer wurden mit dem
rosa Winkel als Erkennungszeichen bei den Nazis in Konzentrationslager
gesteckt.
In der rosa Farbe steckt der Versuch, uns lächerlich zu
machen, weil wir halbseiden seien, wie die rosa Frauenunterwäsche,
also keine richtigen Männer. Richtige Männer
durften bei den Nazis nicht zu Männern zärtlich sein,
sondern sie sollten harte Soldaten sein. Habt Ihr schon einmal
beobachtet, wie Männer heutzutage im Fernsehen bei der Würstchenreklame
in die Würstchen beißen? Sie machen dabei ganz grimmige
Gesichter und beißen ganz agressiv zu. Es soll gar nicht
der Eindruck aufkommen, dass sie dieses längliche Etwas
sanft in ihren Mund gleiten lassen. Das wäre einfach zu
unmännlich.
Die Schwule der 68er Revolte nahmen diesen rosa Winkel der Nazis
und steckten ihn sich an, um ihre Mitstudenten zu zwingen, mit
Schwulendiskriminierungen aufzuhören, weil sie sonst wie
Nazis wären. Und so machten wir es auch mit den Schimpfwörtern.
Die Nazis hielten es übrigens nicht für nötig,
Lesben in Konzentrationslager zu stecken, weil sie lesbisch sind.
Denn lesbische Frauen können ja trotzdem gezwungen werden,
Kinder auf die Welt zu bringen, wenn der Mann das Sagen hat,
und im Weltbild der Nazis gibt das klare Oben und Unten, und
Frauen hatten unten zu sein. Lesben wurden nicht bestraft, sie
wurden schlicht verschwiegen und übergangen. Wenn sich Frauen
umarmen, wird gar nichts lesbisches dahinter gesehen. Und wenn
einige Frauen miteinander eine Party machten, dann war dies nur
eine Frauenparty, keine Lesbenparty. Und so konnte man das Lesbischsein
immer schön verstecken. Die Lesben forderten, dass bei solchen
Parties klar genannt wird: Lesbenparty. Und da heterosexuell
genormte Frauen auch eingeladen waren, kamen sie zu dem Kunstwort
FrauenLesbenParty. Das klingt aber so, als wären
Frauen kein Lesben und Lesben keine Frauen. Und wenn von den
Gays die Rede war, ging es meistens nur um schwule Männer.
Deshalb verlangten lesbische Frauen, dass sie noch einmal ausdrücklich
genannt werden. Also wurde die Party für Gay Guys n´
Girls zu eine Gay-and Lesbian-Party, genau übersetzt dann
also zu einen Lesben-Schwulen und Lesbenparty. Das
kommt eben davon, wenn man, wie in den USA mit dem Wort Gay,
mit den Wörtern eine Diskriminierung und Ausgrenzung bekämpfen
will.
Es ist aber auch oft so, dass in lesbisch-schwulen Zussammenhängen
oftmals Schwule für Lesben mitsprechen, gar nicht in böser
Absicht, dabei aber oft vergessen, dass Vieles für Lesben
doch deutlich anders ist als für Schwule. Deshalb soll es
uns egal sein, wie sich wer nun nennen möchte, die Hauptsache
ist, Ihr findet Euch in diesem Wort wieder und könnt es
mit gutem Gefühl für Euch selbst verwenden. Denn das
ist es, was wir im Zusammenhang mit dem Coming-out lernen müssen:
Wir müssen so weit im Akzeptieren unserer Homosexualität
kommen, dass wir selbt nicht noch immer glauben, dass es sich
dabei um etwas Negatives handelt.
Lesben und Schwule sind keine besseren Menschen. Und Menschen,
die sich unterdrückt oder gar minderwertig fühlen,
kommen oft auf seltsame Ideen, sich aufzuwerten. Wir sind aber,
weil Lesben Frauen bevorzugen und Schwule Männer, dadurch
ganz bestimmt keine schlechteren oder minderwertigeren Menschen.
Erst wenn wir unser Lesbischsein und unser Schwulsein selbst
lieben, erts dann werden wir souverän mit möglichen
Anfeindungen umgehen können und nicht mehr tief betroffen
sein.
Was Euch nun in der Gay-Szene oder Gay-Community so alles erwartet,
welche Klippen es dabei gelegentlich zu umschiffen gilt, das
könnt Ihr in den nächsten Ausgaben der LUST lesen.
Eure
LesbGayGirl und OldGayMan