60. LUST, Juni/Juli 00

Neue Anträge im Bundestag

Durch die Bundestagsabgeordnete der PDS, Christina Schenk,
wurden zwei Anträge in den Bundestag eingebracht, die eine Wiedergutmachung gegenüber den Opfern des Paragraphen 175 StGB fordern. Zum einen geht es nach wie vor um die Rehabilitierung und Entschädigung der in der NS-Zeit verfolgten Homosexuellen. Zum anderen wird verlangt, dass sich der Bundestag auch kritisch der eigenen Geschichte und der der Bundesrepublik stellt und auch diejenigen rehabililiert und entschädigt, die noch bis 1968 nach der NS-Version des Paragraphen 175 verfolgt wurden.
BürgerInnen, die für einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handungen zwischen Erwachsenen in der BRD und in der früheren DDR, strafrechtlich verfolgt wurden, sollen einen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung erhalten. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dazu einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Die Entschädigung soll unabhängig von Höhe und Dauer der Strafe gezahlt werden und nicht übertragbar sein. Außerdem sollen die noch im Bundeszentralregister eingetragenen Vorstrafen in dieser Hinsicht unverzüglich getilgt werden. Weiterhin wird der Bundestag dazu aufgefordert, sein Bedauern darüber auszudrücken, dass das Grundrecht der BürgerInnen auf freie sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland so lange verletzt worden sei.
In dem anderen Antrag spricht sich die PDS dafür aus, Opfern nationalsozialistischer Verfolgung von Homosexuellen als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anzuerkennen. Hierzu müsse die Bundesregierung endlich Maßnahmen ergreifen. Wenn aus formalen Gründen Leistungen unmittelbar nach diesem Gesetz nicht möglich sein sollten, sei ein unbürokratisches Verfahren zugunsten der Betroffenen vorzusehen. Die Verschärfung des § 175 des Reichstrafgesetzbuchs im Jahr 1935 sei als typisch nationalsozialistisches Unrecht anzusehen und deshalb nichtig, es habe damals eine vollständige Kriminalisierung männlicher Homosexualität gegeben. Neben der strafrechtlichen Verfolgung seien homosexuelle Männer und Frauen während der NS-Zeit auch Maßnahmen wie Zwangssterilisierungen und medizinischen Experimenten sowie der Verschleppung in Konzentrationslager ausgesetzt gewesen.
Die Paragraphen 175 und 175 a Nr. 4 RStGB sollen daher in eine Liste als Anlage zum Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Rechtspflege aufgenommen werden. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung einen Rentenschadensausgleich für verfolgungsbedingte Fehlzeiten in der Rentenversicherung bekommen. Des weiteren wird eine vom Bund und den Ländern finanzierte Stiftung gefordert, welche sich um die Aufarbeitung der NS-Verfolgung von Homosexuellen kümmern soll.