aus der 63. LUST, Dezember00/Januar01
Offener Brief zum Vorwurf von LSVD-Sprecher Michael Schmidt an Christina Schenk, die Interessen von Lesben und Schwulen verraten zu haben
Michael Schmidt, Sprecher des LSVD, greift zur großen
Keule: Sabine Jünger und ich, die beiden einzig offen lebenden
Lesben des Deutschen Bundestages, hätten die Interessen von
Lesben und Schwulen verraten, indem wir gegen die Eingetragene
Lebenspartnerschaft gestimmt haben.1
Für mich sind es eher die Lobbyisten der Eingetragenen Lebenspartnerschaft,
die oft genug auch wider besseren Wissens gegen die Interessen
von Lesben und Schwulen agieren. Sie ignorieren völlig, dass
die Lesben und Schwulen keineswegs begeistert hinter dem Projekt
der Eingetragenen Lebenspartnerschaft stehen. Ausgesprochen wenige
haben sich an den Aktionen zur Beförderung der Eingetragenen
Lebenspartnerschaft beteiligt. Lediglich 300 Mails an alle Mitglieder
des Bundestages haben sicher nichts damit zu tun, dass Homosexuelle
zu wenig PCs hätten sondern vielmehr mit ihrem überaus
geringen Interesse an diesem Projekt. 10.000 Unterschriften sind
angesichts sonstiger Waschkorbaktionen anderer Lobbyisten nicht
gerade ein Spitzenergebnis und die immer wieder mal stattfindenden
Trauungszeremonien in Standesämtern kein Massenevent.
Für mich ist das nicht weiter verwunderlich. In ungezählten
Veranstaltungen und Gesprächen wurde mir von vielen Lesben
und Schwulen gesagt, dass die Eingetragene Lebenspartnerschaft
für sie völlig uninteressant sei sowohl in symbolischer
als auch in praktischer Hinsicht. Die Lebensformen von Lesben
und Schwulen sind eben meist viel vielfältiger, als das sie
sich in das Korsett von Ehe oder Eingetragener Lebenspartnerschaft
mitsamt dem antiquierten Ballast an Pflichten und ungerechtfertigten
Privilegien pressen ließen. Die Diskussionen drehten sich
vorwiegend um die wirklichen und tatsächlich auch dringlichen
rechtlichen Regelungsbedürfnisse.
Natürlich gibt es auch Lesben und Schwule, die wie ich aus
Gründen der rechtlichen Gleichheit mit Heterosexuellen der
Öffnung der Ehe zustimmen würden, und genau deshalb
ein Sondergesetz nur für Homosexuelle ablehnen. Lesben und
Schwule sind mehrheitlich die schärfsten Kritiker der Eingetragenen
Lebenspartnerschaft. Das ist auch nachlesbar in der Bamberger
Studie, die Rot-Grün anscheinend nicht ohne Absicht in dem
Diskussionsprozeß um die Eingetragene Lebenspartnerschaft
völlig ignorierte. Ihre Ergebnisse passen einfach nicht ins
Konzept. Denn da steht, dass etwa zwei Drittel der Befragten eine
gesetzliche Form befürworten, die ihnen die Möglichkeit
der flexiblen Ausgestaltung ihrer Beziehungen gibt. Sie fordern
eine Reform des Familienrechts, die die tatsächliche Vielfalt
an familiären Lebensformen und die daraus entstehenden Regelungsbedürfnisse
in den Blick nimmt. Die meisten der Befragten lehnten eine Regelung
mit deutlichem Abstand zur Ehe ab.
Genau diese Situation haben wir jedoch jetzt. Justizministerin
Däubler-Gmelin hat von Anfang an klargemacht, dass es eine
Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule nicht geben wird.
Zuerst tönte der LSVD noch, dass er einer Regelung, die keine
völlige Gleichstellung von homo- mit heterosexuellen Paaren
bringt, nicht zustimmen wird. Jetzt stimmt er einer Argumentation
zu, die die besondere Rechtsstellung der Ehe bejaht und einen
deutlichen Abstand zwischen Eingetragener Lebenspartnerschaft
und Ehe für notwendig und richtig befindet. Zum Schluß
bejubelte man selbst einen Torso, der es den eintragungswilligen
Lesben und Schwulen selbst überlässt, fehlende Rechte
im individuellen Klageweg zu erstreiten. Sie werden die nächsten
Jahre damit verbringen, per Gericht an die fehlenden Eheprivilegien
heranzukommen. Die anderen Lesben und Schwulen bleiben weiterhin
und solange rechtlos, bis sich im politischen Raum mal wieder
eine Chance zu Reformen auftut.
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft war und ist nicht alternativlos.
Das weiß auch Michael Schmidt, der sich in Sergej 11/00
positiv auf das PDS-Konzept zur rechtlichen Gleichstellung aller
Lebensweisen bezog. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht
der erste Schritt zu einer umfassenden gesellschaftspolitischen
Debatte, sondern aus historischer Perspektive ein rückwärtsgewandter
Schritt in eine Sackgasse. Die von Homo- UND Heterosexuellen zu
führende gesellschaftliche Debatte muss angesichts der Bedingungen
in der BRD eine um die Entprivilegierung der Ehe und rechtliche
Gleichstellung aller Lebensweisen sein. Ein zukunftsfähiger
Anfang wäre ein Vertragspaket nach französischem Modell
(PACS) gewesen. Ansätze dazu hat es immerhin auch in Deutschland
bereits gegeben. Dies zeigt unter anderem die Reform des Mietrechts.
Die Befürworterinnen und Befürworter der Eingetragenen
Lebenspartnerschaft haben zu einer solchen Debatte nicht nur nichts
beigetragen, sondern sie regelrecht blockiert.
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist kein Sieg, sondern eine
nachgerade peinliche Selbstgenügsamkeit, die letztlich das
Anliegen der Mehrheit der Lesben und Schwulen beschädigt.
Christina Schenk MdB
Lesben- und schwulenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion