89. Ausgabe, Winter-LUST 06/07
 
Der Vatikan und die Menschenrechte
Pressemitteilung Manfred Bruns, Sprecher des Lesben und Schwulenverbandes (LSVD) vom 10.12.2006
 
Der Vatikan hat jeden Kontakt zum wirklichen Leben verloren
Seine ständig wiederholte Behauptung, dass die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften Ehe und Familie zerstöre, hat nichts mit der realen Wirklichkeit zu tun.

Zu den heftigen Angriffen des Vatikans auf die Pläne der italienischen Regierung, Lebensgemeinschaften von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren, die mindestens fünf Jahre bestanden haben, künftig bei finanziellen Fragen wie Rente und Erbschaft ähnlich zu behandeln wie Eheleute, erklärt Manfred Bruns, Sprecher des Lesben und Schwulenverbandes (LSVD):
Die Behauptung des Vatikans, dass die italienische Regierung mit ihren Plänen die Familie ausrotten wolle, wird durch ihre ständige Wiederholung nicht richtiger.
Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass sich Menschen nur deshalb vom Heiraten abhalten lassen oder aus ihrer Ehe ausbrechen, weil der Staat verbindliche Partnerschaften von gleich- und verschiedenge-schlechtlichen Paaren in einigen Lebensbereichen nun rechtlich anerkennt.
Die bürgerliche Ehe, so wie wir sie heute kennen, ist noch keine zweihundert Jahre alt. Sie hat sich ständig geändert und wird sich auch weiter ändern.
Dass die Ehe inzwischen ihren Charakter als lebenslange Verbindung weitgehend verloren hat und dass sich daneben nichteheliche Lebensgemeinschaften als anerkannte Formen des sozialen Zusammenleben etabliert haben, ist nicht darauf zurückzuführen, dass Homosexuelle nicht mehr bestraft und gesellschaftlich geächtet werden, sondern auf den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Religionen, die wie die katholische Kirche Gruppen von Menschen als Sünder abstempeln, pflegen diesen Sündern auch die selbstverständlichsten Menschenrechte abzusprechen wie zum Brispiel das Menschenrecht, mit dem Partner der Wahl eine Lebensgemeinschaft einzugehen.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Vatikan es nach wie vor ablehnt, die Menschenrechtskonvention zu ratifizieren.
 
Schwul = vogelfrei?
Kolpingwerk kündigte einem Mitarbeiter, weil er homosexuell ist

Pressemeldungen zufolge hat das katholische Kolpingwerk einem langjährigen Mitarbeiter fristlos gekündigt, nachdem bekannt wurde, dass dieser ein eigenes Chatprofil in einem Internetportal für Schwule hatte. Dazu erklärt Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Wir sind entsetzt über die unbarmherzige Haltung der Leitung des Kolpingwerkes, die einen verdienstvollen Mitarbeiter kündigt, nur weil
dieser schwul ist. 25 Jahre lang hat der Sozialpädagoge sein Leben der christlichen Jugendarbeit gewidmet und sich niemals eines Vergehen schuldig gemacht.

Dann wird er von einem Tag auf den anderen entlassen, als bekannt wird, dass er homosexuell ist. Eine solche Maßnahme ist unmenschlich, unsozial und moralisch verwerflich.

Es ist schon schlimm genug, dass die römisch-katholische Kirche und die ihr nahe stehenden Organisationen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten, dass diese ihre sexuelle Orientierung verstecken.

Hier sind die Verantwortlichen des Kolpingwerkes aber noch einen Schritt weiter gegangen:
Sie verlangen, dass die Angestellten auch im Privatleben ihre Identität unterdrücken. Das ist eine Verdammung der Homosexualität an sich.

Das darf nicht so stehen bleiben. Wir rufen alle Betroffenen auf, ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen und sich über diesen unchristlichen Umgang mit Homosexuellen beim Vorsitzenden des Kolpingwerks der Diözese Limburg, Herrn Wolfgang Aumüller, zu beschweren.
Kolpingwerk vom Ausmaß des Protestes überrascht
In einer Stellungnahme wehrt sich das Kolpingwerk nun gegen den Vorwurf, derMitarbeiter wäre auf Grund der Homosexualität entlassen worden: „Den zuständigen Vorstandsmitgliedern des Kolpingwerkes Diözesanverband Limburg war die Neigung des Mitarbeiters zumindest seit einem Jahr bekannt und wurde auch akzeptiert.

Zu keinem Zeitpunkt wurde dieser Umstand zum Anlass genommen, arbeitsrechtliche Schritte gegen den Mitarbeiter in die Wege zu leiten. Grund für die nun vorliegende Kündigung des Mitarbeiters war vielmehr ein Verhalten, das auch bei jedem(r) heterosexuellen Mitarbeiter/Mitarbeiterin des Betrie bes zu einer fristlosen Kündigung geführt hätte“.

Dazu erklärt Rechtsanwalt Ansgar Dittmar, der Prozessvertreter des gekündigten Mitarbeiters:
„Wir gehen davon aus, dass das Kolpingwerk sich verrannt hat und nunmehr versucht, sich durch unbegründete Vorwürfe reinzuwaschen. Im Gerichtstermin am Freitag, den 24.11.2006 wurde durch den Vorsitzenden des Kolpingwerks klar dargelegt, dass unser Mandant aufgrund des Chatprofils seine Homosexualität, die seit Frühjahr des Jahres bekannt wurde (und schon damals bei dem Geschäftsführer zu Aufruhr sorgte), öffentlich gemacht habe. Ein Ausdruck des Profils wurde auch zu den Gerichtsakten gereicht. (...)
Wenn das Kolpingwerk jetzt von Verfehlungen spricht, so kann dies nur auf den Bereich des angeblichen „Öffentlichmachens“ seiner Homosexualität abgestellt werden. Aber das ist außerdienstliches Verhalten, das nicht kündigungsrelevant ist. Andere Vorwürfe sind nicht bekannt oder vorgetragen worden.“

Ganz offensichtlich fehlt es den Verantwortlichen an Unrechtsbewusstsein. Sie sind von dem Sturm des öffentlichen Protestes überrascht worden. Für den Betroffenen ist zu hoffen, dass das Kolpingwerk einlenkt und die Kündigung zurücknimmt.
 
Verschwiegen. Verdrängt. Vergewaltigt
Gewalt gegen Lesben hat viele Formen

Der 25. November ist der weltweite Aktionstag zur Beseitigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen. Dazu erklären Julia Borggräfe, Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) und Elke Heinicke, Sprecherin des Lesbenrings:

Weltweit werden Frauen, die gegen traditionelle Rollenbilder verstoßen geächtet, vergewaltigt, verfolgt und ermordet. Viele dieser Frauen sind Lesben. Lesbische Frauen haben es in vielen Ländern besonders schwer, ein selbstbestimmtes Leben frei von Verfolgung und Anfeindungen zu leben, oft werden ihre Menschenrechte mit Füßen getreten.

Aus Angst vor zusätzlichen Repressionen verschweigen Lesben ihre sexuelle Orientierung. Ein Outing geht in aller Regel mit dem Verzicht auf die Solidarität von männlichen Gefährten und der Familie einher. Nach wie vor wird die Verfolgung lesbischer Frauen unter Hinweis auf Traditionen und Kulturen gerechtfertigt. Deutschland muss Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt werden, Schutz gewähren.

Erschreckende Nachrichten erreichen uns aus vielen Ländern. Im Iran und Saudi Arabien droht Lesben die Todesstrafe. In Bangladesch oder Malaysia wird versucht, ihnen das „widernatürliche Verhalten“ mit hohen Gefängnisstrafen „abzugewöhnen“. Aber auch in Ländern, die Homosexualität offiziell nicht mehr unter Strafe stellen, werden Lesben verfolgt oder psychiatrisiert.

Der Gedenktag wurde 1981 bei einem Treffen lateinamerikanischer und karibischer Feministinnen ausgerufen. Das Datum verweist auf die Ermordung der drei Mirabal-Schwestern durch den dominikanischen Diktator Trujillo im Jahr 1960. Die Familie Mirabal gehörte zum dominikanischen Widerstand, der sich den Sturz des seit 30 Jahren herrschenden Trujillo-Clans zum Ziel gesetzt hatte.
www.lesbenring.de
www.lsvd.de
24. November 2006
Kein Schutz vor Diskriminierung für homosexuelle Beschäftigte des Europäischen Parlamentes
Das Präsidium des Europäischen Parlamentes hat Leitlinien gegen die Diskriminierung von Angestellten erlassen und dabei die sexuelle Identität als Schutztatbe-stand ausgeschlossen. Dazu erklärt Axel Hochrein, Sprecher
des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Das Europäische Parlament war bisher ein Motor der Gleich-stellungspolitik. Es ist skandalös, wenn sich das Parlament als Arbeitgeber nun selbst von den Anforderungen verabschiedet und homosexuelle Beschäftigte zur Diskriminierung freigibt. Das Präsidium verlässt damit den Konsens der europäischen Grundwerte.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung seinen Ursprung in den völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditio-nen der Mitgliedstaaten. Art. 13 EGV ermächtigt den europäischen Gesetzgeber, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen zu bekämpfen.
Gestützt auf diese Vorschrift hat der europäische Gesetzgeber die
EU-Gleichbehandlungsrichtlinien erlassen, die die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf verbieten. Dasselbe Verbot findet sich im „Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbe-ingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften“.
Angesichts dieser Rechtslage ist es schlicht unverständlich, dass das Präsidium des Europäischen Parlamentes für seine eigenen Beschäftigten eine Antidiskrimi-nierungsrichtlinie ohne das Merkmal „sexuelle Ausrichtung“ verabschiedet.
Der LSVD hat heute Protestschreiben an das Präsidium und die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes geschickt.
 
Die Grünen sprechen sich gegen Strafrecht bei HIV aus
Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, erklärt:
Die Koalition prüft strafrechtliche Maßnahmen bei der AIDS-Bekämpfung. Dagegen habe ich mich heute im Plenum gewandt.
Da Teile der AIDS-Prävention sogar durch Eingriffe behindert werden und man sich weigert wider besseres Wissen die Heroinabgabe an Schwerstabhängige in die Regelversorgung zu übernehmen, ist die Debatte um Strafrecht besonders perfide.
Die Deutsche AIDS-Bekämpfungsstrategie war erfolgreich, weil sie auf Aufklärung, Information und verantwortliches Handeln der Bürger setzte. Das sollte man nicht auf das Spiel setzen.
Wir fordern Bund, Länder und Kommunen auf, die HIV-Prävention weiter auszubauen, um damit auf die in Deutschland steigenden Zahlen von Erstinfizierten zu reagieren. Die zielgruppenorientierte und zeitgemäße HIV-Prävention ist der beste Schutz gegen Aids. Die Prävention muss stärker Unterschiede innerhalb von Risikogruppen (wie Schwule und Migrantinnen) berücksichtigen.
Dabei ist es notwendig, ohne Tabus auch über Risiken bei nicht allgemein üblichen Sexualpraktiken aufzuklären.Ansteckungen lassen sich jedoch nicht hundertprozentig vermeiden. Deshalb fordern wir die Bundesregierung dazu auf, HIV-Infizierte nicht im Stich zu lassen.
Bei der Sozialhilfe und dem ALG II muss der Mehrbedarf von Menschen mit HIV und Aids berücksichtigt werden. Erwerbsunfähigkeits-Rentnerinnen und -Rentner haben keine Möglichkeit, auf die veränderte Rentenformel durch private Vorsorge zu reagieren. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, eine Lösung für dieses Problem zu entwickeln, um eine drohende Altersarmut zu verhindern.
Die Bundesregierung muss die rechtlichen Voraussetzungen für die kontrollierte Heroinvergabe an Schwerstabhängige in der Regelversorgung ermöglichen.
Die Union ignoriert mit ihrer Ablehnung des bundesweit erfolgreichen Modellprojektes die Bedürfnisse schwerkranker Menschen und setzt sie einer erhöhten HIV-Ansteckungsgefahr aus.
Weiterhin fordern wir in unserem Antrag „Gemeinsam gegen Aids - Verantwortung und Solidarität stärken“ die Situation von HIV-infizierten Frauen insbesondere bei der Forschung und der Unterstützung durch Netzwerke endlich zu berücksichtigen.
Flüchtlinge mit HIV/AIDS aus Ländern ohne Behandlungsmöglichkeiten sollen nicht dorthin abgeschoben werden und einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel erhalten.
HIV und Politik
Französische Forscher haben herausgefunden, dass sich das HI-Virus im Hodengewebe versteckt, das von den gebräuchlichen antiretroviralen Medikamenten nicht erreicht werden kann. Forscher der Universität von Rennes haben funktionstüchtiges Keimgewebe im Labor untersucht und dabei vor allem die Makrophagen (Fresszellen des Immunsystems) im Hodengewebe als Rückzugsort des Virus identifiziert. Dadurch könnten selbst Männer, deren Viruslast kaum messbar ist, ihre Partner bei ungeschütztem Sex anstecken. Die Wissenschaftler regten die Entwicklung von Medikamenten an, die gezielt gegen das Virus im Hoden vorgehen. Die Studie wurde im „American Journal of Pathology“ veröffentlicht.
 
Muslimische und christliche palästinensische Führer haben Israel vorgeworfen, durch eine „Verlotterung der Sitten“ Aids in die Autonomiegebiete einzuführen, berichtet „Ynet News“. Dadurch wolle der jüdische Staat Palästina schaden, so der höchste islamische Würdeträger der Palästinenser, Scheich Tajsir Tamimi, und der griechisch-orthodoxe Bischof Atalla Hanna bei einer Aids-Konferenz in Ramallah.
Als angebliche Mittel der Israelis zur Schwächung Palästinas nannten die Geistlichen unter anderem den Drogenhandel und die Förderung der Prostitution. Bischof Hanna führte ferner den CSD in Jerusalem als Teil der israelischen Verschwörung an: „Vor ein paar Wochen wollten die Israelis eine Parade sexueller Abweichler organisieren. Sie wollten für ihr Recht demonstrieren, sexuell und moralisch das zu tun, was sie wollen und unsere Werte und die Heiligkeit Jerusalems zu verletzen. Ausgerechnet in Jerusalem wollten diese Leute ihre Parade abhalten“, so Hanna.
Er zitierte einen palästinensischen Zeitungsartikel, wonach eine israelische HIV-positive Frau den Auftrag erhalten habe, junge Palästinenser zu infizieren. Gegen HIV gebe es nur ein Mittel: Den Glaube an Gott. Die zwei religiösen Vertreter sagten gleichzeitig, man dürfe an Aids erkrankte Menschen nicht diskriminieren. Schließlich sei nicht sicher, dass sich alle durch „unmoralische Akte“ angesteckt hätten. In Palästina sind bislang 80 HIV-Positive registriert.