Grußwort zur 64. LUST
Diese 64. LUST ist eindeutig schwulenlastig, was an und für sich gar nicht schlimm wäre, denn es handelt sich hier ja auch um eine Schwulenzeitschrift, wenn diese LUST-Ausgabe auch recht schön lesbenlastig wäre, denn es handelt sich hier ja auch um eine Lesbenzeitschrift. Aber, damit sieht es in dieser Ausgabe nicht so gut aus. Zwar sind die meisten Beiträge sowohl für Lesben und für Schwule in unserer gemeinsamen Szene interessant, aber in dieser Ausgabe fehlt der spezielle Lesbenkick, für den wir bekannt sind. Schreibende Lesben, wo seid ihr? In der nächsten Ausgabe, so hoffen wir, sind Lesben wieder etwas besser vertreten.
Die Druckerei in Frankfurt, mit der wir seit vielen Jahren gut zusammengearbeitet haben, die gibt es nicht mehr. Unsere Druckerei konnte die LUST nicht weiter bearbeiten und hat sie deshalb in der Druckerei Pollinger bearbeiten lassen. Und hier in der Druckerei Pollinger, die uns schon seit Jahren kennt, wird nun die LUST gedruckt. Natürlich ist das eine Umstellung, aber wir hoffen, dass alles gut klappt. Warum sollte es das auch nicht?
Weg vom Technischen, hin zum Inhalt. Wir müssen ja der CDU dankbar sein, dass sie uns so reichhaltig mit Themen versorgt. In der 63. LUST griffen wir das Stichwort „Deutsche Leitkultur“ auf, in dieser Ausgabe müssen wir auf die 68er Revolte eingehen, deren Kind die Lesben- und Schwulenbewegung in unserem Lande ist. Homosexuelle waren vorher Kriminelle. Und dass Lesben nicht genauso wie Schwule kriminalisiert waren, hatte damit zu tun, dass man Lesben ignorierte und damit nicht existent machen wollte.
Als die StudentInnen in den 50er Jahren gegen den Osten demonstrierten, bescheinigte man ihnen Freiheitswillen. Als sie dann gegen den Muff der 1.000 Jahre an den Universitäten demonstrierten, waren sie schlicht Kriminelle. Die Gesellschaft ist anders geworden, und unsere heutigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sind dank der 68er Revolte vergleichsweise harmlos. Niemand der heutigen Disco-Besucher macht sich klar, dass früher jegliche mann-männliche sexuelle Handlung ein Sexualdelikt war, ein liebender Homosexueller war also ein Sexualstraftäter, ein Krimineller. Die Kampagne der Union kokettiert mit dem Muff der 50er Jahre gegen erreichte Freiheiten.
Die seltsame Geschichte mit dem Kanzlersteckbrief kann ein Beleg dafür sein, dass wir noch viele Themen von der Union geliefert bekommen werden. Man hat den Anschein, dass den jungen Leuten in den Führungsetagen der Union jedes Maß verloren gegangen ist, wenn sie derart wild um sich schlagen.
Wie da eine kluge Politik für uns gemacht werden kann, darüber streitet man sich in unseren Reihen, was allerdings nichts Neues ist. Wir waren schon immer besser darin, uns gegenseitig Beine zu stellen, statt uns gegenseitig zu helfen. Rita von der Theatergruppe Transitiv meinte ca. 1980: „Wenn wir so lieben könnten, wie wir hassen ...“ Es ist immer leicht, einen politischen Ansatz zu kritisieren, nur besser machen, das können die Kritiker dann weit weniger. Dennoch ist angesichts des Verhaltens der Union der Slogan, den wir beim LSVD Saar entdeckten, dann doch schon recht putzig: „Müller, Merkel und Merz, habt ein Herz, jetzt eine gute Tat, JA im Bundesrat.“
In dieser LUST zitieren wir aus einem Buch, das wir rezensieren, einige Aussagen von Simone de Beauvoir, der großen Vordenkerin der Frauenbewegung. Sie meint hier, dass die Form, wie sie mit Sartre zusammenlebte, ein Schritt in die Mündigkeit darstelle. Sie wohnten nicht zusammen und trafen sich, wenn sie es wollten. Sie wollten kein Wohneigentum, keine Ehe, und die Frau sei erst endgültig frei, wenn die Kinder aus der Vormundschaft der Erwachsenen befreit wären. Ganz andere Vorstellungen über Beziehungen und das Zusammenleben kann man bei der LeserInnenbrieftante in der Queer (Queer Magazin, Febr. 2001, S. 11) lesen: Claudia, 35, schreibt, dass sie eine Beziehung zu einer 25 Jahre älteren Frau habe. Die Liebe sei sehr intensiv, doch leider sehe man sich nur am Wochenende. Die Freundin meine, dass auf diese Weise die Liebe niemals alltäglich und gewöhnlich werden könne. Sie wolle auch ohne Claudias Kinder mit ihr im Sommer in Urlaub fahren. Aber Claudia sehne sich nach einem richtigen Familienleben. Tina Sengewisch antwortet: Die Freundin sei ziemlich egoistisch, wenn Claudia unter diesen Umständen an Trennung denke, dann sei das gut so. Die Freundin wolle sich nur die Rosinen aus dem Beziehungskuchen holen, aber keine Pflichten übernehmen. Die Kinder würden wie immer die Leidtragenden sein. Die Kinder wären sicherlich glücklicher, wenn sie in einer harmonischen stabilen Beziehung leben würden, in der sie auch einen festen Platz hätten.
So ändern sich die Vorstellungen über ein glückliches Leben. Gegen ein selbstbestimmtes und doch nicht einsames Leben wird die Pampe von einer Idylle gesetzt, die in den 50er Jahren die Frauen an den Herd fesseln sollte. Die Ratgeberin, so lesen wir, hat vier Jahre lang in einer „klassischen Frauenzeitschrift“ den Kummerkasten geleert. In ihrem Freundeskreis sei sie als Beraterin für schwierige Lebensfragen beliebt. Nun ja.
Lasst euch nicht in einer Sauna fotografieren (siehe S. 21) und genießt die Fastnachtstage, vielleicht einmal ohne den Konsum allzuvieler Stimmungsmacher (siehe S. 22.
Wir würden uns wirklich sehr freuen, wenn unser Aufruf nach Unterstützung beim Abo-Sammeln einigen Erfolg bringen würde, denn die Abos sind das Rückgrat unseres Vertriebes.

Es grüßt Euch, auch im Auftrag der der anderen Lüstlinge Euer

Joachim von der LUST