Grußwort zur 69. LUST
 
Hi, da sieht man sich wieder. In dieser LUST findet Ihr so eine richtige Mischung zur Jahreszeit: Mitgefühl mit dem Alter und Sex, warme Worte (über Humanismus und Ethik) und Politik (über das Gewissen der Abgeordneten). Ach ja, und am Jahresanfang ist eine Art Jahresrückblick wohl obligatorisch. Aber in der Themenmischung spiegelt sich auch ein wenig der Zeitgeist wieder, am Beginn des Jahres 2002. Wir schauen auf das vergangene Jahr zurück und erkennen, dass sich alles verschlimmbessert hat. Und damit Ihr nicht mit dem zurückblickt, was Ihr im Grunde schon alle wisst, habe wir auch Auskünfte über das nächste Jahr eingeholt. Aber zuerst einmal:
 
Was war also los im Jahre 2001?
Januar:
Erinnert Ihr Euch noch? Dieses Silvester war nicht so toll wie im Jahr vorher, obwohl es doch die eigentliche Jahrhundert- und Jahrtausendwende war. Aber man kann ja nicht in jedem Jahr jahrhundert-wenden. Im Januar ist endlich klar, wer in den USA Präsident wird: Bush, der Mann mit den wenigeren WählerInnen oder Gor, der Mann mit den wenigeren Wahlmännern. Man sorgt sich um BSE und Landwirtschaftsminister Funke und Gesundheitsministerin Fischer sind angeschlagen. Es findet ein MinisterInnenwechsel statt. Frau Kühnast will die Öko-Landwirtschaft stärken. Frau Schmidt will die Konfrontation mit der Pharma-Industrie und den Ärzte-Verbänden beenden. Bei der Bundeswehr bereitet man sich nach dem Urteil das Verfassungsgerichtes auf die Frauen vor. Westerwelle beerbt Gerhard. Die Anti-Ökosteuer-Kampagne der Union versandet. Der Spiegel tituliert in seinem Rückblick auf das Jahr 2000 ”Das Jahr der Nullen”. Außenminister Fischer wird von der Union wegen seiner 68er Vergangenheit attackiert. CDU-Generalsekretär Meyer präsentiert ein Plakat mit Kanzler Schröder als Kriminellen auf Polizeifotos. Sharping gerät wegen Uranmunition unter Druck und wird ”Minister für Selbstverteidigung” genannt. Im Dezember hat Liechtenstein alle Sondergesetze gegen homosexulle Menschen abgeschafft. In Deutschland wird gefordert, dass Bundespräsient Rau das im November vom Bundestag verabschiedete Partnerschaftsgesetz endlich unterzeichnet.
 
Februar: Bild fälscht ein Foto von Trittin. Aus dem Wahlkampf in Israel geht Sharons als Sieger hervor. Die Staatsanwaltschaft in Bonn stellt die Ermittlungsverfahren gegen Kohl und diverse Mitarbeiter ein. In Berlin zeichnet sich ein Bankenskandal mit riesigen Schulden ab, die das Land übernehmen muss, was den Staatshaushalt sprengen könnte. Bundespräsident Rau hat das Partnetschaftsgesetz unterzeichnet, das ab 1. August in Kraft treten kann.
 
März: Die ersten Rekrutinnen rücken bei der Bundeswehr ein. Die Taliban sprengen eine alte Buddha-Statue in Afghanistan. Der Wahlkampf in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz wird von der Union mit nationalistischen Parolen geführt. Man muss jetzt stolz sein, ein Deutscher zu sein. Die USA steigen aus dem Klimaschutz aus. Die Maul- und Klauenseuche löst in den Medien BSE ab. Im Riester-Ministerium arbeitet man an einer privaten Zusatzrente. Bayern und Thüringen legen Verfasungsklage gegen das Prtnerschaftsgesetz ein, das nanch Ansichte der CSU/CDU-Regierungen verfassungswidri sei, denn lt. Verfasung stünden Ehe und Familie unter besondren Schutz der Staates, und dieser besondere Schutz sei durch das Gesetz gefährdet.

April: In Berlin zeichnet sich ein Finanzskandal um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Landowsky ab. Die Wirtschaftsflaute in Deutschland sei nur eine Delle im Aufschwung, meint der Kanzler. USA drohen China militärisch, um die Herausgabe eines amerikanischen Spionageflugzeugs zu erzwingen. Der ehemalige Jugoslawische Ministerpräsident Milosevic wird in Belgrad verhaftet. Der frühere Schatzmeister der CDU Walter Leisler Kiep fand zufällig eine Million Mark auf einem seiner privaten Konten und überwies sie an die Union. Das sollte mir mal passieren, dass ich zufällig ne Million finden würde, die CDU bekäme die aber nicht. In den Niederlanden ist die normale Ehe für homosexuelle Partnerschaften geöffnet worden.
 
Mai: Der Spiegel berichtet von der Nessi-Suche. Union will der Rentenreform nicht zustimmen. Innenminister Schily will eine Gesetzesänderung, um islamistische Organisationen verbieten zu können. Die Arbeitslosigkeit nimmt besonders im Osten nicht ab, und der Kanzler meint, dass es kein recht auf Faulheit gebe. In einer Koalition mit Rechtspopulisten (Nazis?) und (Ex?)Nazis gewinnt Berlusconi die Wahl in Italien. Gegen den gescheiterten CDU-Kandidat für Rheinland-Pfalz Böhr (ich bin stolz, ein Deutscher zu sein) ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue eingeleitet worden. In den Innenbehörden werden Komputerprogramme zur Gesichtserkennung installiert, Grund: um Asylbetrug zu bekämpfen. In Berlin ist der regierende Bürgermeister Diepgen unter Druck. Der Spiegel schreibt über den Islam und benennt Bin Ladin als bedrohlichen Fanatiker. Das Land Bayern beantragt eine einstweilige Anordnung gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz vor dem Bundesverfasungsgericht. Es solle (am 1. August) nicht in Kraft treten, bevor die Verfassungsmäßigkeit nicht überprüft sei.
 
Juni: Mit Hilfe der PDS stürzen SPD und Grüne Diepgen und wählen Wowereit zum regierenden Bürgermeister. In Paris wird ein offen schwuler Sozialist zum Bürgermeister gewählt. In Nepal wird die Königsfamilie ermordet. In Hamburg bereitet sich der rechte ”Richter Gnadenlos” mit seiner ”Rechtsstaatliche(n) Offensive” auf die Bürgerschaftswahl vor. Milosevic wird an das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag ausgeliefert. Im Entwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes soll Arbeitgebern untersagt werden homosexuelle Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren.
 
Juli: Feldbusch gegen Schwarzer in der Kerner-Show. Der Berliner CDU-Kandidat Steffel versteckt sich vor Eier-Werfern hinter Stoiber. In Genua treffen sich die selbsternannten ”Staatsoberhäupter der 8 wichtigsten Staaten”, völlig abgeschirmt vor Globalisierungs-GegnerInnen, und eine aus dem Ruder gelaufene rechts aufgeheizte Polizei zeigt, was eine rechts geführte Polizei vermag. In Mazedonien versuchen von den USA unterstützte moslemische Albaner (die UCK) einen Teil des Staatsgebietes abzutrennen. Das Bundesverfassungsgericht lehnt den bayerischen Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetz ab, da durch dieses Gesetz Nachteile für die Ehe nicht zu befürchten seien. Nun muss noch über den Antrag von Bayern und Thüringen entschieden werden, ob das Gesetz verfassungswiedrig sei.
 
August: Seit 1. August können lesbische und schwule Paare heiraten. Wo dies geschieht, ist den Ländern überlassen. Die Steuer-Vorteile, die Ehepaare genießen, müssen noch im Bundesrat verabschiedet werden, aber die CDU lehnt eine Zustimmung grundsätzlich ab. In Afghanistan werden Mitarbeiter von Shelter Now International wegen ”christlicher Missionierung” verhaftet. Die Bundeswehr wird nach Mazedonien geschickt, um bei der freiwilligen Entwaffnung der UCK die Waffen einzusammeln. Verteidigungsminister Scharping badet vor der Presse mit seiner neuen Geliebten, was sich aus irgendeinem Grund nicht gehören soll, meint die Presse. Die Wirtschaft in der USA wackelt, mit ihr wackelt die Wirtschaft in Deutschland. Die “Homo-Ehe” ist in Kraft, der Andrang hält sich in Grenzen.
 
September: Am 11. September rasen zwei entführte Flugzeuge in die beiden Türme des Welt-Handels-Zentrums in New Yorck und explodieren dort. Die Türme stürzen in sich zusammen und begraben Tausende Menschen unter sich. Ein entführtes Flugzeug stürzt auf das Pentagon in Washington und ein entführtes Flugzeug stürzt unter ungeklärten Umständen ab. Präsident Bush beschuldigt Bin Ladins Al Quaida- Netzwerk der Anschläge und Kanzler Schröder versichert ihn der ”uneingeschränkten Solidarität”. Unmittelbar vor den Wahlen in Hamburg wird in den Mdien dargestellt, dass die vermeindlichen Attentäter von New Yorck in Hamburg gewohnt haben. Laut Umfrage sind 74% der Bevölkerung bereit, für mehr Sicherheit starke Einschränkungen hinzunehmen. Präsident Bush bereitet sich auf einen “langjährigen Krieg gegen den Terror” vor. Im Innenministerium wird über bessere Sicherheitsgesetze geredet. Union und FDP stimmen zu, wollen aber nicht, dass die Konten mit überprüft werden. Bayern verezögert “Homo-Ehe”, da bayrische Gestze dazu noch nicht in Kraft sind.
 
Oktober: Die CDU hat in Hamburg große Einbußen erlitten, sie erhält nur noch 26,2%, die FDP nur 5,1% und Schill hat aus dem Stand 19,4%, das ist zusammen 50,7% und das Aus für RotGrün (SPD XX und Grüne 8,5%). Der Wahlverlierer Ole von Beust, CDU, wird zusammen mit der FDP und Schill regierender Bürgermeister in Hamburg. Auf der Buchmesse Frankfurt hält der Friedenspreisträger Jürgen Habermas eine wichtige Rede, die sich positiv von den Reden seiner VorgängerInnen abhebt. In den USA werden Milzbranderreger mit der Post versandt. Sie finden ihre Opfer. Es wird spekuliert, dass diese Bio-Anschläge von rechten US-Terroristen stammen. Im Großen und ganzen wird aber so getan, dass die Täter islamische Terroristen seien. Das zweite Anti-Terror-Paket ist in Deutschland geschnürt. Hier wird ein neuer Personalusweis vorgestellt, in dem die Gesichtskonturen für Komputererkennung vorkommen. In Berlin versucht Scheffel (CDU) die Homosexualität von Volvereit für sich zu nutzen. Es siegen jedoch SPD und vor allem PDS. Volvereit setzt auf die Ampel.
 
November: Der vorgesehene Bundeswehreinsatz bringt die Koalition ins Schlingern und die ehemalige grüne Pazifistenpartei an den Rand ihrer Existenz. Durch die Vertrauensfrange zwingt Schröder seine eigene Partei und die Grünen zur Zustimmung für einen Einsatz der Bundswehr in Afghanistan. Wie in Norwegen droht auch in Dänermark eine rechte Koalition aus Nationalisten und bürgerlich-Konservtiven. In Dänemark entsteht durch die Wahlen eine Regierung zwischen den Rechtsliberalen, der rechtspopulistischen Volkspartei und der konservativen Volkspartei.
 
Dezember: Auch Italiens Berlusconi stimmt gemeinsamen europäischen Sicherheitsstandarts zu, allerdings lehnt er die europäische Verfolgung von Korruption und Finanzbetrug ab. Die FDP in Berlin gibt Rot und Grün mit ihren Forderungen keine Chance und belegt wie in Hamburg, dass sie an einer Ampel nicht interesssiert ist, sondern auf CDU und weiter rechts setzt. Wird da die Bundestagswahl vorbereitet (CDU, FDP und bundesweite Schill-Partei?) Es gibt nur Verhandlungen zwischen SPD und PDS.
 
Wie gehts weiter?
Euch hat sicherlich erstaunt, dass Ihr eine 3-Monats-Ausgabe vorliegen habt, also die Winter-LUST 01/02. Unser beharrliches Werben nach MitarbeiterInnen war nicht so sehr erfolgreich. Ja, wenn wir in Berlin leben würden oder Köln, dann hätten wir hier eine so breite Szene, dass wir sicherlich gute Leute finden könnten, die auch Zeit mitbringen würden, wenn man sie braucht. Aber wir wollten ja auch nicht jede(n), sondern Leute mit dem gleichen Engagement wie wir. Und ob es die in diesen Städten gibt?
Wie Ihr ja wisst, ist die LUST ein engagiertes Blatt, hergestellt von berufstätigen Lesben und Schwulen, und zwar zum Feierabend hergestellt, der immer knapper wird. Es war zweimonatlich nicht mehr zu schaffen, den Organisationsapparat (Versand, Vertrieb, Druck, Finanzierung, Werbung usw.) aufrecht zu erhalten, den journalistische Bereich (Material sammeln und auswerten, recherchieren und werten, Bücher und CDs lesen und hören und beurteilen, eventuelle Interviews durchführen usw.) und die technische Abwickung durchführen (Artikel schreiben und überarbeiten, das Lay-ot gestalten usw.) und schließlich noch die Stimmung unter den MitarbeiterInnen pflegen. Also wird es die LUST nun 2 1/2 Jahre lang dreimonatlich geben, vier mal im Jahr. Das ist die Zeit, in der Joachim noch berufstätig sein wird.
Ihr erhaltet also nun eine Winterausgabe (Dezember/Janua/Februar), eine Frühlingsausgabe (März/April/Mai), eine Sommerausgabe (Juni/Juli/August), und eine Herbstausgabe (September/Oktober/November). Wenn der vorhandene Plat nicht reicht, dann machen wir einfach 4 Seite mehr, oder sogar 8 Seiten.
Der Preis für die LUST wird sich nach der Euro-Einführung leicht reduzieren, denn wir verlangen nicht statt der 6 DM nun nicht 3 Euro und 20 Cent oder so, sondern einfach 3 Euro. Die Abos laufen wie bisher weiter, die AbonnentInnen erhalten für 15 Euro 6 Exemplare. Dabei haben sie dann eine Zeitschrift mehr fürs Geld, als wenn sie die einzeln am Kiosk kaufen würden. Und 15 Euro sind nun auch nicht die Welt. Also: Ihr könnt Euch die LUST durchaus leisten. Oder?
Ihr seid gut ins Jahr 2002 gekommen, nehme ich mal an, seid noch etwas unsicher mit dem Euro und hofft, dass es bald mal wieder etwas wärmer wird.
We grüßt Euch herzlich
auch im Namen der anderen Lüstlinge
Euer
Joachim von der LUST