- 65. LUST, April/Mai 01
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- Bücher
Die Leipziger Buchmesse ist vorbei. Leider berichten die
Medien nur sehr sporadisch über dieses Ereignis, das literarischer
sein soll als die Buchmesse in Frankfurt, die einen kommerzielleren
Ruf hat. Man kann als berufstätiger Mensch nicht überall
hinreisen, wohin man will. Die deutsche Literatur, heißt
es aus Leipzig, gerate in den USA in den Hintergrund. Nun, meine
ich, das ist doch kein schlechter Ort für das, was zur Zeit
als deutsche Literatur auftritt. Während die amerikanische
Literatur hier auf dem Vormarsch sein soll. Ist das nun gut oder
schlecht?
- Wenn immer mehr Übersetzungen amerikanischer SchriftstellerInnen
hier verkauft werden, dann scheint der heimischen Literatur möglicherweise
etwas zu fehlen. Amerika hat nämlich trotz absoluter Hinwendung
zum Kommerziellen seine literarischen Winkel, in denen Ansprechendes
zu finden ist. Das liegt vielleicht zum Teil auch daran, dass
der englische Sprachraum deutlich größer ist als der
deutsche. Da sind auch literarische Minderheiten noch ein Markt.
Bei dem neoliberalen Trend überall, versetzt mit neonationalen
Elementen, was soll da literarisch an Neuem entstehen? Außerdem
fehlt es hier an jeglicher Literaturförderung. Der Schulaufsatz
ist wohl das einzige, was heutzutage Jugendliche mit Literatur
verbindet, und das literarische Quartett isr ja aich
nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Zeit ist nicht gut für
Literatur, hier im Lande.
Bei guten Gedanken kommt es nicht darauf an, in welchem Land
sie formuliert wurden. Die Literatur ist international, und wir
LeserInnen haben es zumindest zur Zeit noch nicht nötig,
eine rückwärtsgewandte deutsche Literatur lesen zu
müssen, weil sie in diesem Lande entstand, auf die wir dann
auch noch stolz sein müssten. Noch steht uns die Welt offen.
Und noch gibt es in den Randbereichen das eine oder andere zu
entdecken.
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- Lebenswelten - Die Vielfalt der Geschlechter
Dass es nur zwei Geschlechter gibt, scheint eine gesellschaftspolitische
Entwicklung unserer Tage zu sein. Die Geschlechtsidentität
ist nicht identisch mit den Geschlechtsorganen. Es gibt unzählige
Variationen von Formen des Zusammenlebens. Die Herausgeberin
J.H. Röll hat in diesem Band Texte zu diesem Thema gesammelt.
Das Buch ist mit Unterstützung des Kulturamtes der Stadt
Würzburg entstanden, sowie verschiedenen Gruppen, Initiativen,
Kultureinrichtungen und Firmen der Stadt Würzburg. 138 Seiten
zu 19,80 DM, ISBN 3-89754-164-5
Sabine Steinbach beschreibt 2000 Jahre Lebensgemeinschaften
Ein kulturgeschichtlicher Überblick auf 19
Seiten. Dass man da nur einen Überblick erhalten kann, versteht
sich von selbst. So finden wir hier eine Abhandlung Vom
Mutterrecht zum Patriarchat, über das christliche
Eheverständnis, das Geschlechterverhältnis im Alten
Ägypten, Ehe und Sexualität im antiken Athen und im
antiken Rom. Bei Athen stolperte ich über das Wort Päderastie
und lese: ... umschreibt im heutigen Sprachgebrauch die
sexuelle Anziehung, die ein unentwickeltes Kind auf einen Erwachsenen
ausübt. Für die Griechen vom frühen 6. Bis zum
frühen 4. Jahrhundert v.Chr. bedeutete sie die Liebe eines
erwachsenen Mannes zu einem Knaben, dessen Alter zwischen Pubertät
und Reife (?) lag. (...) Ein Knabe wurde nach Beendigung der
üblichen Schulausbildung in die Betreuung eines älteren
Mannes zwischen 30 und 40 Jahren gegeben, ... deren einziges
Ziel die moralische Vervollkommnung des Geliebten lag. (...)
Die geistige Verbindung der Partner und Sexualität spielten
in den verschiedensten Ausprägungen und Gewichtungen eine
Rolle. ( ... ) Sappho war Leiterin einer Akademie für junge
Mädchen und eine Dichterin ...das Phänomen des sapphischen
Eros lässt sich analog der Päderastie nicht von seinem
erzieherischen Aspekt trennen. Die jungen Mädchen, die die
Dichterin um sich scharte, wurden in einer erotisch-pädagogischen
Lebensgemeinschaft auf die zukünftige Erwachsenenrolle vorbereitet,
wozu neben der Unterrichtung in Kultur und musischen Künsten
auch die sexuelle Initiation gehörte. (S. 17/18) Hier
finden wir auch die Beschreibung von Poygynie (Polygamie)
ein Mann lebt mit mehreren Frauen zusammen - und Polyandrie
eine Frau lebt mit mehreren Männern zusammen - sowie Gyaegamie,
mehrere Frauen leben zusammen (heiraten sich), was nichts mit
Homosexualität zu tun haben soll.
Christa Spannbauer beschreibt in Die Inszenierung der Geschlechter
die Vielzahl von Geschlechtsrollenverhalten, wobei die gesellschaftlich-kulturelle
Polarisierung von Frauen und Männern, die zudem noch hierarchisiert
ist, nur eine von vielen Formen darstellt. So gibt es zum Beispiel
in Kenia und Nigeria die Möglichkeit des Geschlechtswechselns,
wo zum Beispiel eine Tochter zum Mann erklärt wird, Frauen
heiraten kann und das Land des Vaters erben wird. Die biologischen
Unterschiede zwischen Frau und Mann wurden in vielen Kulturen
als graduell angesehen, Kleidung und Verhaltensweisen definierten
dann näher das Geschlecht. Im Abschnitt Die Erfindung
der Perversionen schreibt sie: Von der zeitgenössischen
Biologie wird mittlerweile auf die grundlegende Ähnlichkeit
weiblicher und männlicher Körper hingewiesen. Aus deren
Sicht zeigen sich die Geschlechter weniger als zwei getrennte
Kategorien, sondern vielmehr als Abstufungen eines ineinander
übergehenden und sich überlappenden Kontinuums. (...)
In der gegenwärtigen chirurgischen Praxis, intersexuelle
Menschen (Hermaphroditen) nach der Geburt in die Zweigeschlechtlichkeit
hineinzuoperieren, erblickt Anne Fausto-Sterling die radikale
und bewusste Auslöschung dessen, was der Ideologie der Zweigeschlechtlichkeit
zuwiderläuft .... (S. 37/38)
Unter dem Titel Fremd und Eigen beschreibt Virginie
Lacroix, wie Lesben gesehen werden und wie sie sich selbst
sehen. Im historischen Teil ihres Aufsatzes lesen wir:
Phallusfreie Sexualität blieb undenkbar und fiel unter
die Kategorie Masturbation, welche dann zur Blähung der
Klitoris, Frigidität, Rückenschmerzen, Nymphomanie,
Unfruchtbarkeit führte, so die Meinung der führenden
Mediziner der Zeit. Die Ambivalenz der Strafbarkeit einerseits
und die Tolerierung andererseits ist nur scheinbar. Einerseits
gab man sich einen Rückhalt im Namen der Sünde und
bestrafte offiziell, was nicht zur postulierten Natürlichkeit
der heterosexuellen Beziehung passte, und andererseits musste
man sich nicht vor lesbischen Frauen fürchten, weil sie
keineswegs ein System in Frage stellten, sondern nur eine besonders
reizvolle Variante des heterosexuellen Liebesspieles bildeten.
(S. 50).
(K)Eine schwule Welt nennt Klaus Waigand seinen Aufsatz,
in dem auch er erst einmal die Geschichte der Schwulenunterdrückung
zusammenträgt. Dann kommt er auf das Diskussionsthema unserer
Tage zu sprechen: Doch wenn die Homo-Ehe in welcher
Form auch immer eingeführt wird, wird es zu einem
Aha-Erlebnis kommen. Dann nämlich werden alle merken, dass
die überwiegende Mehrheit der Schwulen und Lesben gar keinen
Gebrauch von dem Angebot machen wird. Denn beinahe die Hälfte
aller Schwulen und Lesben leben allein, und braucht die Ehe nicht.
Ein sehr großer Teil der anderen will sie nicht. Es erleichtert
die Argumentation der Schwulenbewegung ungemein, wenn sie sagt,
Homosexuelle seien genauso wie Heterosexuelle, sie würden
lediglich ihren Partner nicht beim anderen Geschlecht finden,
sondern beim eigenen. Das mag in vielerlei Hinsicht stimmen,
nicht aber bei Sexualität und Beziehung. Während immer
wieder die Homo-Ehe gepredigt wird, leben die meisten Schwulen
weiterhin promisk. (S. 81) Daraus leitet er ab, dass es
eher Einrichtungen für alleinstehende Schwulen geben müsste,
ganz besonders im Alter. Er kritisiert die Politik der LSVD,
nachdem er dessen Geschichte beschreibt und kritisiert dessen
Intention, die sittenbildenden Kraft der Ehe zu stärken.
Schließlich macht er sich für den Solidaritäts-Pakt
stark, der in Frankreich für alle Lebensformen einschließlich
für Lesben und Schwule entstanden ist.
Petra Zaus untersucht die Geschlechtlichkeit in literarischen
Zirkeln, und Gerda Pagel stellt Alternatives Leben
am Beispiel des Freistaates Christiana in Kopenhagen dar.
Wer zu unserer Szene gehört, ganz besonders wer zur LUST-LeserInnenschaft
gehört und dieses Buch nicht liest, der/dem ist nicht zu
helfen. (js)
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- Hannes Steinert - Linoldrucke
20 Linoldrucke findet der Betrachter des im Verlag rosa Winkel
erschienenen Bandes. Er kostet 16,80 DM, ISBN 3-86149-101-X
Sie sehen aus wie griechische Vasenbilder. Was mir ins Auge fällt
sind die halbsteifen Schwänze. Liegt das an mir oder an
den den Linolschnitten? Meine Beschriebung wird Euch nicht viel
sagen, deshalb sind auf dier gegenüberliegenden Seite einige
von ihnen, aber in schwarzweiß, abgebildet. (js)
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- Der Seiltänzer
ist ein Gedicht von Jean Genet. Dieses Gedicht ist, in einem
kleinen Bändchen veröffentlicht, vom Merlin Verlag
herausgegeben worden, übersetzt von Manon Grisebach mit
Vignetten von Alexander Camaro. Das schmucke Bändchen hat
48 Seiten und kostet 28 DM. ISBN 3-926112-45-X
Genet richtet sich voller Bewunderung in seinem Gedicht an den
Seiltänzer in einem Zirkus, indem er ihm vorschlägt,
was er zu denken und empfinden habe, wie er sich bewegen, wie
er sich kleiden und schminken soll. Aus dem Zusammenhang:
Manche Tierbändiger wenden Gewalt an. Du kannst versuchen,
Dein Seil zu bändigen. Aber nimm Dich in acht. Das Eisenteil
liebt Blut wie der Panter und wie das Volk, von dem man es sagt.
Versuche also eher, es zu zähmen.
Eim Schmied - aber nur ein Schmied mit grauem Schnusbart und
breiten Schultern kann sich ein derartiges Zartgefühl erlauben
- grüßt jeden Morgen seine Geliebte, einen Amboß:
Na, meine Schöne!
Am Abend, nachbeendeter Tagesarbeit liebkoste ihn seine männliche
Pranke. Der Amboß war dafür empfänglich, und
der Schmied kannte seine Gefühle. (S. 7)
Er schreibt, dass der Seiltänzer ein Toter ist, wnn er das
Seil betritt. Noch eine Kostprobe?
Wie Du geschminkt sein sollst? Maßlos. Übertrieben.
Die Augen bis zu den Haaren verlängert. Deine Fingernägel
farbig lackiert. Wer, wenn er normal und bei Verstand ist, geht
schon auf einem Seil oder drückt sich in Versen aus? Das
ist zu verrückt. Mann oder Frau? Auf alle Fälle Ungeheuer.
Eher soll man das Absonderliche eines derartigen Geschehens vertiefen,
die Schminke wird es wieder mildern: es ist tatsächlich
weit verständlicher, daß ein vergoldetes, bemaltes,
kurz ein außergewöhnliches Wesen dort ohne Gleichgewichtsstange
einhergeht, während die Flicksachuster oder die Notare nie
auf die Idee kämen, da hinaufzusteigen. (S. 21)
Noch eine Probe? Und Dein Kostüm? Keusch und aufreizend
zugleich. Das im Zirkus üblich enganliegende Trikot aus
rotem Jersey, blutig rot. Es lässt genau Deine Muskulatur
sehen, es paßt sich Dir eng an wie ein Handschuh, aber
vom Kragen - die Öffnung ist rund, ganz genau ausgeschnitten,
so als ob der Henker Dich diesen Abend enthaupten sollte - vom
Krahgen hinunter zu Deiner Hüfte hängt eine Schärpe,
der Gürtel, der Kragenrand, die Bänder unterhalb der
Knie sind mit Goldpailletten bestickt. Ohne Zweifel damit Du
funkelst, aber vor allem, damit Du in den Sägespänen
auf dem Wege von Deiner Garderobe zur Meanege einige schlecht
angenähte Pailetten verliertst, diese Anmutigen Zeichen
des Zirkus. Untertags, wenn Du zum Kaufmann gehst, fällt
eine davon aus Deinem Haar. Vom Schweiß bleibt eine auf
Deiner Schulter haften. Die Wölbung, die sich reliefartig
auf dem Trikot abzeichnet, dort, wo Deine Hoden sind, wird mit
einem goldenen Drachen bestickt. (S. 25)
Der Tod, schrieb ich, durchzieht das Gedicht:
Wenn Du stürzt, wird man Dir eine ganz gewöhnliche
Trauerrede halten. Eine Lache aus Gold und Blut, eine Pfütze,
in der untergehenden Sonne ... Du mußt nichts anderes erwarten.
Der Zirkus besteht aus Gewöhnlichem. (S. 27)
Das Gedicht endet dann mit folgender Strophe:
All diese Ratschläge, die ich Dir gebe, sind vergeblich
und töricht. Niemand wird sie befolgen können. Aber
ich wollte nichts anderes als: Bei Gelegenheit Deiner Kunst ein
Gedicht schreiben, dessen Inhalt Dir in die Wangen steigt. Es
handelt sich darum, Dich zu entflammen, nicht Dich zu lehren.
S. 47)
Konnte ich Euch, lieber LeserInnen der LUST, auf dieses Büchlein
neugierig machen? Wenns noch nicht reicht, dann kann das vielleicht
der Klappentext des Verlages: Jean Genet (1910 - 1086),
der wahrscheinlich bedeutenste zeitgenösische Dichter Frankreichs,
verdankt seinen Ruhm nicht zuletzt der Unbedingtheit seines ethischen
Anspruchs. Seine in diesem Prosagedicht an den Seiltänzer
gegebenen Ratschläge gelten der Verpflichtung des Künstlers,
sich selbst das Äußerste abzuverlangen, um in der
Kunst zu verwirklichen, was in der Realität des Lebens nicht
zu erreichen ist. (js)
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- Briefe an Roger Blin
sind Anweisungen von Jean Genet an den Regisseur Roger Blin.
Hier geht es besonders um sein Algerienstück Die Wände
anlässlich seiner Pariser Inszenierung durch Roger Blin.
100 Seiten, ISBN 3-926112-53-0
Was in der Buchbesprechung oben über die Intentionvon Genet
ausgesagt wird, zeigt sich hier überdeutlich. Die Texte
lassen keinen Zweifel über den hohen Anspruch, den
Genet an sich selbst, an den Regisseur, an die Schauspieler,
an alle künstlerische Arbeit, aber auch an das Publikum
stellt. (Klappentext)
Man findet hier nicht nur Texte an Blin, sondern auch an Pauvert,
nicht nur über Die Wände, sondern auch
über Die Zofen, Der Balkon, Die
Neger. Wir finden hier Vowörter, die in einem Zusammenhang
zum Thema zu verstehen sind, und vor allem Aussagen zum Theater.
In seinen Regieanweisungen verlangt er von den Schauspielern,
nicht sich zu inszenieren, sondern das zu sein, wozu sie auf
der Bühne stehen. Dabei wird er bisweilen ausfallend:
Die Wände: Die Schauspieler, die die Araber spielen,
könnten, wenn sie nicht zu faul sind, mit etwas Geschick
ihre Haare bearbeiten, sie entweder in Locken pressen oder mit
Öl oder Teer beschmieren, usw. Es gibt viele Möglichkeiten,
die Haare eines Jugendlichen ausdrucksvoll zu frisieren, aber
verdammt, werden diese Jungen sich dazu bringen lasen, vor dem
Spiegel nicht wie Gigolos, sondern wie Schauspieler zu arbeiten?
(S. 45)
Die Zofen: Ihr Auge ist rein, sehr rein, denn jeden Abend
masturbieren sie und leeren ihren Haß auf die gnädige
Frau bis zur Neige ineinander aus. Sie fassen die Gegenstände
auf der Bühne so an, wie man sich angeblich ein junges Mädchen
beim Pflücken eines Blütenzweiges vorstellt. Ihr Taint
ist bleich, von eigenem Reiz. Sie sind also verblüht, aber
mit Eleganz! Sie sind nicht verfault. Dennoch muß die Fäulnis
zum Vorschein kommen: weniger dann, wenn sie ihre Wut ausspeien,
als in ihren Zärtlichkeitsanwandslungen. Die Schauspielerinnen
dürfen nicht mit ihrer natürlichen Erotik auf die Bühne
gehen, nicht die Damen im Kino nachahmen. Die individuelle Erotik
im Theater geht auf Kosten der Darstellung. Die Schauspielerinnen
werden also gebeten, wie die Griechen sagen, nicht ihre Möse
auf den Tisch zu legen. (S. 64)
Mit diesen Anweisungen und anderen Kommentaren zu den verschiedenen
Iszenierungen versucht Genet, Einfluss zu nehmen, damit das Theater
so wird, wie die Bedeutungt, die er ihm zuschreibt. Er diskutiert
die Rolle des Theaters im Gegensatz zur Rolle der Unterhaltungsmedien.
Wer daran Interesse hat, ist eingeladen, in Genes Theater einzusteigen,
das seinen Platz auf oder neben einem Friedhof haben müsste,
wie er schreibt. (js)
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- Die Verfolgung der Homosexuellen in der NS-Zeit
Heißt ein Band von Rainer Hoffschild, der den Untertitel
Zahlen und Schicksale aus Norddeutschland hat. Der
Verlag rosa Winkel hat das Verdienst, dazu beizutragen, dass
ein Teil unserer Geschichte vor der Gefahr des Vergessenwerdens
gerettet werden konnte. ISBN 3-86149-096-X, 198 Seiten zu 29,80
DM.
Neu für mich war, dass das KZ für Häftlinge galt,
die in Schutzhaft genommen wurden, also nicht um
strafrechtlich Verfolgte. Und so lese ich bei der Beschreibung
der Einzelfälle, dass auch Männer eingeliefert wurden,
die von SA oder SS einfach festgehalten und dort ohne ein Urteil
eingesperrt wurden. Manchen wurde sogar attestiert, dass man
ihnen keine Straftat nach § 175 StGB nachweisen konnte,
man aber die deutsche Jugend vor ihnen schützen
wollte, weil sie solche Straftaten begehen könnten.
Wir finden hier nach grundsätzlichen Informationen zum §
175 RStGB und dem Umgang mit Homosexuellen Beschreibungen des
Schicksals der Häftlinge in den einzelnen Konzentrationslagern.
Wie man sich die Behandlung in den Emslagern wünschte,
zeigt das Schreiben des Dr. Eichler aus dem Reichsjustizministerium
an den Reichsführer SS Heinrich Himmler aus
dem Jahr 1939. Normalerweise sollten Homosexuelle in Einzelhaftr
isoliert werden, aber: So weit es ... zur Außenarbeit
... kommt, ist neuerdings im Interesse der heilsamen Heranziehung
der Homosexuellen zu schwerer Arbeit im Freien eine unschädliche
Lockerung (der Isolierung) zugelassen worden ... Bei der Arbeitszuteilung
wird darauf gehalten, daß homosexuelle Gefangene nicht
Gelegenheit bekommen, ohne ständige unmittelbare Aufsicht
mit einzelnen anderen Gefangenen zusammenzusein; daher werden
sie z. B. im Küchendienst und Kammerdienst nicht verwendet.
Das Prinzip der sozialen Kontrolle unter den Gefangenen sollte
auch in der Unterbringung greifen. In den Emslagern ...
gibt die Praxis dem >Verdünnungsprinzip< den Vorzug.
Dieses Prinzip geht dahin, die Homosexuellen so zu verteilen,
daß sie sich überall einer großen Mehrheit sexuell
nicht Pervertierter gegenüberstehen, die einmal sie, dann
aber auch einander aus der auch unter den Strafgefangenen sehr
verbreiteten gesunden Abscheu gegen die Homosexualität heraus
unter Kontrolle halten. Unterbringung in einem besonders leicht
zu überschauenden Teil der Baracke und bei übereinanderstehenden
Betten stets im oberen Bett sowie gute Auswahl der Barackenältesten
vervollständigen dieses System. (S. 30/31)
Die vielen biographischen Berichte über Homosexuelle in
Haft machen aus diesem Buch nicht nur ein wichtiges Zahlenwerk,
sondern lassen die Zeit der Naziherrschaft und die Nachkriegszeit,
in der der durch die Nazis verschärfte § 175 StGB weiter
galt, uns wieder bewusst werden. Unsere gegenwärtige Freiheit
ist auf die 68er Revolte zurückzuführen, die ein neues
Kapitel des staatlichen und gesellschaflichen Umgangs mit Homosexuellenunterdrückung
einleitete.
Über den Lehrer Hans Bielefeld urteilte 1942 das Zuchthaus
Hameln auf dessen Gnadengesuch: Im übrigen handelt
es sich um einen echten Homosexuellen, dessen innere Einstellung
durch die Straftat nicht im geringsten berührt wird. Er
erkennt seine widernatürliche Veranlagung nicht als solche
an, hält sich auch für keinen Verbrecher ... An sich
ist dem verschlossenen und etwas selbstgerechten Menschen erziehlich
wenig beizukommen. Von Reue oder einem ernsthaften Besserungswillen
ist keine Spur zu erkennen.(S. 160)
In der Nachkriegszeit versuchte er durch ein Buch, das es schrieb,
gegen den § 175 StGB vorzugehen, indem er u.a. jedem Abgeordneten
ein Exemplar sandte. Mit Schreiben vom 25.07.1950 protestierte
gegen diese Zusendung der CDU-Bundestagsabgeordnete Gottfried
Leonhard: Es ist wirklich traurig, daß sie den Mut
besitzen, jedem Bundestagsabgeordneten ... diese Schrift zu schicken.
(...) Ist Ihnen das Verwerfliche Ihres Verhaltens eigentlich
noch nie in den Sinn gekommen? (S. 161). In der Folge durchsuchte
die Kriminalpolitik sein Zimmer, beschlagnahmte die restlichen
Bände, weil er sich an dieser Schrift bereichern wollte,
die er doch verschenkt hatte. Er bekam vor Gericht recht und
seine Bücher zurück.
Viel Nachdenkenswertes und Wichtiges finden wir in diesem Buch,
das unbedingt zu empfehlen ist. (js)
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- Wahnsinn und Wut
heißt ein Band von Walter Foelske, in denen der/die LeserIn
schwarze Geschichten vorfindet, die wirklich nicht
die heile Gay-Welt zum Gegnstand haben, was wir von
Foelske auch nicht erwartet haben. Wie bei Anatomie eines
Gettos, wo er die Boshaftigkeit und Niedertracht zwischen
Schwulen in kurzen Geschichten aufzeigt, das gegenseitige Erniedrigen
zum Thema macht, finden wir hier wieder Abgründiges. Das
bei MännerschwarmSkript erschienene Buch hat 182 Seiten
und kostet 29,80 DM ISBN 3-928-983-61-X
Schwarze Geschichten dieses Mal in doppelter Bedeutung:
es geht auch um die Lust weißer Männer auf schwarze
Haut. Eine Mischung aus kolonialen Traum und Sehnsucht des weißen
Herren, der dieser in ihrem Gegenteil, dem Unterwerfen unter
den schwarzen Schwanz auslebt. In diesen sieben Erzählungen
sei kein Platz für Zwischentöne, schreibt der Verlag.
Den Helden seiner Geschichten wird unversehens bewußt,
daß ein Weg aus der Misere ihres bisherigen Lebens herausführt:
die Vereinigung mit dem Schwarzen, wie demütigend und erniedrigend
das für sie selbst auch sein mag. Die Erzählungen thematisieren
den gängigen Kulturkonflikt mit veränderten Vorzeichen:
Weiße Nordeuropäer leiden unter der Kraftlosigkeit
und Blutleere ihrer Existenz und sehnen sich nach der ursprünglichen
Vitalität schwarzer Männer. Je weiter sie sich mit
Selbsthass und Sehnsucht nach dem anderen hineinsteigern, um
so deutlicher wird die menschenverachtende und rassistische Seite
des Begehrens, wird hier sehr zutreffen dargestellt.
Man lebt mit den Helden, die teilweise eigene Gedanken und Empfindungen
des Lesers wiedergeben, andererseits aber auch so denken und
handeln, dass man sich von ihnen trennen möchte, weil man
so nicht empfindet und schon garnicht so handeln wollte oder
könnte. Bei einer Geschichte geht es um einen schwarzen
Heimzögling und seinem Erzieher, der sich in einem langen
Selbstgespräch vor sich selbst rechtfertigt. Dieses Buch
ist nichts für die, die nette Liebesromane mit Happy End
suchen. Es ist aber gerade deshalb lesenswert.(js)
- Faltenweise
mit dem Untertitel Lesben im Alter, herausgegeben
von Traude Bührmann, zu diesem Zeitpunkt selber 57 Jahre
alt, erschienen im Verlag Krug & Schadenberg, ISBN 3-930041-22-7,
ca. 250 Seiten zu 34,- DM.
In diesem Buch sind acht Biographien von Frauen im Alter von
48 bis 81 Jahren zusammengestellt, allen Frauen ist gemeinsam,
dass sie Lesben sind.
Das erste Portrait von Inge Kause, 59 Jahre alt, Krankenschwester
und Altenpflegerin erzählt von einer Frau, die größten
Teils ihr Leben in der DDR verbracht
hat, mit der Wende von der Krankenschwester zur Altenpflege
wechselt und mit 52 ihr Coming-out beginnt. Sie findet Unterstützung
bei ihrer Tochter und einer Freundin. Sie verlässt Mann
und Sohn in der alten Wohnung, hält aber weiter Kontakt
zu ihnen. Sie hat ihr Privatleben früher nach Mann und Sohn
ausgerichtet, nun gesteht sie sich ihre Wünsche ein und
lebt sie auch aus. Sie lernt Klavierspielen und Fotografieren.
Den Biographien ist gemeinsam, dass die Frauen Neues für
sich versuchen. Besonders deutlich wird dies im letzten Beitrag,
in dem drei Frauen, drei Singles, wie sie sich nennen, sich seit
zwanzig Jahren kennen und seit fünfzehn Jahren zusammen
leben. Zwei der drei Frauen verlieben sich und alle drei sind
gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass sie etwas Neues beginnen
wollen, unabhängig voneinander. Wie die Überschrift
zu diesem Kapitel sagt: Nichts ist so beständig, wie
der Wandel.
Ich kann dieses Buch sehr empfehlen, da es unterschiedliche Umgänge
von Frauen mit dem Alter aufzeigt. Frauen geben alte, auch liebgewordene
Betätigungen auf, wie z.B. Ayaya ihren Bauchtanz, 2. Kapitel,
sie ersetzt den Bauchtanz durch Tantra, und im 3. Kapitel Elisabeth
Heitkamp ersetzt ihren Ski-Abfahrtslauf durch Ski-Langlauf. Elisabeth
Heitkamp fängt auch nach ihrer Berufstätigkeit als
Lehrerin, im Rentenalter also, ein Studium in den Sozialwissenschaften
an.
In den Biographien werden Lebensbeispiele aufgezeigt, die auch
jüngeren Frauen Mut machen können, das eigene Leben
zu überdenken. (rs)
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- Gefahr im Verzug
von John Preston, Loverboys 14, erschienen im Verlag Bruno Gmünder,
ISBN 3-86187-044-4, 192 Seiten zu 22,- DM.
Alex Kane ist ein schwuler Superheld, eine Art James Bond, nur
jünger und besser aussehend natürlich. Als in Lichtburg,
einem europäischen Phantasiestaat ein Flugzeug entführt
wird, eilt er zur Hilfe, schon allein weil zu den Entführten
eine US-amerikanische Schwulengruppe gehört. Zusammen mit
der einheimischen Schwulenbewegung gelingt es ihm, die Täter
zu fassen. Doch die Hintermänner sitzen auch in den USA,
der Kampf geht weiter.
Wer einen spannenden Thriller erwartet hat, wird eher enttäuscht
sein. Im ersten Drittel des Buches passiert fast gar nicht (außer
zweimal Sex). Aber schließlich ist die Reihe Loverboys
auch nicht gerade eine Action-Reihe (und wenn, dann nicht in
diesem Sinn). Der Autor lässt seine Schwulen politicial
correct und monogam agieren. Auch der Hauptdarsteller ist in
diesem Punkt James Bond überhaupt nicht ähnlich. Das
führt dazu, dass er immer mehr Hintergrundgeschichten von
neuen handelnden Personen erfinden muss, was dem Handlungsfaden
nicht gerade gut tut. In Punkto Sex versucht er jedem Geschmack
was zu bieten. Alle Schwulen sind irgendwie lieb, nett und kulturell
interessiert. Es sei denn, sie missbrauchen blutjunge Coming-outler.
Dafür kommen sie dann aber auch bei Flugzeugexplosionen
ums Leben. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Buch mit so
viel Sex derart bieder und moralisch sein könnte. (ts)
Männer Sport
- von Clay Caldwell, Loverboys 15, erschienen im Verlag Bruno
Gmünder, ISBN 3-86187-045-2, 204 Seiten zu 22,- DM
Egal ob Schwimmen, Baseball, Football, Tennis oder Ski, die Leute
treibens bunt und wild. So gut wie jede gängige Sportart
ist vertreten. Zehn Kurzgeschichten, bei denen die Leute bald
zur Sache kommen, nicht mit überflüssiger Handlung
verbunden. In fast allen Punkten das Gegenteil zum vorherigen
Band. (ts)
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- Ds Ox-Kochbuch
Teil 2, noch mehr vegetarische und vegane Rezepte für Punkrocker
und andere Menschen, herausgegeben von Uschi Herzer und Joachim
Hiller. Erschienen im Ventil Verlag, ISBN 3-930559-59-5, 240
Seiten zu 22,- DM.
Teil 1 (siehe auch 57. LUST, Dezember 1999/Januar 2000) des 1997
von den beiden MacherInnen des Punkrock und Hardcore-Fanzines
Ox war ziemlich erfolgreich. So war es wahrscheinlich nur eine
Frage der Zeit für eine Fortsetzung. Fortsetzung heißt:
noch dicker, noch mehr Rezepte. Was für Teil 1 galt, gilt
auch für dieses Buch:: keine bunten Bilder nach dem Motto
So hätte es werden können, sondern viele,
ganz unterschiedliche Rezepte, bei denen jeder was findet und
alles ohne Fleisch. Jede Menge Ideen, jede Menge Tipps. Keine
Kochwissenschaft, sondern einfach Spaß am Kochen. Und als
Bonus zu jedem Rezept einen Musiktip. Was will mensch mehr. (ts)
-
- Männer
nennt Anja Müller ihren Fotobildband, in dem sie erotische
Fotografien von Männern vorstellt. Die Fotografin ist uns
schon bekannt, weil sie die lesbischen Liebes- und Sexszenen
im Schöner kommen fotografiert hat, ein Buch,
das wir in der 64. LUST vorgestellt haben. Der im Konkursbuchverlag
Claudia Gehrke erschienene Band hat 160 Seiten mit ca. 160 Schwarzweißfotografien
und kostet 49,80 DM, ISBN 3-88769-169-5
Sie hat als 16jährige ihre ersten Akktfotos gemacht, indem
sie ihren Bruder fotografierte, erfahren wir aus dem Band. Die
Männer, die sie hier fotografierte sind keine Models, sie
hat sie über Anzeigen in einschlägigen Zeitungen und
Zeitschriften für dieses Projekt geworben. Es sind teilweise
Schnappschüsse, weshalb ganz spontane Gesten und Mimiken
eingefangen wurden.
Sie fotografiert hier sehr verschiedene Männer unterschiedlichen
Alters und nicht nur geile Posen, dennoch sind alle diese Bilder
erotisch. Die Erotik der Männer erschließt sich der
ostberliner Fotografin anders, als wenn schwule Männer die
Bilder gemacht hätten. Der Schwanz, wenn auch nicht ausgeblendet,
ist nicht der Mittelpunkt der erotischen Spannung, die das gesamte
Bild auszuströmen vermag. Was soll ich lange rumreden, das
Buch hat mich fasziniert, und die auf diesen Seiten aufgezeigten
Abbildungen stammen aus diesem Buch. (js)