Die Arbeitswelt und der "Dritte Sektor"
Der Autor des nachfolgenden Beitrages ist der amerikanische
Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Rifkin. Er schrieb 1994 den
nachfolgenden Text, der im Dezember 1995 in der "Psychologie
Heute" veröffentlicht wurde.
1. Analyse
Seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre war die Arbeitslosigkeit
nicht mehr so hoch wie heute. Weltweit sind mehr als 800 Millionen
Menschen unterbeschäftigt oder Arbeitslos. Bis zur Jahrtausendwende
wird die Zahl noch einmal kräftig steigen. Nach einiger Anlaufzeit
haben sich die Computer und Kommunikationstechnologien schließlich
in der Arbeitswelt durchgesetzt; in ihrem Gefolge verändert
eine dritte industrielle Revolution die Weltwirtschaft von Grund
auf.
Die Dritte industrielle Revolution
Das Informationszeitalter hat begonnen, und dank immer leistungsfähigerer
Computerprogramme werden wir schon bald in einer Welt ohne Industriearbeit
leben. Auf der ganzen Welt ändern sich die Lebensverhältnisse,
Millionen von Menschen suchen nach einer neuen Aufgabe. Das Verschwinden
fester Arbeitsverhältnisse wird zum dringendsten sozialen
Problem des nächsten Jahrhunderts werden.
Während in der Öffentlichkeit noch immer von Wachstumsraten
die Rede ist, stehen die Arbeitnehmer ohnmächtig einem "Aufschwung
ohne Arbeitsplatz" gegenüber. Während unsere Unternehmen
ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stetig ausbauen
und ihre Profite wachsen, werden immer neue Massenentlassungen
angekündigt.
Wenn in der Vergangenheit in einem Wirtschaftsbereich Arbeitskräfte
durch neue Technologien freigesetzt wurden, so gab es stets einen
anderen Bereich, in dem diese Menschen neue Arbeitsplätze
fanden. Heute macht der technische Fortschritt in allen Wirtschaftssektoren
- in der Landwirtschaft, in der Industrie und im Dienstleistungsbereich
- Millionen von Menschen arbeitslos. Und der einzige neu entstehende
Bereich, der Wissensbereich, bietet nur Arbeit für eine dünne
Schicht von Unternehmern, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Programmierern,
Ausbildern, Beratern und anderen Fach- und Führungskräften.
Dieser Bereich wird zwar wachsen, aber er wird nur einen Bruchteil
der Arbeitskräfte aufnehmen können, die durch die rasanten
Fortschritte der Informationstechnologien freigesetzt werden.
Das Wirtschaftsleben wird radikal verändert, und die meisten
arbeitslosen Menschen sehen sich Veränderungen ausgesetzt,
deren Ausmaß sie gar nicht überblicken können.
Ohne große Vorwarnungen sind die technologischen und wirtschaftlichen
Umwälzungen über uns gekommen. Mit einem Male müssen
sich die Menschen überall auf der Welt fragen, ob es in der
Wirtschaft der Zukunft einen Platz für sie geben wird. Selbst
wer gut ausgebildet ist und über viel Erfahrung verfügt,
muß damit rechnen, daß Automation und Industrialisierung
ihn überflüssig machen werden: Der zu erwartende Übergang
in ein neues Maschinenzeitalter wird in den nächsten Jahrzehnten
eine Arbeitslosigkeit ungeahnten Ausmaßes mit sich bringen.
Wie in den 20er Jahren stehen wir kurz vor einer Katastrophe,
aber kein Politiker scheint wahrhaben zu wollen, daß die
Weltwirtschaft unausweichlich auf ein Zeitalter ohne Arbeit zusteuert
und daß das weitreichende Konsequenzen für unsere Zivilisation
haben wird.
Als erstes wurde de menschliche Muskelkraft durch Maschinen ersetzt,
jetzt verdrängen Computerprogramme den menschlichen Verstand.
In den meisten Industrieländern sind mehr als 75 Prozent
der Arbeitskräfte mit mehr oder minder einfachen Routinetätigkeiten
beschäftigt. Die meisten dieser Tätigkeiten können
auch von automatisierten Maschinen, Robotern oder leistungsfähigen
Computern erledigt werden. Neueren Untersuchungen zufolge haben
weltweit noch nicht einmal fünf Prozent der Unternehmen mit
der Einführung entsprechender Technologien begonnen. Wirtschaftsnobelpreisträger
Wassily Leontief prophezeit, daß mit der Einführung
immer leistungsfähigerer Computer "der Mensch als wichtigster
Produktionsfaktor verschwinden wird, genauso wie einst das Pferd
durch die Einführung des Traktors aus der landwirtschaftlichen
Produktion verschwunden ist."
Dank der zunehmenden Automation wird es bald überall auf
der Welt Fabriken ohne Arbeiter geben. In der US-amerikanischen
Industrie wurden zwischen 1981 und 1991 mehr als 1,8 Millionen
Jobs eingespart, in Deutschland waren es alleine 1992 mehr als
ein halbe Million. Diese Zahlen sind Ausdruck eines langfristigen
Trends: In den 50er Jahren waren noch 33 Prozent der amerikanischen
Arbeitnehmer in der Industrie beschäftigt. In den 60er Jahren
war die Quote auf 30 Prozent, in den 80er Jahren schon auf 20
Prozent gefallen. Heute (1993) sind weniger als 17 Prozent der
Beschäftigten Industriearbeiter, und der Managementberater
und Autor Peter Drucker schätzt, daß ihr Anteil in
diesem Jahrzehnt unter 12 Prozent sinken wird.
Angesichts der Lage der Industriearbeiterschaft, die zunehmend
aus dem Wirtschaftskreislauf ausgeschlossen wird, setzen viele
Ökonomen und Politiker auf den Dienstleistungsbereich, er
die Millionen von Arbeitssuchenden aufnehmen soll. Diese Hoffnungen
werden aber schon bald wie Seifenblasen zerplatzen. Schon längst
gehen auch in vielen Dienstleistungsunternehmen Arbeitsplätze
durch Automatisierung und Umstrukturierung verloren. Neuartige
"Denkmaschinen" können viele Aufgaben, die jetzt
noch von Menschen erledigt werden, in wesentlich kürzerer
Zeit bewältigen.
Manche Wissenschaftler, Ingenieure und Unternehmer sehen uns dabei
am Beginn einer neuen Epoche der Weltgeschichte stehen, in der
der Mensch endlich von mühseliger und stumpfsinniger Arbeit
befreit sein wird. Skeptischere Leute malen dagegen das düstere
Bild einer Zukunft, die geprägt ist von Massenarbeitslosigkeit,
weltweiter Armut und sozialen Spannungen.
Percy Barnevk - Präsident des Weltunternehmens Asea Brown
Boveri (ABB) - beispielsweise äußert sich sehr pessimistisch
über Europas Zukunftsaussichten: "Wenn mir jemand sagt,
in zwei oder drei Jahren wird es einen riesigen Bedarf an Arbeitskräften
geben, dann kann ich nur fragen: Wo denn? Was sollen das für
Arbeitsplätze sein, in welchen Städten, welchen Unternehmen?
Wenn man das alles zusammennimmt, steuern wir auf eine Arbeitslosenrate
von 20 bis 25 Prozent zu." ABB selbst hat durch Umstrukturierung
in der letzten Zeit fast 50.000 Beschäftigte freigesetzt
und gleichzeitig den Umsatz um 60 Prozent gesteigert.
Der Staat im Wandel
Die gegenwärtige Entlassungswelle gewinnt eine noch größere
Bedeutung, wenn man sich bewußt macht, wie die Ökonomen
ständig die Grenze, bis zu der die Zahl der Arbeitslosen
gerade noch "akzeptabel" sei, nach oben korrigieren
und dabei sind, die Gesellschaft an stetig wachsende Arbeitslosenzahlen
zu gewöhnen. Die Konsequenzen dieser epochalen Entwicklung
werden einfach unter den Tisch gekehrt.
Im selben Maße wie die menschliche Arbeit, verliert auch
die staatliche Politik ihre Bedeutung. Multinationale Unternehmen
eignen sich die macht der einzelnen Länder an: Sie übernehmen
in steigendem Maße die traditionelle Funktion des Staates
und kontrollieren globale Ressourcen, Absatz und Arbeitsmärkte.
Die Vermögenswerte der größten Weltunternehmen
übersteigen das Bruttosozialprodukt so manchen Landes.
Der Übergang von einer Wirtschaft, die auf der Nutzung von
Rohstoffen, Energie und Arbeit basiert, zu einer, die auf Informationen
und Kommunikation beruht, schmälert auch die Rolle des Nationalstaates
als Garanten der Marktstabilität. Die Basis des modernen
Nationalstaates war seine militärische Macht, durch die er
sich lebenswichtige Rohstoffe aneignen und sich arbeitsfähiger
Bevölkerungen bemächtigen konnte. Jetzt aber, da Energie,
natürliche Ressourcen und Arbeitskräfte gegenüber
Informationen, Kommunikation und intellektuellen Leistungen an
Bedeutung für die Produktion verlieren, hat auch die militärische
Macht ihre Bedeutung verloren. Informationen und Kommunikation,
die Rohstoffe der globalen High-Tech-Ökonomie, machen nicht
an Ländergrenzen halt.
Wie aus der internationalen Politik, so zieht sich der Staat auch
aus dem Arbeitsmarkt zurück. Angesichts wachsender Staatsschulden
und großer Haushaltsdefizite ist keine Regierung mehr bereit,
staatliche Programme aufzulegen, um Arbeitsplätze zu schaffen
und die Kaufkraft zu heben. In nahezu allen Industrieländern
der Welt fühlt der Staat sich nicht mehr zuständig,
die Marktstabilität zu garantieren.
Gesellschaftlicher Umbruch
Der Niedergang der Massenbeschäftigung wie der staatlichen
Einflußnahme auf das Wirtschaftsleben erfordert eine grundsätzliche
Neubestimmung der Grundlagen unserer Gesellschaft. Denken wir
nur daran, daß während des gesamten Industriezeitalters
die formalen Marktbeziehungen die traditionellen sozialen Beziehungen
bestimmten und daß sich der Wert eines Menschen fast nur
nach seinem Marktwert bemaß. Da es nun nur noch wenig einbringt,
seine Arbeitskraft zu verkaufen, droht das gesamte, auf dieser
Struktur aufgebaute Gerüst ökonomischer Beziehungen
einzustürzen. In ähnlicher Weise verlieren mit dem Rückzuge
des Staates aus dem Wirtschaftsleben Teile des Regierungsapparates
ihre Grundlage und müssen ihre Aufgaben neu bestimmen. Die
Orientierung des Staates auf den Markt durch eine andere Perspektive
zu ersetzen, dies wird zur vordringlichen Aufgabe aller Nationen.
Den meisten Menschen dürfte es schwerfallen, sich eine Gesellschaft
vorzustellen, in der nicht mehr der Markt und der Staat das Alltagsleben
bestimmen. Diese beiden Institutionen dominieren unser Leben in
allen seinen Aspekten, und niemand weiß mehr, daß
sie noch vor hundert Jahren eine wesentlich geringere Rolle in
unserer Gesellschaft spielten. Wirtschaftsunternehmen und Nationalstaaten
sind Geschöpfe des Industriezeitalters. Im Verlauf dieses
Jahrhunderts haben sie mehr und mehr Aufgaben an sich gezogen,
die zuvor von Tausenden lokaler Gemeinschaften erfüllt wurden.
Jetzt aber, da Wirtschaft und Staat nicht mehr in der Lage sind,
die wichtigsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen,
müssen die Menschen sich notgedrungen wieder selbst umtun
und neue lebensfähige Gemeinschaften bilden.
Lösung: der Non-Profit-Sektor?
In den USA existieren die Grundlagen für einen "dritten"
gesellschaftlichen Bereich schon seit langem. Neben dem privaten
und dem öffentlichen Sektor, auf die sich in der Moderne
stets die ganze Aufmerksamkeit gerichtet hat, gibt es hier einen
Bereich, der als Geburtshelfer der Nation von besonderer historischer
Bedeutung war und der heute zur Grundlage eines neuen Gesellschaftsvertrages
für das 21. Jahrhundert werden könnte. In diesem "Dritten
Sektor" ,der auch als unabhängiger oder freiwilliger
Sektor bezeichnet wird, sind gemeinschaftliche Bindungen charakteristisch:
Man widmet seinen Mitmenschen Zeit, statt künstliche Marktbeziehungen
mit ihnen einzugehen und sich und seine Dienste zu verkaufen.
Französische Sozialwissenschaftler haben in den 80er Jahren
den Begriff der "Economie Sociale" eingeführt,
um den Unterschied zwischen dem marktwirtschaftlichen Sektor und
dem Nonprofit-Bereich zu verdeutlichen. Der Wirtschaftswissenschaftler
Therry Jeantet erläutert, daß die Gemeinwirtschaft
sich "nicht nach den sichtbaren ökonomischen Resultaten
bemißt, wie sie der Kapitalismus (in Form von Gehältern,
Dividenden usw.) kennt, sondern eher soziale Ziele (individuelle
wie kollektive) oder indirekte ökonomische Gewinne anstrebt".
Der Beitrag, den die Freiwilligen in der gemeinnützigen Wirtschaft
dabei erbringen, sei das beste Beispiel für einen Ertrag,
einen Überschuß, den die traditionelle Wirtschaft nicht
anerkennen wollte oder konnte.
Zu den gemeinnützigen Tätigkeiten gehören nicht
nur Arbeiten und Leistungen im Bereich der Sozialarbeit und im
Gesundheitswesen, sondern auch im schulischen, im wissenschaftlichen
und künstlerischen Bereich, in der Kirche und im Rechtswesen.
Soziale Organisationen helfen Alten und Behinderten, psychisch
Kranken, unterprivilegierten Jugendlichen, Obdachlosen und Armen.
Freiwillige renovieren heruntergekommene Wohnungen und errichten
neue Häuser für Mieter mit geringem Einkommen. Zehntausende
Amerikaner betreuen freiwillig Patienten, auch AIDS-Kranke, in
öffentlichen Krankenhäusern und Kliniken. Tausende haben
Pflegekinder aufgenommen oder betreuen Waisen. Einige arbeiten
in Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche, die von zu
Hause weggelaufen sind oder sonst in Schwierigkeiten stecken.
Wieder andere beteiligen sich als Lehrkräfte an der Kampagne
gegen Analphabetismus. Viele helfen in Kindertagesstätten
oder sie versorgen die Armen mit Mahlzeiten. Immer mehr engagieren
sich in Einrichtungen für vergewaltigte und mißhandelte
Frauen und Kinder. Tausende arbeiten ehrenamtlich in öffentlichen
Unterkünften und geben Kleidung an Bedürftige aus. Viele
beteiligen sich an Selbsthilfegruppen wie den Anonymen Alkoholikern
oder helfen bei Drogenentzug. Zahlreiche hochqualifizierte Menschen
- Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte oder Verwaltungsfachleute
- beraten Freiwilligenorganisationen. Millionen engagieren sich
beim Umwelt- und Tierschutz. Andere arbeiten für Rechtshilfeorganisationen,
die auch auf die öffentliche Meinung und auf die Gesetzgebung
Einfluß zu nehmen versuchen. Hunderttausende widmen ihre
Zeit der Kunst - in Theatergruppen, Chören und Orchestern.
In vielen Gemeinden gibt es freiwillige Katastrophenhilfsdienste,
Feuer- und Bürgerwehren.
Während der privatwirtschaftliche Bereich 80 Prozent aller
ökonomischen Aktivitäten in den USA auf sich vereinigt
und der öffentliche Sektor weitere 14 Prozent des Bruttosozialprodukts
beisteuert, trägt der Dritte Sektor gegenwärtig mehr
als sechs Prozent der wirtschaftlichen Leistungen bei und beschäftigt
neun Prozent aller Arbeitnehmer. In den Organisationen dieses
Bereichs sind mehr Leute angestellt als etwa im Baugewerbe, in
der Elektroindustrie, im Tansportwesen oder in der Textilindustrie.
Gemeinnützige Tätigkeiten sind eine grundsätzliche
Alternative zu traditionellen Arbeitsverhältnissen. Anders
als Sklavenarbeit, Leibeigenschaft und Lohnarbeit sind sie wedererzwungen
noch auf eine treuhänderische Beziehung reduziert. Eine gemeinnützige
Tätigkeit ist eine Hilfeleistung, eine ausgestreckte Hand
- in diesem Sinne gleicht sie dem archaischen Gabentausch. In
erster Linie geht es um einen sozialen Austausch, auch wenn er
oft ökonomische Konsequenzen für den Wohltäter
wie für den Nutznießer hat. In dieser Hinsicht unterscheidet
sich eine gemeinnützige Tätigkeit grundlegend von einer
privatwirtschaftlichen, bei der es stets um einen materiellen
und finanziellen Austausch geht und bei der die sozialen Folgen
weniger wichtig sind als Gewinne und Verluste.
Der Dritte Sektor ist also der Bereich der sozialen Verantwortlichkeit.
Er trägt Sorge für Millionen Menschen, um die sich sonst
weder der Staat noch die Wirtschaft kümmern würde. Die
Organisationen des Dritten Sektors erfüllen eine ganze Reihe
von Funktionen. Sie bieten Foren, auf denen soziale Mißstände
kritisiert und neue Ideen entwickelt werden können. Sie reichen
den Armen und Hilflosen eine helfende Hand. Museen, Büchereien
und historische Gesellschaften bewahren Traditionen und ermöglichen
neue geistige Erfahrungen. Viele Menschen lernen im Dritten Sektor
die Spielregeln der Demokratie kennen und handhaben. Hier sucht
man Gesellschaft und findet Freunde. Hier gibt es Raum und Zeit
für spirituelle Erfahrungen. Religiöse und therapeutische
Organisationen bieten Millionen Menschen die Gelegenheit, die
weltlichen Belange des Alltagslebens hinter sich zu lasen. Und
schließlich ist der Dritte Sektor ein Platz, wo die Menschen
sich entspannen und spielen können, wo sie die Freuden des
Lebens genießen können. Viele dieser Elemente des Dritten
Sektors können zu Bausteinen eines Weltbildes werden, das
sich vom Nützlichkeitsdenken des Merktsektors grundlegend
unterscheidet.
Weltweite Erneuerung des Gemeinschaftslebens?
Im marktwirtschaftlichen Bereich ist die Produktivität das
einzige Kriterium, und daher können in diesem Sektor Maschinen
an die Stellen der Menschen treten. Im Gegensatz dazu kommt es
im dritten Sektor auf die Entwicklung menschlicher Beziehungen,
auf Einfühlungsvermögen, Solidarität und Verantwortung
an - Eigenschaften, die Apparate nicht besitzen. Dieser Bereich,
der den Maschinenweitgehen verschlossen bleiben wird, wird zwangsläufig
zum Zufluchtsort für die Opfer der Dritten Industiellen Revolution.
Dort werden sie ihrem Leben einen neuen Sinn geben können
- und ihrer Arbeit, die im marktwirtschaftlichen Sektor nichts
mehr wert ist.
Die Globalisierung und der Rückzug des Staates werden die
Menschen dazu bringen, sich zu Selbsthilfeorganisationen zusammenzuschließen.
Um den Übergang in das postmarktwirtschaftliche Zeitalter
zu bewältigen, wird es politischer Bewegungen und Zusammenschlüsse
bedürfen, um soziale Gemeinschaften und lokale Infrastrukturen
zu stärken.
Die Mittel dafür müssen von den Produktivitätszuwächsen,
die die Dritte Industrielle Revolution dem Marktbereich beschert,
abgezweigt werden. In der Auseinandersetzung darüber, wie
die Produktivitätszuwächse der Computerrevolution am
besten verteilt werden sollten, stellt sich jedem Land die entscheidende
Frage nach der wirtschaftlichen Gerechtigkeit. Hat ein jedes Mitglied
der Gesellschaft, auch der ärmste, ein Anrecht auf einen
Anteil an diesen Zuwächsen?
Wenn man diese Frage bejaht, müssen auch die Menschen, deren
Arbeitskraft in der automatisierten High-Tech-Welt des 21. Jahrhunderts
nicht mehr gebraucht wird, in irgendeiner Form eine Entschädigung
erhalten. Da der Wirtschaftssektor aufgrund des technischen Fortschritts
immer weniger Menschen beschäftigen wird, können die
freigesetzten Arbeitnehmer nur über den Weg eines wie auch
immer gearteten staatlich garantierten Mindesteinkommens zu ihrem
Anteil an den Produktivitätszuwächsen kommen. Dieses
Einkommen an eine gemeinsame Arbeit zu koppeln, würde zu
einer Weiterentwicklung der Gemeinwirtschaft beitragen und langfristig
den Übergang zu einer gemeinschafts- und dienstleistungsorientierten
Gesellschaft erleichtern.
Zu den Maßnahmen, mit deren Hilfe der Dritte Sektor ebenfalls
gestärkt werden könnte, zählen die Einführung
von Schattenlöhnen für freiwillige Arbeiten, die Einführung
einer Mehrwertsteuer auf High-Tech-Produkte und Dienstleistungen,
welche allein zur Finanzierung eines Sozialeinkommens für
gemeinnützigen Arbeiten verwendet werden müßte,
und die Erhöhung der Steuerabzugsfähigkeit für
Produktivitätsgewinne, die von den Unternehme in den dritten
Sektor transferiert werden. Je nach ihrer Lage werden die verschiedenen
Länder auch noch andere Maßnahmen ergreifen, um den
dritten Sektor auszubauen.
Alle Staaten der Erde werden jedenfalls eine Alternative zur Erwerbsarbeit
finden müssen. Der Übergang zum postmarktwirtschaftlichen
Zeitalter wird es notwendig machen, den Dritten Sektor weiter
auszubauen und unser Gemeinschaftsleben zu erneuern. Nur wenn
dies gelingt, werden die Menschen überall auf der Welt mit
der Globalisierung der Märkte und den Massenentlassungen
fertig werden können, die ihnen die Lebensgrundlage zu rauben
droht.