- Wichtiges aus der Schwulenbewegung
  
- Dieses Thema betrrifft vorrangig schwule Männer. Lesbische
  Frauen waren vom § 175 StGB nicht betroffen. Ihr Interesse
  am Theme hat etwas mit Solidarität zu tun (wie ihr mögliches
  Nichtinteresse bzw. ihre Nichtsolidarität). Da es den §
  175 StGB heutzutage nicht mehr gibt, aber noch die Vorbestraften
  bzw. Verurteilten, geht es auch um die Solidarität von jugen
  Schwulen mit älteren Schwulen, deren Leben durch dieses
  Gesetz stark beeinflusst war.
  
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- (2 Seiten aus der Sommerausgabe 2011 der
  Zeitschrift LUST, Vorveröffentlichung)
  
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- 12.05.2011, Tag der Homophobie
  im deutschen Bundestag
  17.05.: Tag gegen Homophobie
  Der 17.05. wird heutzutage weltweit als Tag gegen Homophobie
  auf recht unterschiedliche Art begangen. Und das hat seine Ursache
  im Umgang mit Homosexualität in den unterschiedlichen Ländern.
  Anlass des Tages ist, dass international Homosexualität
  nicht mehr als Krankheit angesehen wird. Man muss sich vor Augen
  halten, dass nach langem Mühen erst 1992 die WHO die Homosexualität
  nicht mehr als Krankheit ansah. Nun hat sich die Krankheits-Lage
  nicht nur geändert, sondern umgedreht, denn nun gelten unsere
  Verfolger und Diskriminierer als krank, nämlich als homophob.
  Klar, der Begriff "Homophobie" ist für Schwulenhass
  bzw. auch Lesbenhass nicht ganz korrekt, da die an Phobie Leidenden
  an ihrer Angst leiden, die Homophoben wollen aber den Lesben
  und Schwulen das Fürchten lehren, der Begriff Homophobie
  hat sich nun aber offensichtlich eingebürgert.
  In Deutschland taucht gerade an diesem Tag immer wieder der §
  175 StGB auf, weil es noch viele lebende Verurteilte gibt, und
  es den Schwulen im Volkmund abfällg gesagt wurde, sie hätten
  am 17.05. Geburtstag, seien deshalb also Hundertfünfundsiebziger.
  Und daher war der 17.05 hier schon länger ein szeneinterner
  Gedenktag. Was bei vielen diesjährigen Events zum 17.05.
  kaum jemand so richtig mitbekommen hat, ist das Verhalten der
  Union und der FDP am 12.05., das diesen Tag auch in Fragen §
  175 StGB zum Tag der Homophobie (statt gegen
  Homophobie) machte.
  
  Zum Thema
  - Die Grünen haben am Donnerstag, 12.05.2011,
  drei Tage vor dem Tag gegen Homophobie, beantragt, alle Verurteilungen
  aufgrund des Paragrafen 175 StGB zwischen 1949 und 1994
  aufzuheben und die Opfer zu entschädigen. Die menschenrechtswidrig
  Verurteilten gelten ja noch immer als vorbestraft, mit allen
  Nachteilen, die daraus entstanden sind und für sie z.B.
  durch unfreiwilliges Outing als "Sexualstraftäter"
  noch immer entstehen. Die Regierungskolition lehnte ab, und zwar
  aus verfassungsrechtlichen Bedenken.
  Der Paragraf 175 StGB ist in Deutschland ein Synonym für
  die Schwulenverfolgung: In 122 Jahren (1) wurden immerhin
  nach diesem Gesetz über 140.000 Männer verurteilt.
  Die meisten Bestrafungen gab es während der Nazizeit und
  in Westdeutschland der 1950er und 1960er Jahre. Immerhin hatte
  die Bundesrepublik den 1935 von den Nationalsozialisten verschärften
  Paragrafen 175 RStGB übernommen und beibehalten und damit
  (Im Namen des Volkes) Recht gesprochen. Da könnte man sagen:
  Vielen Dank, Deutsches Volk!
  Erst 1969 beendete die Große Koalition die Nazifassung.
  Danach enthielt das Gesetz nur noch (immer noch diskriminierend)
  ein höheres Schutzalter gegen mannmännlichen Sex, bis
  das antischwule Gesetz 1994 im Zuge der Rechtsangleichung zwischen
  BRD und DDR vollständig abgeschafft wurde, weil es dieses
  Gesetz in der DDR nicht mehr gab.
  - Die Alternative wäre gewesen, die damals
  in der BRD noch geltende Version des diskriminierenden §
  175 StGB in die neuen Bundesländer einzuführen
  und so die Freiheit des demokratischen Rechtsstaates Bundesrepublik
  Deutschland gegenüber den Schwulen im Unrechtsstaat
  DDR zu demonstrieren.
  Die Grünen bezeichnen es als einen Skandal, dass weiterhin
  in Deutschland Männer als verurteilt gelten, weil sie einvernehmlichen
  gleichgeschlechtlichen Sex hatten. Die Grünen erhielten
  im Bundestag nur Unterstützung von den Linken.
  Die Regierungsfraktionen sprachen sich jedoch gegen eine Aufhebung
  der Verurteilungen aus, da sie - anders als die Nazi-Urteile
  - rechtsstaatlich zustande gekommen seien. Das ist anders begründet
  als in den 50er Jahren, wo auch die Nazi-Version des § 175,
  die ja beibehalten wurde, als rechtlich einwandfrei angesehen
  wurde. Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling sieht in dem grünen
  Antrag gar einen Versuch rückwirkend die deutsche
  Rechtsordnung und damit unsere Rechtsstaatlichkeit"
  auszuhebeln.
  Zwar seien Homosexuelle von der Bundesrepublik in höchstem
  Maße diskriminiert und stigmatisiert worden",
  die Rechtssicherheit" sei aber wichtiger. Es
  spiele dabei keine Rolle, dass ein Sex-Verbot für Schwule
  aus heutiger Sicht unvereinbar mit dem Grundgesetz"
  sei. Die Veränderungen können und dürfen
  aber auf keinen Fall dazu führen, Entscheidungen des demokratischen
  Rechtsstaates und seiner Gerichte pauschal als Unrecht zu bewerten."
  Diese Begründung erinnert allerdings an das Bundsverfassungsgericht,
  das in den 50er Jahren über den von den Nazis erweiterten
  § 175 StGB urteilte, dass es sich gar nicht um nationalsozialistisches
  Unrecht handeln würde, so auch nicht die Ermordungen in
  den Konzentrationslagern und die Haft dort, weil das Gesetz ordentlich
  zustande gekommen sei (2).
  - Die Verharmlosung der Folgen dieses Gesetzes
  als Sexverbot kennzeichnet die homophobe Haltung,
  die hinter dieser Ablehnung steht. Der § 175 StGB bedeutete
  zwar tatsächlich ein Sexverbot für schwule Männer,
  aber da er männliche Homosexualität als Straftabestand,
  als Sexualverbrechen definierte, hing über allen mannmännlichen
  Begegnungen ein Damoklesschwert, auch wenn diese freundschaftlich
  und sexlos waren, besondes, wenn einer von ihnen als Homosexueller
  bekannt war. Wir wissen, dass es zum Beispiel bei einem Begrüßungskuss
  (in einem Prozess in Frankfurt) darauf ankam, ob sich dabei die
  Zunge im eigenen Mund oder dem des Freundes befunden hatte. Infostände
  wurden verboten, weil sie als Aufforderung zu einer Straftat
  angesehen wurden. Hinzu kamen Psycho-Experimente und Hirnoperationen
  an Homosexuellen, die aufgrund des gesellschaftlichen Druckes
  auf sie nicht mehr homosexuell sein wollten.
  
- Das alles wurde in den blöden aggressiven
  Teilen der Bevölkerung als Aufruf verstanden, schwule Männer
  zu verfolgen und auf offener Straße anzugreifen und dies
  auch noch als gute Tat anzusehen bzw. hinzustellen. Zur Polizei
  konnte man deshalb und auch bei Erpressungen nicht gehen, weil
  man befürchten musste, in die polizeilichen Rosa
  Listen eingetragen zu werden, als potenzieller Verbrecher,
  der ja Sex haben könnte. Hinzu kamen herabsetzende Politikerreden
  über die Warmen Brüder (F. J. Strauß:
  Leber ein kalter Krieger als ein Warmer Bruder".), besonders
  aus der konservativen Ecke, von den Kirchenvertretern und auch
  den entsprechende Hetzartikel in den Medien, im Kino usw. Da
  ist die Aussage Sexverbot extrem verharmlosend.
  
- Und das alles war vom Bundesverfassungsgericht
  abgedeckt und wurde von den Unionsparteien und dann an den Stammtischen
  in selbstgerechten Reden begrüßt und verteidigt.
  Dass vieles von den früheren Verfolgungen heute nicht (mehr)
  existiert, dies hoffentlich auf Dauer, nutzt den noch lebenden
  Opfern der Verfolgung durch die Bundesrepublik nichts in dem
  Zusammenhang, dass sie von unserem Justizsystem immer noch als
  vorbestrafte Sexualverbrecher angesehen werden.
  Der FDP-Politiker Jörg van Essen sieht es genauso wie sein
  CDU-Kollege: Mit Stolz schauen wir auf unsere Verfassung
  und unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung",
  erklärte er. Man könne deshalb nicht alles über
  Bord werfen, auch wenn mir die Haare nicht nur bei den
  Urteilen nach Paragraf 175 zu Berge gestanden haben".
  Schließlich würde das eine Welle auslösen, sagte
  er mit Blick auf den damaligen Straftatbestand der Kuppelei (3):
  Die isolierte Betrachtung der Urteile wegen Paragraf
  175 StGB führt zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung
  gegenüber all denjenigen Opfern, gegen die Urteile wegen
  ähnlicher Vergehen ergangen sind."
  Na und? kann ich da nur sagen. Dann muss das auch
  in Ordnung gebracht werden, und zwar schnell.
  Für die Regierungsparteien sind Schwule, die vor 1945 verurteilt
  wurden, Opfer des Naziregimes (was ihnen allerdings auch nichts
  brachte) - später mittels der gleichen Gesetze abgeurteilte
  Männer seien aber rechtmäßig als Sexualverbrecher
  gebrandmarkt worden.
  Bei allem Bedauern über die Verfolgung von Schwulen beharrt
  FDP-Mann van Essen auf den Urteilen: Es ist schon ein
  elementarer Unterschied, über die Aufhebung von Urteilen
  zu diskutieren, die während eines Unrechtsregimes oder jene,
  die von unabhängigen Gerichten in einem demokratischen Rechtsstaat
  ergangen sind". Im "Unrechtsstaat" DDR wurde
  die Nazifassung jedoch sofort abgeschafft, der Rest-Paragraph
  jedoch auch erst Jahre später.
  - Auch SPD-Rednerin Sonja Steffen spricht von
  verfassungsrechtlichen Bedenken", will diese
  aber prüfen.
  Nun haben ja alle Parteien auch ihre Lesben- und Schwulengruppen,
  die zumindest vor den Wahlen bei den großen CSD-Veranstaltungen
  Werbung für ihre Partei machen. Wie stehen diese denn zu
  diesen Begründungen ihrer Mutterorganisationen?
  So schreibt die interessante, informative und wichtige Internet-Gay-Seite
  www.queer.de über die Absicht der CDU/CSU-Lesben-
  und Schwulenorganisation LSU, mehr Einfluss auf die Politik der
  Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu nehmen: 
  LSU-Vizechef Björn Beck schränkte allerdings
  ein: "Die Forderungen des Lesben- und Schwulenverbandes
  (LSVD) nach Rehabilitation und Aufhebung der Urteile sind
  aus Sicht der LSU zwar nachvollziehbar, aber realitätsfern".
  Grund: Urteile, die aufgrund geltenden Rechts gefällt
  und vom Bundesverfassungsgericht gestützt wurden, können
  nicht aufgehoben werden". Dies gelte selbst dann, wenn
  diese Rechtsprechung aus heutiger Sicht gegen die Menschenrechte
  verstößt".
  Daher fordert die LSU den LSVD auf, sich zu zügeln: Unrealistische
  Forderungen verlängern diesen Prozess [der Stiftungseinrichtung
  für die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft] nur unnötig
  und bringen den wenigen noch lebenden Opfern nichts",
  so Beck (CDU)."
  Wir selber erinnern uns noch daran, wie wir den Aufruf des Schwulenverbandes
  der DDR (SVD) und des Bundesverbandes Homosexualität (BVH)
  an den Petitionsaussschuss der DDR und der Bundesrepublik mit
  unterstützt haben, um zu verhindern, dass der § 175
  wieder in den neuen Bundesländern eingeführt wird,
  anstatt ihn endlich im Westen abzuschaffen. Oder die Unterschriftenlisten
  von SVD und BVH soowie der AIDS-Hilfe gegen den § 175 StGB,
  die wir auf den Festivals auslegten, letztlich die von der AIDS-Hilfe,
  weil die uns am besten erschienen, und große Mengen von
  Unterschriften auf diversen Festivals sammelten.
  Und nun erdreisten sich die Unionsparteien und die FDP, die noch
  lebenden Opfer des § 175 noch immer nicht zu rehabilitieren?
  Und dann wird die LSU beim CSD wieder angeberisch auftreten und
  besonders die älteren Schwulen damit beleidigen?
  Also, damit die Bundesrepublik ein makelloser Rechtsstaat bleibt,
  beziehungsweise das Image der Bundesrepublik in der Adenauer-Zeit
  nachträglich positiver gesehen wird als es war, dürfen
  die zu unrecht verurteilten Menschen nicht rehabilitiert werden?
  Was staatliche Homophobie betrifft: muss man nur die Augen öffnen,
  um sie zu sehen. (js)
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- Informationsquellen: Die Hompage www.queer.de
  und Hans-Gerog Stümke/Rudi Finkler: Rosa Winkel,
  Rosa Listen, Homosexuelle und Gesundes Volksempfinden
  von Auschwitz bis heute, Hamburg 1981
  
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- Erklärungen zu den Fußnoten
  1. In den meisten Geschichtsbetrachtungen
  unserer Szene wird die Reichsgründung des deutschen Kaiserreichs
  als Beginn des § 175 angesehen, nachdem sich der Norddeutsche
  Bund 1871 in Deutsches Reich umbenannt hat, dann existierte er
  123 Jahre, rechtlich 122 Jahre. Allerdings hat der Norddeutsche
  Bund schon 2 Jahre vorher den § 175 StGB eingeführt,
  indem er die unterschiedlichen Strafgesetze gegen mannmännliche
  sexuelle Handlungen aus all den Mitgliedstaaten unter der Bezeichnung
  § 175 zusammengefasst hat. Dann müsste man sagen: 125
  Jahre, rechtlich 124 Jahre.
  2. Der Bundesgerichtshof begründete
  (am 13.03.1951) sein Urteil damit, dass gegen die Fortgeltung
  des Paragraphen in seiner seit 1935 gültigen Fassung (von
  den Nazis verschärften Fassung) keine Bedenken bestünden:
  Das Gesetz Ist in ordnungsgemäßer Form zustande
  gekommen. Die bei Kriegsende geltenden Rechtsvorschriften sind
  mehrfach daraufhin überprüft worden, ob sich die Weitergeltung
  mit der Änderung der politischen Verhältnisse in Deutschland
  verträgt.
  Am 22. Juni 1951 stellte der Senat des Bundesgerichtshofes fest,
  dass § 175 weder gegen den Gleichheitsgrundsatz, Artikel
  3 Abs. 2, des Grundgesetzes noch gegen Artikel 2 Abs. 2 GG, Recht
  auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, verstoße.
  Damit, daß die Rechtsordnung von einem strafrechtlichen
  Verbot der gleichgeschlechtlichen Unzucht der Frau absieht, verleiht
  sie dieser kein Recht, auf das sich der Mann mit Hinweis aud
  sie von der Verfassung gewährleistete Gleichberechtigung
  der Geschlechter berufen können. Grund dafür
  sei der naturgegebene Unterschied der Geschlechter
  usw. Zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit meinte
  das Gericht: Die Unzucht unter Männern verstößt
  gegen das Sittengesetz .... (Hans-Gerog Stümke/Rudi
  Finkler: Rosa Winkel, Rosa Listen, Homosexuelle und Gesundes
  Volksempfinden von Auschwitz bis heute, Hamburg 1981 S.
  357 f.)
  Das Verfassungsgericht urteilte am 10.05.1957 im Namen
  des Volkes in gleicher Angelegenheit. In einer achtzigseitigen
  Begründung berief sich das höchste Gericht der Bubdesrepublik
  zunächst auf Moses und das Alte Testament. ... Für
  das Gebiet Homosexualität rechtfertigen biologische Verschiedenheiten
  eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter ... Schon die
  körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für
  den Mann auf eine mehr fordernde, für die Frau auf eine
  mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin.
  Dieser sexistischen Argumentation fügt das Gericht noch
  hinzu: Während bei der Frau körperliche
  Begierde (Sexualität) und zärtliche Empfindungsfähigkeit
  (Erotik) fast immer miteinander verschmolzen seien, fände
  man gerade beim homosexuellen Mann beide Komponenten
  vielfach getrennt. So gelingt der lesbisch veranlagten Frau das
  Durchhalten sexueller Abstinenz leichter, während der homosexuelle
  Mann dazu neigt, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu
  verfallen.
  - Auch eine Verfassungsbeschwerde gegen Artikel
  2 des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit)
  wurde vom Verfassungsgericht zurückgewiesen. Dieses Recht
  sei durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt,
  die eine im Grenzbereich liegende Handlung bestrafen würde,
  wenn feststeht, daß die soziale Gemeinschaft die
  Handlung eindeutig als im Widerspruch zu dem Sittengesetz stehend
  betrachtet, das sie allgemein als für sich verbindlich anerkennt
  ... Unsittliche Gesetze gehören nie zur verfassungsmäßigen
  Ordnung ... Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt
  eindeutig gegen das Sittengesetz. 
  Was das Sittengesetz nun sei, da meint u.a. das Gericht,
  entscheidend sei jedoch, daß die öffentlichen
  Religionsgemeinschaften, insbesondere die beiden großen
  christlichen Konfessionen, aus deren Lehre große Teile
  des Volkes die Maßstäbe für sittliches Verhalten
  entnehmen, die gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen.
  ( Stümke/Finkler, A.a.O. S. 360 f)
  Der Antrag der Grünen am 12.05.1011, die nach dem §
  175 StGB Männer zu rehabilitieren, wurde demnach von CDU/CSU
  und FDP abgewiesen, um die verfassungsmäßige Rechtsordnung
  der Bundesrepublik Deutschland, also auch diese Begründungen
  des Bundesverfassungsgerichtes aus den 50er Jahren zu schützen,
  denn die sind ja die Grundlage der Beibehaltung des von den Nazis
  verschärften Paragrafes, der Männer schon für
  einen Kuss ins Zuchthaus schickte. Es ging doch um die Opfer
  dieser Verurteilungen zwischen 1949 und 1994.
  Erst 1969 beerdigte die Große Koalition die Nazifassung
  und erst 1994 wurde der § 175 StGB in Deutschland endlich
  gänzlich abgeschafft, weil die SED ihn schon in der Volkskammer
  der DDR abgeschafft hatte.
  3. Der FDP-Politiker Jörg van Essen
  meint, wenn man die menschenrechtswidrigen Verurteilungen wegen
  Homosexualität aufheben würde, würde man eine
  Welle auslösen und müsste man auch die Urteile wegen
  Kuppelei infragestellen. Seit 1871 galt Geschlechtsverkehr
  zwischen Unverheirateten, auch wenn sie verlobt waren, als Unzucht
  bzw. als unzüchtig und stand unter Strafe (Homosexualität
  zwischen Männern war "widernatürliche Unzucht").
  Der sogenannte Kuppeleiparagraf bestrafte Eltern, Vermieter und
  Verwandte, die unverheirateten Paaren Räumlichkeiten nicht
  verweigerten bzw. sogar zur Verfügung stellten. Noch 1962
  entschied der 4. Strafsenat, dass Kuppelei unter Strafe zu stellen
  sei. 1969 wurde der Kuppeleiparagraf abgeschafft.
  Man muss sich überlegen, was dies bedeutete: wer unverheirateten
  Erwachsenen ein Hotelzimmer überließ, machte sich
  ebenso wegen "Verschaffung der Möglichkeit zur Unzucht"
  strafbar, wie Eltern, die den Freund oder die Freundin ihres
  erwachsenen Sohnes oder ihrer erwachsenen Tochter nicht der Wohnung
  oder des Hauses verwiesen bzw. sie nicht anzeigten. Zimmerwirte
  mussten so bei alleinstehenden Mietern die Zimmer kontrollieren.
  - Das alles und noch viel mehr (was am 12.05.2011
  nicht zur Sprache kam) war von Verfassungsgerichten abgesicherte
  Realität in der Adenauerzeit, wie z.B. das Verbieten von
  Aufklärungsbüchern und Teilen der internationalen Literatur
  als "Pornographie".
  
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