- Grußwort zur 60. LUST, zur
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111. LUST,
-
- Liebe LeserInnen der 110. Print-Ausgabe,
Frühlings-LUST 2012
Unter uns gesagt ...
Naja, dieses Bild zeigt schon, dass ich schon wieder deutlich
älter geworden bin, also musste ich es wieder mal austauschen.
Corny Littmanns Analyse des Umgangs in unserer Szene in seinem Lied Mit 30 bist du draußen,
damals auf seiner Platte Mannstoll, ließ mich
darüber nachdenken, ob ich das ebenso sehen muss.
-
- Nein, fand ich, mir gehts
(was meine Möglichkeiten damals betraf) besser als früher.
Aber jetzt muss schluss sein, mit dem Älterwerden, damit
ich das auch noch eine Weile genießen kann.
Es war natürlich nicht damit schluss. Und dass ich mir jetzt,
wenn ich mir was wünschen dürfte, wohl auch wünschen
würde, dass ich wieder 40 oder 30 werden würde und
es dann mit dem Altern schluss wäre, nicht aber mit dem
Weiterleben, das ist doch klar.
-
- Solche Träume gabs wohl in der ganzen
Geschichte der Menschheit, und als Kind hatte ich mir mal ein
Bild von einem Jungbrunnen angesehen, wo die ganzen Männer
auf Schubkarren ihre alten Frauen vorbeibrachten und sie dort
ins Wasser warfen, irritierte mich, denn sie waren doch selber
auch älter.
-
- Vermutlich sprangen sie dann selber auch
dort rein. Das Altsein hat zu allem anderen nämlich noch
den Haken, dass man einsehen muss, keine Zukunft zu haben.
Es ist nämlich so, dass das Leben dann gut ist, wenn man
sich viele gute Zukunftspläne vorstellen kann, die sich
sicherlich alle nicht erfüllen. Aber die Zukunftspläne,
an die man halbwegs glauben kann, die machen es aus.
Wenn man aber stattdessen einsehen muss, dass all solche Pläne,
die mir noch einfallen könnten, überhaupt keinen Sinn
machen, realistisch gesehen, dann hat man diese lustvolle Gedankenstütze
ja auch nicht mehr, nämlich dass es irgendwie besser werden
könnte.
Ich weiß, es wäre überhaupt gar nicht besser,
wenn die Menschen plötztlich alle immer weiter leben könnten,
ohne zu altern. Dann müsste das mit dem Nachwuchs aber auch
nachlassen, denn sonst wäre es auf der Erde unerträglich.
-
- Und dass ein (auch gedanklicher) Fortschritt
für unsere Gesellschaft irgendwann man stattfinden könnte,
wäre wohl auch nicht möglich, denn wir haben ja die
Narben und Lehren aus den erlebten Auseinandersetzungen in uns,
die unser älter gewordenes Bewustsein ausmachen. Auch würden
die Menschen, die am zynichsten mit dem Leben anderer Menschen
umgehen, ihre Mcht und ihren Reichtum ins Grenloseste steigern
und die normalen Menschen würden vollkommen verkommen.
Also dürfte man sich vielleicht das nicht-mehr-Altern aber
das grenzenlose Weiterleben nur für sich selber wünschen,
nicht für die anderen.
An sehr viele Illusionen, die ich mir in früheren Jahren
machte, könnte ich dann aber nicht mehr glauben. Wie sollte
ich dann den jungen Menschen begegnen können, ohne dass
sie mich hassen müssten, weil ich mit meinen Erfahrungen
wohl ihre Utopien zerstören würde?
Nun, sie könnten mich wohl nicht ertragen, wenn ich dann,
sagen wir mal 500 oder 800 Jahre alt wäre, sie müssten
mich dann wohl wegschließen oder umbringen oder einfach
als Spinner abtun.
Soll das vielleicht heißen, dass ich mich damit abfinden
muss, nun immer schneller zu altern? Als Kind fand ich es absolut
unverschämt, wenn mich im Sommer Mücken stachen, ohne
mich vorher um Erlaubnis zu fragen, ob sie sich vielleicht mal
auf mich setzen dürfen.
Ich was wohl schon immer so, dass ich einfach nicht ertragen
wollte, was an Unerträglichem so auf mich zukam. Zum Teil
hat mir das ja genutzt, weil ich zu ändern versucht hatte,
was für mich änderbar war. Auch das ist sehr unangenehm,
wenn man das immer schnellere Altern bemerkt, dass die Bereiche,
die für mich änderbar sind, abnehmen und die Bereiche,
die ich einfach dulden muss, zunehmen.
Als meine Erwerbsarbeit zu Ende ging, wollte ich endlich alles
nachholen, was ich wegen ihr aus Zeitgründen bisher nicht
erleben konnte. Doch da das Leben ohne anzuhalten immer weiter
geht, komme ich jetzt auch nicht dazu.
Habe ich Euch jetzt eher amüsiert oder gelangweilt?
-
- Es grüßt Euch
Euer Joachim von der LUST
- (joachim-schoenert@lust-zeitschrift.de)